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Klostertour durch Ost-Württemberg und Oberschwaben: Lebendige Geschichte

Teil 2 unserer Sommerserie „Klösterliche Orte“: Königsbronn, Herbrechtingen, Blaubeuren und Mariaberg

Unsere zweite Klostertour führt uns in den Osten Württembergs und nach Oberschwaben. Dort entdecken wir vier ehemalige Klöster auf dem Gebiet der evangelischen Landeskirche: Die Klöster Königsbronn, Herbrechtingen, Blaubeuren und Mariaberg laden zu einem Ausflug in die Geschichte ein, die bis heute spürbar ist.

Kloster Königsbronn

Das Areal des früheren Klosters Königsbronn: Hier findet sich auch ein Stück Industriegeschichte. Holger Schmitt, CC BY-SA 4.0

Unsere Tour führt uns zuerst auf die Schwäbische Alb, nach Königsbronn im Landkreis Heidenheim. Die für die Ostalb typische Karstlandschaft prägen Kalksteinfelsen, Höhlen und Quellen. Dort liegt unterhalb der Ruine der Burg Herwartstein das ehemalige Kloster Königsbronn, ganz in der Nähe des Brenz-Quelltopfs.

Gusseiserne Grabplatten

Heute sind nur noch Mauerreste der Bauten aus dem Mittelalter zu sehen; im Torhaus befindet sich ein Museum, in dem ein Modell zeigt, wie Kloster Königsbronn seinerzeit aussah. Im heutigen Klosterareal befinden sich noch die Prälatur (Bau um 1757) und die Oberamtei (Bau um 1700) des ehemalige Klosteramtes. Die heutige Pfarrkirche von Königsbronn (www.kirchengemeinde-koenigsbronn.de) steht im Klosterareal auf der Stelle der ehemaligen Laienkirche; sie stammt vermutlich aus dem Jahr 1565 und wurde im 18. Jahrhundert sowie zuletzt 1974 umgebaut und erweitert. Besonders sehenswert sind in Königsbronn die Epitaphien an der Klostermauer; sie bilden die weltweit größte Sammlung gusseiserner Grabplatten und zeugen von der Verbindung des Klosters zu den Eisenwerken an der Brenz. Die Kirche und das Torbogenmuseum kann man in einer Führung besichtigen.

Die Geschichte des Klosters geht auf das Jahr 1303 zurück, als König Albrecht I. es für den Orden der Zisterzienser stiftete. Für den Bau der Klostergebäude in den Jahren 1310 bis 1325 verwendete man Steine der Burg Herwartstein, die Mönche kamen aus der Reichsabtei Salem. Für die Klosterkirche hatten die Mönche um 1305 die ursprüngliche Pfarrkirche des Ortes aus frühromanischer Zeit verlängert und diese dann gemeinsam mit den Dorfbewohnern genutzt.

Zeugnis der Industriegeschichte

Das Kloster Königsbronn ist mit der Industriegeschichte der Gegend, mit den Eisenwerken an der Brenz, eng verbunden: 1479 und 1529 bauten die Mönche ein Schmiede- und ein Eisenwerk, die später verpachtet wurden.

1552 brannte das Kloster in den Nachwirren des Schmalkaldischen Krieges nieder; nach der Reformation wurde es 1553 aufgehoben. Das Klosteramt Königsbronn verwaltete ab diesem Zeitpunkt den klösterlichen Besitz. Von 1559 bis 1595 hatte eine Klosterschule unter der Leitung eines evangelischen Abts ihren Sitz in den Gebäuden. Seit Ende des Dreißigjährigen Krieges gehören der Ort und das Kloster zu Württemberg; bis 1806 war das Kloster Sitz eines evangelischen Abts.


Kloster Herbrechtingen

Das frühere Kloster dient heute als Kulturzentrum. Prolineserver, CC BY-SA 3.0

Nach knapp 20 Kilometern erreichen wir den zweiten Stopp dieser Tour, das Kloster Herbrechtingen im Landkreis Heidenheim. Es liegt in der Nähe des idyllischen Eselsburger Tals am östlichen Rand der Schwäbischen Alb. Wiesen, bewaldete Hügel, Felsformationen und die typische Heidelandschaft kennzeichnen diese Gegend.

