Sie sind die Oldtimer unter den württembergischen Klöstern und bringen eine lange, oft wechselvolle und manchmal auch mysteriöse Geschichte mit. Im 5. Teil der „Sommerserie über klösterliche Orte“ reisen wir zu den ältesten Klöstern auf dem Gebiet der württembergischen Landeskirche. Hier laden historische Kleinode zum Verweilen ein und erzählen von lang vergangenen Tagen.
Von jeher bilden Stadt und Kloster in Murrhardt eine Einheit. Die Klosteranlage im Herzen der Stadt besticht durch ihren tollen Erhaltungszustand. So vermittelt das Denkmal mit seinem großzügigen Klosterhof, den Wirtschaftsgebäuden und dem beeindruckenden „Langen Bau“ von 1550 einen soliden Eindruck vom früheren Leben und der Entwicklung des altwürttembergischen Klosters.
Seine Gründung und spätere Bedeutung verdankt es vermutlich der Lage Murrhardts am ehemaligen römischen Limes. Angenommen wird, dass sich in oder bei den Ruinen eines römischen Kohorten-Kastells ein Hof der Merowinger befunden hat. Ein einzelner Mönch gründete dann um 750 die Urzelle des Klosters.
Ab der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts tritt hier die schillernde Sippe der Walterichs in Erscheinung. 816/17 hebt Walterich das Benediktinerkloster Murrhardt aus der Taufe - mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung des Kaisers Ludwig des Frommen, Sohn Karls des Großen. Am Anfang steht ein Konvent mit zwölf Brüdern, die teilweise von der Insel Reichenau im Bodensee stammen. Walterich wird der erste Abt.
Der Kaiser schenkte dem neuen Kloster damals das nötige Land, die Pfarreien von Murrhardt, Sulzbach und Fichtenberg hinzu sowie mehrere Höfe und Güter. Walterich genießt unter der Regierung Ludwigs des Frommen hohes Ansehen und eine bedeutende Stellung. Er soll sogar Beichtvater des Kaisers gewesen sein.
Mit mehreren Urkundenfälschungen versuchen die Bischöfe von Würzburg um die Jahrtausendwende, ihren Einfluss auch in Murrhardt zu verstärken. Diesen Trend unterbricht das Kloster mit der Anlehnung an die Hirsauer Reformbewegung ab dem späten 11. Jahrhundert. Der illegitime Sohn von König Rudolf von Habsburg, Albrecht von Schenkenberg, gründet schließlich um 1287 die Stadt Murrhardt.
Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges sieht das Kloster zahlreiche Menschen kommen und gehen. Es ist jedoch der erste Abt Walterich, der mit seinem Namen in der Stadt allgegenwärtig bleibt – etwa in der Walterichskirche, der Walterichskapelle, als Schule, Straße oder Apotheke Walterich. Manche Überlieferungen erzählen, Walterich sei wundertätig gewesen und habe allerlei Krankheiten heilen können. Er wurde zeitweise als Heiliger verehrt, und Gläubige pilgerten nach seinem Tod an sein Grab.
Besucher des Klosters in Herbrechtingen wundern sich nicht selten: Auf dem alten Klostergelände steht ein mächtiges Langhaus – doch der Kirchturm fehlt. Wie gemopst und auf der Flucht verloren, steht eine passende Spitze mit Glocken rund 100 Meter entfernt. Diese Besonderheit könnte fast symbolisch sein für die wechselvolle Geschichte dieses zweitältesten württembergischen Klosters.
Die Geschichte beginnt 774. Kaiser Karl der Große schenkt das Anwesen der Abtei Saint-Denis bei Paris - zur Gründung einer Benediktiner-Zelle. 1171 folgt die Umwandlung vom Benediktinerkloster in ein Augustiner-Chorherrenstift. Doch dann nimmt das Unglück seinen Lauf.
1279 kommt es zur ersten Plünderung des Stifts durch Menschen aus der Nachbarstadt Giengen, die 1449 nochmal zuschlagen. 1519 gibt es eine erneute Plünderung, diesmal durch Truppen des Schwäbischen Bundes.
1536 hebt Herzog Ulrich von Württemberg das Augustiner-Stift auf und wandelt die Anlage in ein evangelisches Klosteramt um. Am Schicksal ändert das nicht viel: 1633 bedienen sich die Schweden im dreißigjährigen Krieg, und gleich im Jahr darauf kommt es zur Plünderung nach der verlorenen Schlacht bei Nördlingen.
Zwar erhält Württemberg das Stift 1648 zurück, und es wird wieder protestantisch, die Plünderungen sind damit aber noch nicht ganz beendet: Im Spanischen Erbfolgekrieg leidet das Stift noch einmal, und schließlich wird es im Jahr 1806 per Reichsdeputationsbeschluss Napoleons aufgelöst.
