Im Beisein von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und rund 600 geladenen Gästen aus Kirchen, Gesellschaft und Politik ist in einem festlichen Gottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche am 24. Juli Ernst-Wilhelm Gohl in sein Amt als neuer Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg eingeführt worden. Zugleich hat die Landeskirche Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July in den Ruhestand verabschiedet.
Einführung ins Amt des Landesbischofs
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann würdigt Julys Wirken folgendermaßen: „Der Anspruch von Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July war es von Anfang an, zwischen den starken Richtungen und Prägungen seiner Landeskirche keine Spaltung erwachsen zu lassen, sondern Brücken zu bauen. Auch im Verhältnis zwischen Staat und Kirche hat Dr. h.c. July stets Kontakt gesucht, das offene Wort dabei nicht gescheut, aber auch immer das Verbindende gesehen. Mit großer Leidenschaft hat er sich auch für die Ökumene mit den katholischen und orthodoxen Geschwisterkirchen eingesetzt. Deshalb danke ich Dr. h.c. July von Herzen für die gute und fruchtbare Zusammenarbeit in den letzten Jahren!“, sagte Ministerpräsident Kretschmann. „Dem neuen Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl wünsche ich für seine Aufgabe alles Gute, viel Erfolg und den Segen Gottes für sein Tun. Gerade bei den aktuellen, großen Herausforderungen für die Kirchen ist sein Amt sehr anspruchsvoll!“
Der Gottesdienst stand unter einem Wort aus dem Matthäus-Evangelium „Christus spricht: Siehe, ich bin bei Euch alle Tage …“ aus dem 28. Kapitel des Matthäus-Evangeliums. Vor über 600 geladenen Gästen predigte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl über Mt 28,16-20. In diesem Text verheißt der auferstandene Jesus seinen Jüngern seinen Beistand und gibt ihnen den Auftrag, seine Botschaft in die Welt zu tragen: „Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Gohl deutet den Text im Hinblick auf den Auftrag der Kirche: „Was ist der Auftrag der Kirche? Dann sind diese Worte Jesu der Maßstab: Wir gehen hin. Wir hören zu. Wir verkündigen die frohe Botschaft von Gottes Liebe. Diese Liebe schaut nicht darauf, was jemand kann oder nicht. Diese Liebe verändert Menschen zum Guten. Sie gibt niemanden auf.“ In Mt 28 ist auch vom Zweifel der Jünger an Jesu Auferstehung die Rede. Den Zweifel deutete Gohl als positive Kraft: „Jesus verliert kein Wort über den Zweifel. Er lässt ihn stehen. Neben der Anbetung. Seltsamerweise gehört so der Zweifel zum Glauben. Dieser Zweifel entlastet. Sich unzulänglich fühlen, nicht genug Vertrauen haben – das gehört dazu. Die Welt ist eben nicht schwarz oder weiß. Der Glaube ist es auch nicht. Es gibt die Grenzen der Erkenntnis. Und eine Kirche, die dem Zweifel keinen Raum lässt, wird zur Sekte. Bei manchen Diskussionen gerade bei ethischen oder moralischen Fragen wünschte ich mir mehr Zweifel. Denn meist schafft eine einzige, alles andere ausschließende Lösung ja wieder neue Probleme.“