Früher Kloster, heute Kulturzentrum

Das ehemalige Kloster ist heute ein Kulturzentrum: Es gehört seit 1993 der Stadt Herbrechtingen.  1997 begann der Bau des Kulturzentrums Kloster, das 2002 eingeweiht wurde. Dort finden sich inzwischen die Stadtbücherei, die Volkshochschule, die Musikschule, ein Familienzentrum und der Förderverein Kultur. 

Die Klosterkirche mit dem spätgotischen Chor lädt von April bis Oktober zur Besichtigung ein; Interessierte können außerdem beim Kulturzentrum eine Führung buchen, oder sich virtuell auf einen Rundgang begeben. Die Evangelische Kirchengemeinde Herbrechtingen feiert regelmäßig Gottesdienste in der Klosterkirche.

Von den Benediktinern zu den Augustinern

Die Gründung des Klosters als Benediktiner-Zelle erfolgte im Jahr 774 durch eine Schenkung Kaiser Karls des Großen an die Abtei Saint-Denis in Paris. Im 10. Jahrhundert wurde das Kloster in eine Gemeinschaft von Weltgeistlichen (= Mitglieder kirchlicher Gemeinschaften, die kein Ordensgelüde abgelegt haben) umgewandelt, 1171 ersetzte Kaiser Barbarossa diese Gemeinschaft durch ein Augustiner-Chorherrenstift. In dieser Zeit verortet man den Neubau des Konvents; nach mehreren Plünderungen in den folgenden Jahrhunderten wurde 1472 das Propsteigebäude neu gebaut.

1552 wurde das Augustinerstift aufgehoben; 1556 entstand ein evangelisches Klosteramt. Nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg errichte man ab 1666 einige Gebäude neu oder renovierte sie. Das Klosteramt wurde 1806 aufgelöst. In der folgenden Zeit diente das ehemalige Kloster vielfältigen Zwecken: 1830 kaufte Ludwig von Hartmann das Kloster, der eine Spinnerei dort errichtete. 1844 erwarb die Kinderrettungsanstalt Nattheim einen Teil der Gebäude, 1932 übernahm Textilfabrikant Otto Merz aus Mössingen die Gebäude und nutzte sie als Fabrik.


Kloster Blaubeuren

Ev. Seminar Blaubeuren / Jochen Epple

Ca. 55 Kilometer weiter führt uns unsere Klostertour in ein beliebtes Wandergebiet: Um den Talkessel von Blaubeuren findet man markante Felsen, bewaldete Steilhänge und viele Aussichtspunkte, von denen man unter anderem das ehemalige Kloster Blaubeuren und den berühmten Blautopf sehen kann.

Sehenswerte Klosterkirche

Heute noch kann man im Kreuzgang mit der Margarethenkapelle, dem Kapitelsaal und dem Badhaus der Mönche der langen Geschichte des Klosters nachspüren. Besonders sehenswert in der Klosterkirche sind der Hochaltar und das Chorgestühl, geschaffen von Bildhauern und Malern der Ulmer Schule.

Sitz eines Gymnasiums mit Internat

Das Kloster Blaubeuren war um 1085 als Benediktinerkloster in unmittelbarer Nähe des Blautopfs gegründet worden, die Mönche kamen aus Hirsau. In den Jahren 1466 bis 1501 wurde nach einem Brand fast das gesamte Kloster im spätgotischen Stil neu erbaut. Nach der Reformation kam es 1535 zur Aufhebung des Klosters. Ab 1556 entstand unter der Leitung des katholischen Abts eine evangelische Klosterschule - katholische Mönche und evangelische Klosterschüler lebten vorübergehend gemeinsam dort, bis die Mönche ausgewiesen wurden. Matthäus Alber war von 1563 bis 1570 erster evangelischer Abt und Leiter der Klosterschule. Seit Ende 20. Jahrhundert ist das Kloster Blaubeuren im Besitz der Evangelischen Seminarstiftung; es wird als altsprachliches Gymnasium genutzt.


