Weihnachten in der JVA Heilbronn – Gefängnisseelsorger Jochen Stiefel im Gespräch
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Landeskirche
„Für manche ist es hart“
Weihnachten in der JVA Heilbronn
Wie feiern Menschen hinter Gittern Weihnachten? Der Heilige Abend ist in der Justizvollzugsanstalt Heilbronn eher ein Heiliger Morgen, Geschenke gibt es nur von den beiden Kirchen. Wie die Gefangenen in der JVA Heilbronn das Fest erleben, erzählt Pfarrer Jochen Stiefel, seit knapp 10 Jahren dort evangelischer Gefängnisseelsorger.
Wie feiern Sie Weihnachten in der JVA?
Jochen Stiefel: Wir feiern Weihnachten am Heiligen Abend bei uns am Morgen. Denn der Ablauf im Gefängnis lässt Abendgottesdienste nicht zu. Zu dieser Zeit wäre schon Einschlusszeit. Um 9:30 Uhr, zu unserer regulären Gottesdienstzeit sonntags, haben wir einen ökumenischen festlichen Gottesdienst. In diesem Jahr sind Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl zusammen mit einem katholischen Diakon zu Gast. Dies hat bei uns eine gewisse Tradition, dass wir zu diesem Gottesdienst Pfarrerinnen oder Pfarrer von draußen einladen. So waren schon der Heilbronner Prälat Albrecht, Weihbischof Renz und Bischof Fürst bei uns. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Gefangenen nicht vergessen werden.
Unser Chor singt im Gottesdienst drei Lieder. In diesem Jahr als erstes den Kanon „Mache dich auf und werde Licht“. Dazu wird in einer Laterne das Friedenslicht aus Bethlehem in den dunklen Kirchensaal getragen. Dieses Licht wird von einem Beamten immer mitgebracht. Wir beginnen „Stille Nacht“, das die Gemeinde singt. Ferner singt der Chor „Mary‘s Boy Child“ (bekannt durch Boney M., Anm. d. Red.), und nach der Predigt „Mary, Did You Know?” (Marc Lowry/Buddy Green), das schon den Bogen schlägt zu Ereignissen im Leben Jesu. Schließlich singen wir gemeinsam „Feliz Navidad“, das von mir auf der Gitarre begleitet wird. Ansonsten werden die Lieder von unserem Anstaltsleiter am Klavier und an der Orgel begleitet. Zum Schluss singt die Gemeinde „Oh du Fröhliche“. Zum Gottesdienst kommen immer auch einige Ehrenamtliche; vom Personal ist in der Regel niemand dabei. Sie sind zwar eingeladen, arbeiten aber während der Feiertage ohnehin in kleiner Besetzung. Es hat eine separate Weihnachtsfeier.
Wie draußen ist auch bei uns der Gottesdienst am Heiligen Abend um einiges besser besucht als sonst: Es werden 50 bis 60 Gefangene kommen, sonst sind es um die 30. Am ersten Weihnachtsfeiertag gibt es wieder einen Gottesdienst morgens.
Dieses Jahr feiert zum ersten Mal der Chor zusätzlich eine eigene Weihnachtsfeier in der Woche vor Weihnachten. Nach der Probe – das hatten sich die Chormitglieder gewünscht. Ein Chormitglied aus Gambia wird ein Gericht aus seiner Heimat kochen, das wir dann am festlich gedeckten Tisch zusammen essen.
Eine weitere Weihnachtsfeier findet bei mir jedes Jahr im Reli-Unterricht statt. Ich unterrichte hier im Hauptschulkurs das Fach Religion/Ethik. Dort haben wir in dieser Woche das Thema „Weihnachten“. Ich lese die Weihnachtsgeschichte nach Lukas vor, und die Sure 19 „Mariam“. Denn in ihr wird auch die Geburt Jesu beschrieben. Schließlich habe ich immer auch Muslime in der Klasse. Wir sprechen über Weihnachten. Und auch darüber, was wir jetzt vermissen, über Weihnachtsbräuche, essen Stollen und trinken Kinderpunsch.
Als Geschenk bekommt jedes Jahr jeder Gefangene eine Geschenktüte von den beiden Kirchen. Ganz ökumenisch. Dies Jahr sind darin ein Shampoo, Schokolade, ein Deo, Christstollen, Kaffee, Feuerzeug und ein Taschenkalender.
Andere Geschenke gibt es nicht. Dies ist das einzige Geschenk im ganzen Jahr. Darüber freuen sich die Gefangenen, das ist spürbar. Es ist aber auch ein Symbol für das Gefängnis als einen Ort des Mangels, der an Weihnachten besonders deutlich wird.