Gohl bezog dies auch auf Waffenlieferungen an die Ukraine. Christinnen und Christen glaubten an die Zusage Jesu: „Selig sind die Frieden stiften!“ Er sei überzeugt, dass Frieden letztlich nicht mit Waffengewalt zu erreichen sei. Aber, so Gohl weiter: „Dennoch halte ich es für richtig, dass auch unser Land die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützt. Wenn ein Land überfallen wird, Dörfer und Städte in Schutt und Asche gelegt werden, wenn grausame Verbrechen verübt werden, wenn Teile der Bevölkerung in den besetzten Gebieten deportiert werden – dann halte ich es für ethisch und christlich geboten, diesem Land zu helfen, sich gegen diese brutale Übermacht zu verteidigen. Denn Frieden ohne Gerechtigkeit wird es nicht geben. Davon bin ich überzeugt. Frieden ohne Gerechtigkeit würde nur den Sieg der Gewalt bedeuten. Und dennoch bleiben Zweifel. Sie müssen bleiben! Um der Wahrhaftigkeit willen! Denn der oder die Zweifelnde weiß, es könnte auch alles ganz anders sein. Deshalb hält der Zweifel das Gespräch offen. Und dieses offene Gespräch brauchen wir unbedingt in unseren polarisierten Zeiten.“
Weiter sprach Gohl von den großen Herausforderungen, vor denen Landeskirche stehe und die vielen Angst machten: „Ich kenne das, bin da aber weiter zuversichtlich. Gott hat mit Nicht-Helden seine Kirche gegründet. Und er wird sie mit Nicht-Helden weiter durch die Zeit bringen. Diese Kirche wird sich verändern. Das tut sie sich übrigens schon seit 2000 Jahren. Sie wird sich verändern. Aber sie wird nicht verschwinden. Unser Auftrag ist einfach zu wichtig für diese Welt. Sie braucht dringend Gottes Liebe. Diese Liebe gilt der ganzen Welt. So verstehe ich meinen Dienst in der Kirche – auch jetzt als Bischof, als Christ. Diese Liebe will ich in der Welt bezeugen. Zusammen mit allen Christinnen und Christen.“
Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July betonte in seiner Hinführung zum Amtsversprechen: „Bei dem Leitmotiv dieses Tages haben wir auf Matthäus 28 gehört: ‚Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende…‘ Unter diesem Wort gebe ich voll Vertrauen auf Gottes Geleit und Segen das Amt des Landesbischofs in der evangelischen Landeskirche in Württemberg – nach der Wahl durch die Landessynode – an dich weiter.“ Er wies auf die Verpflichtung hin, „das Evangelium in den Verhältnissen unserer Tage in die Lebenswelt der Menschen zu bringen, in ökumenischem Geist und diakonischer Haltung. In öffentlicher Verantwortung und sensibler Seelsorge.“ Veränderungen in der Gesellschaft und Herausforderungen für die Kirchen in Deutschland würden die Aufgabenfelder des Landesbischofs begleiten, „und auch mit deinen neuen Gaben werden weitere Perspektiven aufzuzeigen sein.“
In ihrem Zeugenwort für den neuen Landesbischof sagte Synodalpräsidentin Sabine Foth: „Wir haben als Synodale einige gemeinsame Jahre mit Höhen und Tiefen erlebt, und ich freue mich, dass ich nun deine ersten Jahre im Bischofsamt als Präsidentin der Landessynode begleiten darf. Persönlich wie auch stellvertretend für die Synode möchte ich dir folgende Bibelworte aus den Sprüchen 16, 3 mit auf den Weg geben: Befiehl dem Herrn deine Werke, so wird dein Vorhaben gelingen.“
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl dankte Frank Otfried July für seinen 17 Jahre währenden Dienst: „Unser aller Dank gilt dir als fröhlichem Verkündiger des Evangeliums, deiner Menschenfreundlichkeit und deinem großen Geschick als Moderator und Brückenbauer in Kirche und Gesellschaft. Kompromissbereitschaft und Geduld sind Gaben, die ein Brückenbauer braucht. Die hast du in einem hohen Maß eingebracht und so zu mancher Einigung entscheidend beigetragen, z. B. bei der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.“ July habe dieses Amt gerade in Zeiten besonderer Herausforderung als Amt der Einheit verstanden, über trennende Gräben hinweg und im Zusammenwirken von Kirche und Diakonie: „Ich denke da an deine Zusicherung von der flüchtlingsbereiten Kirche 2015 und deinen unermüdlichen Einsatz für die Schwachen in der Zeit der Pandemie.