Schnell sind die glanzvollen Zeiten zwischen den Plünderungen vergessen, etwa die große Blüte in der Spätgotik oder von 1741 bis 1749 das Wirken von Albrecht Bengel, eines der bedeutendsten Vertreter des württembergischen Pietismus. Im 19. und 20. Jahrhundert werden viele Gebäude abgerissen und 1835 dann auch das Kirchenschiff neu errichtet. Als Glockenturm dient fortan ein alter Tor-Turm des Klosters – was die Entfernung zwischen Langbau und Turm erklärt. Die klösterlichen Gebäude, die erhalten bleiben, dienen mal als Spinnerei und Textilfabrik, mal als Kinderrettungsanstalt und Bildungsstätte.
Ein neues Kapitel schlägt die Stadt Herbrechtingen schließlich auf, nachdem sie die Gebäude gekauft und saniert hatte: Mit dem „Kulturzentrum Kloster“ erhält das Kloster eine neue Aufgabe und neuen Glanz. Unter einem gemeinsamen Dach haben nun die Stadtbücherei, die Volkshochschule, die Musikschule, ein Familienzentrum und der Förderverein Kultur im Kloster ihren Platz.
Die romantische Stille in der Ruine des Klosters Hirsau soll regelrecht inspirierend sein. Ludwig Uhland zumindest schuf hier mit der „Ulme zu Hirsau“ ein Stück romantische Literatur:
Zu Hirsau in den Trümmern,
da wiegt ein Ulmenbaum.
Frischgrünend seine Krone,
hoch überm Giebelsaum.
Er wurzelt tief im Grunde
vom alten Klosterbau.
Er wölbt sich statt des Daches
hinaus in Himmelblau.
So beginnt Uhlands Gedicht „Ulmenbaum“. Den vollständigen Text finden Sie zum Beispiel hier.
Noch heute schwärmen Besucher davon, still im Schatten der alten Mauerreste zu träumen. So hätte es Abt Wilhelm wohl gefallen. 1069 kommt er mit dem Vorsatz ins Nagoldtal, das Kloster – zu dessen Vorgeschichte vieles im Trüben bleibt – zu reformieren und wieder eine strengere Form des monastischen Lebens zu etablieren. Dazu gehörte auch die Beachtung des Schweigegebots, sogar bei der Arbeit.
Im so genannten Investiturstreit, dem Konflikt zwischen Papst und Königen ab 1076, steht das Kloster auf der päpstlichen Seite. Sein Einfluss lässt sich an der Ausbreitung der so genannten „Hirsauer Reform“ ablesen.
59 Äbte haben dem Kloster in gut 700 Jahren vorgestanden. 18 von ihnen waren (nach der Reformation) evangelisch und leiteten die 1556 eingerichtete evangelische Klosterschule. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstörten dann französische Truppen das Kloster samt Schule sowie das herzogliche Schloss. Der letzte Abt verließ daraufhin im Jahr 1692 Hirsau.
In den Ruinen lassen sich heute noch verschiedene Baustile finden, etwa Reste der ehemals größten romanische Kirche Südwestdeutschlands und Mauern eines gotischen Kreuzgangs. Und in den Überresten des Jagdschlosses aus der Renaissance stand sie einst: die 200 Jahre alte und 30 Meter hohe Ulme, der Uhland literarisch huldigte.
In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg beschäftigt sich die Arbeitsgemeinschaft Klöster seit November 2012 mit den Klosterorten auf dem Gebiet der Landeskirche. Ausgangspunkt waren die Visitationen von Prälat Prof. Dr. Christian Rose (seit Juni 2021 im Ruhestand), bei denen er auf die ehemaligen Klöster in seiner Prälatur aufmerksam wurde.
Es folgten eine Einladung an die Gemeinden, ein gemeinsames Konzept, um die Klöster sichtbarer zu machen, und die Website www.klosterorte.de, sowie Flyer zu ausgewählten Klöstern, die vor Ort ausliegen oder unter www.klosterorte.de als PDF heruntergeladen werden können.
Auch zu dem Heft „Evangelische Klosterorte in Württemberg“, das in der Reihe „Spuren“ erschien, gab die Arbeitsgemeinschaft den Anstoß.
„Grundgedanke war, die Klosterorte in Württemberg als Stätten geistlichen Lebens neu ins Bewusstsein zu rücken“, erklärt Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft. „Diese Orte sind nicht nur für den Tourismus interessant, sondern laden als Räume der Stille und der Nachdenklichkeit, als Orte des Gebets und des Gottesdienstes zum Glauben ein.“
Bildquelle:
Kloster Herbrechtingen: Prolineserver, Lizenz: CC BY-SA 3.0