Kloster Mariaberg

Der Kirchturm des Klosters Mariaberg.Pentachlorphenol, CC BY-SA 4.0

Unser letzter Halt auf dieser Tour führt uns 65 Kilometer weiter in den Süden der Schwäbischen Alb, in das malerische Laucherttal, mit seinen schroffen Felsklippen, Höhlen und bewaldeten Hängen. Dort finden wir in Gammertingen das ehemalige Kloster Mariaberg.

Barocke Kirche mit Pietà aus dem Mittelalter

Weitgehend erhalten ist bis heute der Klosterbau und die barocke Klosterkirche (Bau um 1608); dort findet man noch einzelne Ausstattungsstücke aus dem Mittelalter wie die Pietà aus dem 14. Jahrhundert. Die Kirche ist an Sonn- und Feiertagen für Besucher geöffnet, auch eine Kirchenführung ist nach Voranmeldung möglich.

Das Kloster Mariaberg wurde im 13. Jahrhundert durch den Grafen von Gammertingen gegründet. Zuerst lebten hier Dominikanerinnen, vermutlich ab Ende des 13. Jahrhunderts bis Anfang des 19. Jahrhunderts dann Benediktinerinnen.

Heute Zuhause für Menschen mit Behinderungen

Ab 1535 begann die Reformation des Klosters, 1547 wurde sie rückgängig gemacht. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, in dem das Kloster mehrmals geplündert und besetzt worden war, wurde in den Jahren 1684 bis 1687 die neue, barocke Klosteranlage errichtet. Nach der Enteignung im Zuge der Säkularisation 1802 verließ die letzte Ordensschwester 1837 das Kloster, das danach zehn Jahre leer stand.

1847 gründete der Uracher Arzt Carl Heinrich Rösch in dem ehemaligen Kloster die Heil- und Pflegeanstalt Mariaberg für Menschen mit Behinderungen. Seit 1966 heißt die Einrichtung „Mariaberger Heime“. Nun leben hier Menschen aller Altersgruppen mit geistigen, körperlichen oder psychischen Behinderungen. Nach 1945 wurde Mariaberg Mitglied des Diakonischen Werks Württemberg.

An die Geschichte des Klosters im Nationalsozialismus erinnert seit 1990 ein Mahnmal: 1940 wurden 61 Bewohnerinnen und Bewohner von Mariaberg im Rahmen des sog. „Euthanasie-Programms“ der Nazis deportiert und in Grafeneck zusammen mit etwa 10.000 weiteren Menschen ermordet. Im Rahmen der bundesweiten Ökumenischen Friedensdekade findet jährlich eine Mahnwache am Mahnmal statt.


„Orte, die zum Glauben einladen“ - mehr über Klosterorte in Württemberg

In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg beschäftigt sich die Arbeitsgemeinschaft Klöster seit November 2012 mit den Klosterorten auf dem Gebiet der Landeskirche. Ausgangspunkt waren die Visitationen von Prälat Prof. Dr. Christian Rose (seit Juni 2021 im Ruhestand), bei denen er auf die ehemaligen Klöster in seiner Prälatur aufmerksam wurde.

Es folgten eine Einladung an die Gemeinden, ein gemeinsames Konzept, um die Klöster sichtbarer zu machen, und die Website www.klosterorte.de, sowie Flyer zu ausgewählten Klöstern, die vor Ort ausliegen oder unter www.klosterorte.de als PDF heruntergeladen werden können.

Auch zu dem Heft „Evangelische Klosterorte in Württemberg“, das in der Reihe „Spuren“ erschien, gab die Arbeitsgemeinschaft den Anstoß.

„Grundgedanke war, die Klosterorte in Württemberg als Stätten geistlichen Lebens neu ins Bewusstsein zu rücken“, erklärt Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft. „Diese Orte sind nicht nur für den Tourismus interessant, sondern laden als Räume der Stille und der Nachdenklichkeit, als Orte des Gebets und des Gottesdienstes zum Glauben ein.“


Bildquellen:

Kloster Königsbronn: Holger Schmitt, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Kloster Herbrechtingen: Prolineserver, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Kloster Mariaberg: Pentachlorphenol, Lizenz: CC BY-SA 4.0



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