“ July habe Reformen in der Landeskirche angestoßen und begleitet und gemeinsam mit dem Kollegium des Oberkirchenrates viele schwierige Entscheidungen treffen müssen und sich dabei von einem Wort aus dem 1. Petrusbrief leiten lassen, das alle Christinnen und Christen aufrufe, ‚Rechenschaft abzulegen von der Hoffnung, die in euch ist.‘ Diese Hoffnung habe July ausgestrahlt – „auch, weil du erfahren hast, dass Kirche Jesu Christi immer größer ist als die eigene Landeskirche. Das zeigen auch deine vielen ökumenischen Kontakte und dein Einsatz als Vizepräsident des Lutherischen Weltbunds.“
Neben Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirkten am Gottesdienst mit: Sabine Foth (Präsidentin der Württembergischen Evangelischen Landessynode), Landesbischöfin Prof. Dr. Heike Springhart (Ev. Landeskirche in Baden), Bischof Dr. Gebhard Fürst (Diözese Rottenburg-Stuttgart), Kirchenpräsident Dr. Volker Jung (Ev. Kirche in Hessen und Nassau für die EKD) und Bischof Anba Damian (Diözese der koptisch-orthodoxen Kirche in Norddeutschland) sowie weitere leitende Geistliche verschiedener Kirchen..
Unter den rund 600 Gästen waren zudem Erzbischof Stephan Burger (Erzbistum Freiburg), Landtagspräsidentin Muhterem Aras, Innenminister Thomas Strobl, die frühere Kultusministerin Annette Schavan sowie eine Reihe von Bundestags- und Landtagsabgeordneten, Oberbürgermeistern und Repräsentanten kirchlicher, politischer und kultureller Organisationen und Institutionen.
Musikalisch wirkten mit: Die Stuttgarter Kantorei und die Stiftsphilharmonie unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor (KMD) Kay Johannsen, die Tobias Becker Band mit der Sängerin Mareike Riegert, der Schwäbische Posaunendienst unter der Leitung von KMD Hans-Ulrich Nonnenmann, die 2. Stiftsorganistin Clara Hahn, YOU/C, die Sing-Community des EJW unter Leitung von Benny Steinhoff sowie die Hanke Brothers.
Kay Johannsen und Tobias Becker haben weite Teile der Musik für den Gottesdienst neu komponiert und arrangiert. So entstand ein musikalisch roter Faden. Die Musikauswahl und die beteiligten kirchenmusikalischen Gruppen fügten sich zu einem Klangbild der Württembergischen Landeskirche.
Liebe Gemeinde,
„Jesus Christus spricht: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“.
Für mich verbinden sich diese Worte Christi mit einer Erfahrung, die ich am Beginn der Coronapandemie gemacht habe. Zu Beginn des ersten Lockdowns waren auch in Ulm die Straßen wie leergefegt. Angst und Sorge lagen über der Stadt wie der Nebel im Herbst. Im Kirchengemeinderat der Münstergemeinde haben wir damals beschlossen, ein Hoffnungszeichen zu setzen und haben ein großes Banner am Ulmer Münster angebracht. Wer trotz der Pandemie auf den Münsterplatz kam, sollte es lesen können. Wir haben lange nach passenden Trost- und Hoffnungsworten gesucht. Und schließlich haben wir diesen Vers auf das Banner geschrieben: „Christus spricht: Ich bin bei Euch alle Tage.“
Dieses Christuswort schlägt für mich die Brücke zum heutigen Tag.
Heute wie damals: Jesus ruft seine Jüngerinnen und Jünger zu sich. Nach Galiläa, in die Höhe, auf den Berg. Wer schon einmal auf einen Berg gestiegen ist, weiß, wie anstrengend das sein kann. Aber die Mühe lohnt sich. Denn Berge sind Orte für besondere Erfahrungen. Und wer oben ist, der sieht weiter als sonst. Er sieht bis zum Horizont.
