Wie können wir reagieren, wenn wir diskriminierende und populistische Aussagen hören? Agnes Kübler, Referentin der Landeskirche für die Themen Rassismus und Antisemitismus, gibt hier Tipps, wie man besser miteinander sprechen kann.
Auf provokante Aussagen mit Empörung zu reagieren, ist vollkommen verständlich – schließlich ist das das Ziel von Provokation und Anfeindungen. Aber ein wirklicher Austausch entsteht so in der Regel nicht. Um den Zirkel von Provokation und Empörung zu durchbrechen und stattdessen ein Gespräch zu beginnen, in dem man nicht nur mehr oder weniger verzweifelt reagiert, kann es helfen, Fragen zu stellen, zum Beispiel:
Zum einen verschafft man sich durch Nachfragen Zeit, zum anderen zeigt man damit Interesse an der Position des Gegenübers und kann sich sicher sein, dass man wirklich verstanden hat, worum es dem Gegenüber geht. Und schließlich können Rückfragen das Gegenüber auch dazu bewegen, die eigenen Aussagen zu überdenken. Dieses Nachfragen kann schwerfallen. Leichter geht es, wenn man sich klarmacht, dass Zuhören und Verstehen nicht automatisch Zustimmung bedeuten.
„Also jetzt seien wir mal ehrlich: Ich gebe es doch auch nicht zu, wenn ich einsehe, dass ich Unrecht habe!“, sagte neulich eine Workshop-Teilnehmerin und brachte damit die Runde zum Lachen. So zeigte sie, wie entwaffnend und verbindend Selbstironie und Humor in manchen Situationen wirken können. Vor allem aber ermutigte sie mit ihrer Ehrlichkeit dazu, Gesprächsfäden auch dann nicht abreißen zu lassen, wenn man den Eindruck hat, mit den eigenen Argumenten nicht zum Gegenüber durchzudringen. Sicher, wer ein geschlossen rechtsextremes Weltbild hat, ist für Argumente kaum mehr zugänglich. Aber auch bei weniger entschieden Positionierten wird ein einziges Gespräch – und sei es noch so kompetent geführt – nicht grundlegende Überzeugungen verändern. Und wer kann schon sagen, welches das entscheidende Gespräch, die entscheidende Frage, das ausschlaggebende Argument für einen Sinneswandel wird? Sicher ist nur, dass an Gesprächsfäden, die nicht gelegt werden, auch nicht angeknüpft werden kann. Und zwar weder von der Person, für die der Faden gedacht war, noch von anderen, die vielleicht zufällig beim Auslegen dabei waren. Es lohnt sich also, immer wieder von neuem das Gespräch zu suchen.
In manchen Fragen kann man sich vielleicht noch darauf einigen, dass es ein Problem gibt, aber dass man sich über die Ideen zur Lösung des Problems uneins ist. Dann kann am Ende eines Gesprächs die vielzitierte Formel „agree to disagree“ stehen: Eine Einigung darauf, dass man sich nicht einig ist. Dann wiederum gibt es Haltungen und Meinungen, von denen man vielleicht verstehen kann, wo sie herkommen, aber für die es kein Verständnis geben kann. Dazu gehört an vorderster Stelle die Vorstellung, dass man Menschen kategorisieren und ihnen unterschiedliche Wertigkeiten zuschreiben könnte – Ideologien der Ungleichwertigkeit. Der Schwarze* amerikanische Schriftsteller Robert Jones Jr. brachte das folgendermaßen auf den Punkt: „We can disagree and still love each other unless your disagreement is rooted in my oppression and denial of my humanity and right to exist.” („Wir können unterschiedlicher Meinung sein und uns weiter lieben, es sei denn, deine andere Meinung beruht auf meiner Unterdrückung und der Verneinung meines Menschseins und meines Rechts zu existieren“.) In Situationen, in denen solche menschenverachtenden Überzeugungen geäußert werden, kommt es darauf an, sie deutlich als solche zu benennen, Solidarität mit Angegriffenen zu zeigen und klarzumachen, dass dies kein Ausgangspunkt für ein ernsthaftes Gespräch sein kann. Wer möchte und kann, könnte natürlich auch anbieten, zu einem späteren Zeitpunkt die eigene Position in Ruhe zu erläutern.
Text: Agnes Kübler
*Im Satz „Der Schwarze amerikanische Schriftsteller Robert Jones Jr. …“ ist Schwarz als politische Selbstbezeichnung groß geschrieben, weiteres dazu z.B. hier: https://glossar.neuemedienmacher.de/glossar/schwarz/
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