Kirchenverfassung seit 1920
Eine Kirchenverfassung gibt es erst, seit eine Notwendigkeit für sie bestand. Damit gibt es sie erst mit dem Ende des landesherrlichen Kirchenregiments, also der Trennung von Staat und Kirche. In der Weimarer Reichsverfassung von 1919 heißt es in Art. 137 Abs. 1: „Es besteht keine Staatskirche“. Der ganze Artikel gesteht den Religionsgesellschaften zu, ihre Angelegenheiten in den Grenzen allgemeinen Rechts regeln zu dürfen, Steuern zu erheben oder auch Körperschaft des öffentlichen Rechts sein zu können. Dass der Artikel weiterhin Gültigkeit besitzt, bestätigt Art. 140 GG. Entsprechend gibt es eine Kirchenverfassung erst nach 1919, genauer seit dem Kirchenverfassungsgesetz (KV) vom Juni 1920. Im Kirchenverfassungsgesetz finden sich heute noch alle wichtigen Regelungen zur Landessynode.
Landessynode schon seit 1869
Seit wann gibt es nun aber eine Landessynode in Württemberg? – Die gibt es schon deutlich länger. Schon hundert Jahre früher, nämlich 1819, erhielt das noch junge Königtum Württemberg eine Staatsverfassung. Von der Reformation bis 1806 war das Herzogtum Württemberg ein evangelisches Staatswesen. Wilhelm I. (von 1816 bis 1864 König in Württemberg) war nun immer noch Oberhaupt der evangelischen Kirche. Er hatte aber nicht mehr die Kirchenleitung inne. Die ging an ein Ministerium über. Die Kirche selbst hatte politische Bedeutung eingebüßt und war nunmehr ein Anhängsel der Staatsverwaltung. Im Zuge dessen und bestärkt durch die gesellschaftliche Stimmung wurden Diskussionen laut, das Kirchenvolk solle auch angemessen gegenüber der Kirchenleitung repräsentiert sein. Fünfzig Jahre dauerte der Prozess insgesamt. Betont wurde dabei, dass man nicht auf eine Nachahmung politischer Strukturen sinne, man wolle lediglich den bereits bestehenden kirchenbehördlichen Synodus mit eigenen gewählten Mitgliedern ergänzen.
Die Umsetzung gelang zunächst auf Ebene der Kirchengemeinden und Kirchenbezirke. Im Zuge der allgemeinen gesellschaftlichen Demokratisierungstendenz sollten Beratungsgremien, noch ohne Haushaltsrecht, entstehen. Seit 1851 gab es Pfarrgemeinderäte – die späteren Kirchengemeinderäte. 1854 entstand eine analoge Struktur auf Kirchenbezirksebene, die sogenannten Diözesansynoden, die aus den Mitgliedern der Pfarrgemeinderäte besetzt wurden. Wilhelm I., dem die Revolutionsbewegung von 1848/49 im Nacken saß und der eine Anarchie befürchtete, unterstützte diese kirchlichen Bestrebungen nicht. Erst mit seinem Sohn und Nachfolger Karl (von 1864 bis 1891 König von Württemberg), der sich für die Selbstständigkeit der Kirchen aussprach, konnte auch die Umsetzung auf Landesebene erfolgen. Eine Landessynode konnte es deshalb erst ab 1864 geben, wurde 1867 durch königliche Verordnung eingeführt und tagte dann tatsächlich 1869 erstmals.
Landessynodalordnung und erste einberufene Landessynode
In der Landessynodalordnung von 1869 heißt es in § 1: „Die Landessynode ist zur Vertretung der Genossen der Evangelischen Landeskirche gegenüber von dem landesherrlichen Kirchenregiment bestimmt.“ Damit ein kirchliches Gesetz in Kraft treten durfte, musste nun die Landessynode zustimmen. Ein Initiativrecht Gesetze selbst einbringen zu dürfen, erlangte die Landessynode aber erst dreißig Jahre später. Trotzdem leistete sie auch in den ersten Jahrzehnten schon wichtige Dienste in der Verständigung.
Die erste Landessynode in Württemberg kam am 18. Februar 1869 in der Stuttgarter Schlosskirche zusammen. Auch wenn die Begriffe anders waren: Schon damals setzten sich die Mitglieder aus Theologen und aus Laien zusammen, damals aber aus jeweils fünfundzwanzig auf Kirchenbezirksebene gewählten Männern. Ausschüsse gab es auch schon in Form der Kommissionen für Lehre und Kultus, Christliches Leben und Armenpflege, Kirchenrechtliche Gegenstände und Ökonomische Angelegenheiten.
Die Landessynode nach 1919
Nach 1919 waren auch Veränderungen für die Landessynode möglich. Im Kirchenverfassungsgesetz von 1920 heißt es in § 4 Abs. 1 entsprechend: „Die Landessynode vertritt die Gesamtheit der evangelischen Kirchengenossen.“
Die Kirchenleitung wird gemeinsam durch mehrere Verfassungsorgane wahrgenommen, zu denen insbesondere der Landesbischof, die Landessynode und der Oberkirchenrat zählen. Dem Landesbischof kommt die oberste Leitung der Landeskirche zu (vgl. § 31 KV). Er vertritt die Kirche, soweit dies nicht durch den Oberkirchenrat geschieht, nach außen und nimmt die Aufgaben wahr, die ihm in den kirchlichen Gesetzen übertragen sind. Der Landesbischof wird gemäß § 34 Abs. 1 KV auf Vorschlag des Nominierungsausschusses von der Landessynode gewählt und ist berechtigt, die Landessynode aufzulösen (vgl. § 13 KV). Nach § 21 KV kommt der Landessynode das kirchliche Gesetzgebungsrecht zu, sie stellt den landeskirchlichen Haushaltsplan fest und kann „Anträge, Wünsche und Beschwerden an den Landesbischof oder den Oberkirchenrat richten“. Der Oberkirchenrat führt die landeskirchliche Verwaltung und vertritt die Landeskirche insbesondere in vermögenrechtlichen Angelegenheiten (vgl. § 36 Abs. 1 KV).
Zusammengesetzt ist die Landessynode aus 90 Synodalen, wobei daraus nun zwei Drittel Laien und ein Drittel Theologen und Theologinnen im Sinne von ordinierten Personen sind (vgl. §4 Abs. 2 KV). Eine weitere Person kommt als Angehörige der Universität und ständiges Mitglied des Prüfungsausschusses für die Erste Theologische Dienstprüfung dazu – was nebenbei bemerkt schon 1869 so gehandhabt wurde. Gegenwärtig ist das Prof. Dr. Jürgen Kampmann. Bis zu acht Synodale und auch bis zu sechs beratende Mitglieder können zugewählt werden.
Erst 1920 wurden die Mitglieder der Landessynode auch von allen Kirchenmitgliedern direkt gewählt, also nicht aus den Bezirksgremien entsendet. Innerhalb der EKD ist die Urwahl nach wie vor eine württembergische Besonderheit. Einen Satz „Alle Kirchengewalt geht vom Kirchenvolk aus“, analog zu parlamentarisch-demokratischen Verfassungen, gibt es in der Kirchenverfassung aber trotzdem nicht.
Die Landessynode heute
Auch Parteien gibt es in der Landessynode nicht. Bewusst gibt es stattdessen Gesprächskreise, die als solche den Charakter der Synode unterstreichen: Lebendige Gemeinde, Offene Kirche, Evangelium und Kirche und Kirche für morgen (nach ihren gegenwärtigen Sitzanteilen in der Synode aufgezählt). Diese Gesprächskreise entstanden aber erst in den 1960er Jahren.