Jesus ruft also seine Jünger zu sich. Er steigt mit ihnen auf den Berg – und sie schauen über Galiläa. Galiläa – das war ihre Heimat. Dort sind sie Jesus zum ersten Mal begegnet. Dort hat alles angefangen. Jetzt aber bahnt sich etwas Neues an. Jesus wird in den Himmel zurückkehren. Die Jünger zurück in die Welt. Und da sagt Jesus Christus zu ihnen:
„Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“
Mit diesem Auftrag sollen die Jünger runter vom Berg - mitten in die Welt.
Sie sollen:
Hingehen, Zuhören, Trösten.
Hingehen, Zuhören, erzählen, was wir glauben und hoffen.
Hingehen, Zuhören, Gemeinschaft erfahren.
Wenn wir heute fragen: Was ist der Auftrag der Kirche? Dann sind diese Worte Jesu der Maßstab: Wir gehen hin. Wir hören zu. Wir verkündigen die frohe Botschaft von Gottes Liebe. Diese Liebe verändert Menschen zum Guten. Sie gibt niemanden auf. Diese Liebe schaut nicht darauf, was jemand kann oder nicht. Wie ein liebender Vater schließt sie uns, ihre Kinder, in die Arme.
Diese Liebe gilt der ganzen Welt. So verstehe ich meinen Dienst in der Kirche. Diese Liebe will ich in der Welt bezeugen. Zusammen mit allen Christinnen und Christen. Und wir sind eine bunte Schar. Das zeigt die Reaktion auf diesen Auftrag Jesu:
„Und als die Jünger Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten“
Als Pfarrer in Plochingen habe ich an der Hauptschule Religion unterrichtet. Einmal hat ein Neuntklässler zu mir gesagt: „Ich glaube nur, was ich sehe. Wenn ich Jesus sehen würde, würde ich auch glauben“. Ich habe ihm dann von Jesu Abschied auf dem Berg erzählt und von den zweifelnden Jüngern. Der Schüler konnte das gar nicht glauben: „Jünger, die zweifeln, die gibt’s nicht!“ Diese Antwort fand ich stark. Denn sei zeigt die Irritation. „Doch“, habe ich gesagt, „es gibt zweifelnde Jünger!“. Eine lebhafte Diskussion über Glauben und Zweifel kam durch diesen Schüler in Gang.
Und es ist doch auch irritierend! Solange waren die Jünger mit Jesus zusammen. Tag und Nacht. Sie haben seine Predigten gehört und seine Wunder gesehen. Haben seine Verhaftung miterlebt und mitbekommen, dass er gekreuzigt wurde. Und jetzt, wenn der Auferstandene vor ihnen steht, zweifeln einige trotzdem.
Auf dem Berg, hoch oben haben sie Angst. Und ich kann sie verstehen. Ein solcher Auftrag kann einen schwindelig machen: Gottes Liebe in Wort und Tat aller Welt zu verkündigen. Als einzelne aber auch als Kirche scheitern wir immer wieder daran. Sei es, dass wir uns zu klein und unzulänglich fühlen. Sei es, dass wir Gottes Liebe durch unser Tun verdunkeln.
Jesus verliert kein Wort über den Zweifel. Er lässt ihn stehen. Neben der Anbetung. Seltsamer Weise gehört so der Zweifel zum Glauben. Ich finde das entlastend: Sich unzulänglich fühlen, nicht genug Vertrauen haben – das gehört dazu. Die Welt ist eben nicht schwarz oder weiß. Der Glaube ist es auch nicht. Es gibt die Grenzen der Erkenntnis. Und eine Kirche, die dem Zweifel keinen Raum lässt, wird zur Sekte.