In der Woche nach Weihnachten sind die Arbeitsbetriebe in der JVA geschlossen. Es gibt eine Art Unterhaltungsprogramm: Viel Sport, Spielturniere etc. In dieser Woche, am 27. Dezember, findet in diesem Jahr zum ersten Mal eine „weihnachtliche Winterfeier“ für alle Gefangenen statt. Diese Anfrage kam von der Gefangenenvertretung zum ersten Mal. Wir haben 350 Insassen, davon etwa 310 im geschlossenen Vollzug. Das wären zu viele, um sie im Kirchensaal unterzubringen. Die Feier wird daher im Hof, in dem auch die Hofgänge stattfinden, gehalten. Wir stellen den Christbaum auf und haben ein kurzes Programm: Ein Mitglied des Anstaltsbeirats (Ehrenamtliche aus der Zivilgesellschaft, die bei der Gestaltung des Vollzuges mitwirken, Anm. d. Red.) und ich spielen „Feliz Navidad“ und „Oh Tannenbaum“ auf der Gitarre. Ein Saxophonbläser spielt weihnachtliche Musik. Die Gefangenenvertretung begrüßt die Anwesenden, ebenso der Anstaltsbeirat. Ich selbst werde etwas Besinnliches sagen. Ich werde über die Raunächte sprechen und über die alte Tradition und Idee, während dieser Tage sein Leben zu ordnen oder Belastendes zurückzulassen. Meine Botschaft ist, diese Tage etwas bewusster anzugehen. Für die Verpflegung werden große Grills aufgestellt. Jeder bekommt einen Gutschein für eine Bratwurst.
Auch in der JVA beginnen wir mit den Vorbereitungen einige Zeit vor Weihnachten: In der Gefängnisbäckerei werden Plätzchen gebacken, v.a. für den Stand der JVA auf dem Weihnachtsmarkt Heilbronn. Dort wird auch der Glühwein verkauft, der auf dem Hohrainhof der JVA Heilbronn hergestellt wird. Im Zellenbau hängt ein Adventskranz, so dass man merkt, dass es eine besondere Zeit ist. Und ich biete für einige Wenige, bei denen ich weiß, dass sie Wert darauflegen, Tannenzweige an, mit denen sie sich die Zelle dekorieren können. Der Chor, der aus 15 bis 18 Männern besteht, übt schon ab Herbst für Weihnachten.
Wie würden Sie die Stimmung in der JVA in der Weihnachtszeit beschreiben?
Jochen Stiefel: Es gibt verschiedene Gruppen: Für diejenigen, die das erste Mal zu Weihnachten hier sind, ist es besonders hart. Im letzten Jahr haben sie vielleicht noch mit ihren Eltern gefeiert. Manche verdrängen es dann und ziehen sich zurück, sie wollen lieber gar nicht Weihnachten feiern, anstatt ein „reduziertes“ Weihnachtsfest. Andere haben sich arrangiert, weil sie schon länger hier sind. Und manche sind sehr traurig, dass sie nicht zuhause sein können, sie vermissen es sehr.
Man muss auch bedenken, dass Menschen im Gefängnis oft aus einem Milieu kommen, in dem die familiären Strukturen ohnehin schwierig sind. Etwa bei Menschen, die Drogen konsumierten, und bei denen nicht selten familiäre Bindungen zerbrochen sind. Diese Gefangenen haben keine hohen Erwartungen an Weihnachten und können damit vielleicht wenig anfangen. Nur gut die Hälfte der Gefangenen hier – die sich aus 40 verschiedenen Nationalitäten zusammensetzen – sind Christen. Ein Drittel sind Muslime, von diesen feiern in der Regel fast alle gar nicht Weihnachten.
Wird die Seelsorge zu Weihnachten stärker in Anspruch genommen?
Jochen Stiefel: Das ist schwer zu sagen, weil ich seit August der einzige Geistliche hier bin. Das Gefängnis reagiert insgesamt nicht so stark auf den Jahreslauf und die Feste. Es ist etwas monotoner. Es gibt Gefangene, die gerade in dieser Zeit das Gespräch suchen, aber ich beobachte keinen starken Anstieg. Das liegt auch daran, dass ich viel im Haus unterwegs bin und eine Art „Seelsorge bei Gelegenheit“ pflege. Ich spreche zwischendurch mit den Gefangenen und führe nicht nur vertrauliche Gespräche unter vier Augen. Aber es gibt auch handfeste Krisen in dieser Zeit. Wenn sich z.B. die Freundin von einem Gefangenen getrennt hat. Beziehungsprobleme sind ein Grundthema in der JVA.
Gibt es etwas, worauf Sie in diesen Tagen bei Ihrer Arbeit besonders achten?
Jochen Stiefel: Ich habe als Seelsorger immer eine Achtsamkeit gegenüber den Insassen, das ist selbstverständlich. Aber ich achte z.B. darauf, ob jemand seine Zelle etwas weihnachtlich dekoriert. Darauf spreche ich ihn an. Insgesamt bin ich aufmerksamer, auch wenn die Zeit wegen der Vorbereitungen knapp ist. Ich würde sagen: Meine Ohren sind etwas größer in dieser Zeit.
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