Bei manchen Diskussionen gerade bei ethischen Fragen wünschte ich mir mehr Zweifel. Denn meist schafft eine einzige, alles andere ausschließende Lösung ja wieder neue Probleme. Wir erleben das in diesen Wochen bei der kontroversen Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine. Als Christinnen und Christen glauben wir an die Zusage Jesu aus der Bergpredigt: „Selig sind die Frieden stiften!“ Ich bin auch der Überzeugung, dass Frieden letztlich nicht mit Waffengewalt zu erreichen ist.
In der aktuellen Situation halte ich es aber für richtig, dass auch unser Land die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützt. Wenn ein Land überfallen wird, Dörfer und Städte in Schutt und Asche gelegt werden, wenn grausame Verbrechen verübt werden, wenn Teile der Bevölkerung in den besetzten Gebieten deportiert werden – dann halte ich es für ethisch und christlich geboten, diesem Land zu helfen, sich gegen diesen brutalen Angriffskrieg zu verteidigen. Denn Frieden ohne Gerechtigkeit kann es nicht geben. Davon bin ich überzeugt.
Frieden ohne Gerechtigkeit würde nur den Sieg der Gewalt bedeuten.
Und dennoch bleiben Zweifel. Sie müssen bleiben! Um der Wahrhaftigkeit willen! Denn der oder die Zweifelnde weiß, es könnte auch alles ganz anders sein. Deshalb hält der Zweifel das Gespräch offen. Und dieses offene Gespräch brauchen wir unbedingt in unseren polarisierten Zeiten.
Noch einmal das Evangelium:
„Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten“.
Ich lese diese unterschiedlichen Reaktionen nicht als besseren und schlechteren Glauben. Es sind unterschiedliche Haltungen des Glaubens. Beide! Sie stehen für mich nicht im Gegensatz. Umgekehrt: Sie bedürfen einander. Die Anbetung, der Lobpreis, die Offenheit, sich auf Gottes Gegenwart einzulassen – das ist Kirche. Der Zweifel, die Klage, das Leiden am Jetzt – das ist genauso Kirche. Gemeinsam sind wir Kirche.
Zusammen mit den Jüngern oben auf dem Berg sind auch wir alles andere als Helden. Die Jünger haben oft nicht verstanden, was Jesus eigentlich macht. Einer von ihnen hat Jesus dreimal verleugnet. Alle sind sie weggelaufen, als es gefährlich wurde. Aber gerade diesen Menschen gilt sein Auftrag.
Manche sprechen mit Blick auf die nächsten Jahre für die Kirche schon von einer „Mission Impossible“. Wir alle wissen, wie groß die Herausforderungen sind, vor denen unsere Landeskirche in den nächsten Jahren steht. Manchen unter uns macht das Angst. Oder lähmt uns. Veränderungen sind oftmals mit Rückbau verbunden und werden als persönliche Niederlagen empfunden.
Ich kenne das, bin da aber weiter zuversichtlich. Gott hat mit Nicht-Helden seine Kirche gegründet. Und er wird sie mit Nicht-Helden und Nicht-Heldinnen weiter durch die Zeit bringen. Diese Kirche wird sich verändern. Das tut sie sich übrigens schon seit 2000 Jahren. Sie wird sich verändern. Aber sie wird nicht verschwinden. Unser Auftrag ist einfach zu wichtig für diese Welt. Die Welt braucht dringend Gottes Liebe.
Deshalb: Schauen wir auf Christus!
Wir sehen ihn hier am Fenster neben der Kanzel abgebildet. Wir sehen die Jünger. Anbetend und zweifelnd. Christus in der Mitte. In Vollmacht. Doch ihm geht’s nicht um die weltliche Herrschaft. Der Auferstandene trägt die Kreuzmale. Seine Macht ist immer eine gebrochene.
Ohne seine Liebe ist seine Macht nur halb. Und so sind die Menschen in seiner Nachfolge gut ausgewählt, wenn sie eben nicht perfekt sind. Denn kein Mensch, keine Kirche ist perfekt.
Wenn wir nicht perfekt sind, sind wir die Richtigen. Wir sind nicht Gott! Als „Gottes Bodenpersonal“ müssen wir uns nicht selbst überschätzen und übernehmen. Wir richten uns an Christi Liebe und Vollmacht aus.
Wir müssen auch mit unserer Art nicht die ganze Kirche sein. Es gibt auch andere. Die vielen ökumenischen Gäste heute zeigen dies.
Und dann ist da noch etwas in der Zukunftsrede Christi. Vielleicht das Wichtigste überhaupt. Das, Bibelwort, das wir im ersten Corona-Lockdown ans Ulmer Münster angebracht haben:
„Christus spricht: Ich bin bei Euch - alle Tage“
Mit dieser Verheißung sind wir auf dem Weg. Manchmal zuversichtlich mit der Hoffnung, dass es gut werden wird mit uns, der Kirche. Und auch gut werden wird mit dieser Welt. Und manchmal auch verzweifelt angesichts der vielen Krisen, die kein Ende zu nehmen scheinen. Kein Bergblick – tief in der Talsohle. Und oft sind wir uns selber fremd.
Wie es auch ist: Christus ist da. Er geht mit. Wir haben seine Hand, die uns hält. Seine Stimme, die zu uns spricht: „Ich bin bei euch alle Tage“, Ihr Ängstlichen und Ihr Zuversichtlichen. Bei Euch Zweifelnden und bei Euch Glaubenden. Ich bin bei euch – bei allem, was zu Ende geht. Und bei allem, was neu anfängt. „Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“. Sagt Christus. Deshalb: „Geht, in die Welt!“.
Und wir? Machen uns auf den Weg!
Amen
Im Anschluss an den Gottesdienst fand in der Stiftskirche ein Festakt statt.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann nannte das Bischofsamt angesichts der aktuellen großen Herausforderungen für die Kirchen „sehr anspruchsvoll“. Er wünschte dem neuen Landesbischof und allen, die in der Kirche Verantwortung tragen, dass sie angesichts von starken Mitgliederschwund nicht verzagen, sondern dass „die Kirchen weiter die Gesellschaft durchtränken mit dem was sie braucht: Glaube Hoffnung und Liebe.“
Das Wirken Julys würdigte der Ministerpräsident mit dem Hinweis auf dessen Bemühen, zwischen den Flügeln in der Landeskirche Brücken zu bauen. Im Verhältnis zum Staat habe July „stets Kontakt gesucht, das offene Wort dabei nicht gescheut“. Die persönlichen Gespräche mit dem scheidenden Landesbischof hätten ihn persönlich immer bereichert und gestärkt im Glauben, so Kretschmann.
Gebhard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, sagte, er sei sehr dankbar für das gute geschwisterliche Verhältnis der evangelischen und katholischen Bischöfe im Land. In einer Zeit wie heute, die von schweren Krisen und dramatischer Unsicherheit gekennzeichnet ist, sei der Glauben eine Kraftwelle, ein „Unterwegssein, das getragen ist in Hoffnung“.
Dem scheidenden Landesbischof July sei besonders eine diakonische Kirche am Herzen gelegen, die tätige Nächstenliebe lebt. Für seinen Einsatz als Landesbischof zeichnete Fürst July mit der großen Martinusmedaille aus - der größten Auszeichnung seiner Diözese. Dem neuen Landesbischof Gohl sagte Fürst: „Lassen Sie uns miteinander unterwegs sein für eine immer größere Einheit im Glauben und im Leben“.
Sabine Foth, Präsidentin des württembergischen „Kirchenparlaments“, der Landessynode, empfahl dem neuen Bischof Gottvertrauen für seine Amtsführung. So würden seine Vorhaben gelingen, sagte sie unter Berufung auf einen Bibelvers aus dem Buch der Sprüche.
Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) überbrachte Grüße der EKD-Ratsvorsitztenden Annette Kurschus. Julys Wort habe in den Gremien der EKD großes Gewicht gehabt und er habe vieles für die Gemeinschaft der EKD-Gliedkirchen geleistet.
Martin Junge, ehemaliger Generalsekretär des Lutherischen Weltbunds, dankte July, der sieben Jahre lang Vizepräsident des Lutherischen Weltbunds war, für seine Arbeit. Die Menschheit stehe vor enormen Herausforderungen, sagte Junge. Hier werde der Auftrag der Kirchen umso wichtiger, eine Stimme der Hoffnung und Versöhnung in das Weltgeschehen einzubringen.
Beim Empfang im Rahmen des Wechsels im Bischofsamt haben sich der neue Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl und sein Vorgänger Dr. h.c. Frank Otfried July in einer unterhaltsamen und informativen Talkrunde den Fragen von Petra Gerster und Christian Nürnberger gestellt. (Musik: https://www.hankebrothers.de/)
Gerne können Sie das Opfer des Gottesdienstes mit Ihrer Gabe unterstützen. Es ist für die Arbeit des Lutherischen Weltbundes in Äthiopien bestimmt. Dort herrscht die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Dazu gibt es durch den Ukrainekrieg weniger Nahrungsmittel und die Preise steigen rapide. Mehr und mehr Menschen hungern. Bereits jetzt sind über 185.000 Kinder schwer unterernährt. Der Lutherische Weltbund verteilt in Äthiopien Grundnahrungsmittel wie Mehl, Bohnen und Öl. Außerdem unterstützt er Hungernde langfristig – etwa mit Schulungen in klimaangepasstem Getreide- und Gemüseanbau. Schon für etwa 12 Euro versorgen Sie ein mangelernährtes Kind zwei Monate lang mit einer kräftigenden Spezialnahrung aus Mais und Soja.
Helfen Sie mit Ihrer Spende:
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Stichwort: Hunger Äthiopien
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Ernst-Wilhelm Gohl hat für sein neues Amt als Landesbischof einen guten Vorsatz gefasst: Auch als Landesbischof möchte der 59-jährige von seinem Selbstverständnis her Pfarrer mit einem guten Kontakt zur Basis bleiben – mit anderen Arbeitsschwerpunkten, aber eben doch Pfarrer. Denn Gohl liebt den persönlichen seelsorgerlichen Umgang mit den Menschen. Auch in seinen 16 Jahren als Ulmer Dekan hat er nie seine seelsorgerlichen Aufgaben abgegeben. Auch als Dekan und Münsterpfarrer wollte er den Menschen seiner Stadt nahe sein. Und so kennt man ihn in Ulm auch: immer unterwegs in der Stadt, immer auf dem Sprung von einer Aufgabe zu anderen, aber doch jederzeit für jeden Menschen ansprechbar.
Gohls Zugewandtheit zeigt sich schon im Lebenslauf, denn nach dem Zivildienst machte Gohl – in Stuttgart als Pfarrerskind geboren und in Esslingen und Mössingen aufgewachsen – erst einmal eine Ausbildung zum Rettungsassistenten. Nach dem Studium in Tübingen, Bern und Rom führte ihn sein Weg zunächst zum Vikariat an die Böblinger Stadtkirche. Von 1994 bis 2001 war er Pfarrer an der Christuskirchengemeinde in Böblingen – zunächst im Unständigen Dienst und dann auf seiner ersten ständigen Pfarrstelle, bevor er an die Stadtkirche in Plochingen wechselte und schließlich für 16 Jahre als Dekan in den Kirchenbezirk Ulm. Hier lernte Gohl, mit einer großen Bandbreite verschiedenster Gemeinden zu arbeiten, schließlich umfasst der Kirchenbezirk Ulm doch sowohl die Großstadt Ulm mit der selbstbewussten Gemeinde der Bürgerkirche Ulmer Münster als auch viele ländliche Gemeinden auf der Schwäbischen Alb.
Bei seiner Verabschiedung aus dem Amt des Dekans in Ulm sagte die Prälatin von Ulm, Gabriele Wulz, Gohl habe die „unnachahmliche Stärke, ganz viel Raum zu lassen und gleichzeitig präsent zu sein, die meisten Aufgeregtheiten – vor allem am und im Münster – gelassen zu nehmen und zugleich mit tiefem Ernst Pfarrer und Seelsorger zu sein.“ Die Ulmer verlören „einen Menschen, der als freier Christenmensch profiliert Positionen vertreten hat – dabei auch Menschen geärgert hat, der aber auch zugehört und Positionen revidiert hat, wenn er durch Argumente belehrt oder beeindruckt wurde. Wir verlieren einen Menschen, einen Kollegen, einen Pfarrer, einen Dekan und nicht zuletzt einen Nachbarn, der um der Sache willen streitbar ist und um der Menschen willen alles möglich macht.“
Gohl glaubt fest an die Zukunft der Kirche. Zentrale Pfeiler dieser Zukunft sind für ihn vor allem Seelsorge und Diakonie und die Bereitschaft, neue Formen des Gottesdienstes auszuprobieren, ohne Angst vor einem Scheitern des Experiments haben zu müssen.
Als zupackender und engagierter Pfarrer am Ulmer Münster stand Gohl stets auch im Rampenlicht der Stadtgesellschaft und ging dabei keiner Auseinandersetzung mit Andersdenkenden aus dem Weg. Er scheute sich nicht, zu gesellschaftlichen und politischen Fragen um der Menschen willen klare Haltung zu zeigen, kämpfte dabei aber immer auf uneitle, freundliche und zugewandte Art gegen Polarisierung und für Ausgleich und Toleranz. Gohl gilt als Brückenbauer und hat sich in Ulm intensiv auch in der Ökumene und im Dialog der Religionen engagiert. Als Brückenbauer und ausgleichende Kraft kennen ihn auch die Mitglieder der 14., 15. und 16. Landessynode. Rund 15 Jahre lang war er Mitglied des württembergischen Kirchenparlaments.
Ernst-Wilhelm Gohl ist verheiratet mit der Apothekerin Dr. Gabriela Gohl und hat zwei erwachsene Kinder. Ein weiterer Sohn ist im Alter von 3½ Jahren tödlich verunglückt – ein Thema, mit dem Gohl sehr offen umgeht. In seiner Freizeit ist es ihm wichtig, mit Familie und Freunden zusammen zu sein und regelmäßig Sport zu treiben. Dreimal in der Woche schnürt er seine Joggingschuhe zum Laufen. Nach den Flachstrecken in Ulm und an der Donau könnte die Stuttgarter Topografie eine kleine Herausforderung werden …
Herkunft: geboren als Pfarrerskind am 3. Juni 1963 in Stuttgart, aufgewachsen in Esslingen-Sulzgries und Mössingen
Ausbildung: Nach Zivildienst im Rettungsdienst Ausbildung zum Rettungsassistenten. Studium der Ev. Theologie in Tübingen, Bern, Rom (Facolta Valdese)
Berufliche Stationen:
Weitere Ämter und Ehrenämter: u.a. Mitglied der 14., 15., 16. Landessynode als direkt gewählter Theologe des Wahlkreises Blaubeuren Ulm bis 2022
Persönliches: Verheiratet mit der Apothekerin Dr. Gabriela Gohl. Zwei inzwischen erwachsene Kinder und ein Sohn, der im Alter von 3½ Jahren tödlich verunglückte.
Leiter des Bischofsbüros, Persönlicher Referent des Landesbischofs, theologische Grundsatzfragen
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70173 Stuttgart
Theologische Referentin des Landesbischofs
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