Herkunft und Werdegang
Müntzer stammte aus Stolberg im Harz, wo er wohl 1488/89 geboren wurde. Er erschien 1506 als Student in Leipzig, 1512 an der Universität Frankfurt an der Oder. Um 1513/14 wurde er zum Priester der Diözese Halberstadt geweiht. Er scheint sich schon früh mit einer Erneuerung der Kirche und der Frage des Ablasses befasst zu haben, aber auch mit mystischen Gedanken.
1517/18 erschien Müntzer in Wittenberg, wo er Luther und desssen reformatorisches Anliegen kennenlernte. 1520/21 vertrat Müntzer den Pfarrer von Zwickau, wo es schwerwiegende soziale Probleme gab. Hier begegnete er auch dem visionär veranlagten Nikolaus Storch. Durch den „Zwickauer Propheten“, wie ihn Luther nannte, wurde Müntzer der Unterschied zwischen dem „inneren Wort“, der Erleuchtung des Einzelnen, und dem „äußeren Wort“ der Bibel deutlich. Damit verband sich bei ihm die Erwartung eines unmittelbar bevorstehenden Gerichts über die Gottlosen und des Anbruchs des Tausendjährigen Reichs. Bei einem kurzen Aufenthalt in Prag legte er diese endzeitlichen Vorstellungen schriftlich nieder.
Als Pfarrer in Allstedt bei Sangerhausen 1523/24 schuf er – noch vor Luther – eine deutsche Gottesdienstordnung. In seiner „Fürstenpredigt“ vom 13. Juli 1524 vor Herzog Johann von Sachsen und dessen Sohn Johann Friedrich stellte er seine endzeitliche Auffassung von der Umgestaltung der Welt durch die Verkündigung des Evangeliums dar, notfalls auch durch das Schwert der Fürsten gegen die Gottlosen. Luther wandte sich gegen Müntzers Bekenntnis zur Gewalt. Der Rat von Allstedt ließ Müntzer fallen, worauf sich dieser in die Reichsstadt Mühlhausen begab. Hier fand er zunächst Anklang, musste aber alsbald weichen, worauf er sich auf eine Reise nach Südwestdeutschland begab, wo er mit der beginnenden Bauernerhebung bekannt wurde.
Das Ende
Als er nach Mühlhausen zurückgekehrt war, brach auch hier die Bauernbewegung aus. Müntzer war überzeugt, daß dies der Beginn der von ihm vorhergesehenen endzeitlichen Ereignisse mit dem Gericht über die Gottlosen sei. Er stellte sich an die Spitze des Bauernhaufens, der am 15. Mai 1525 von dem fürstlichen Heer umstellt und ohne Gegenwehr niedergemacht wurde. Müntzer konnte zunächst fliehen, wurde aber gefangen genommen, gefoltert und hingerichtet.
Nachwirkung
Müntzer hat Luthers Beurteilung des Bauernkriegs bestimmt. Die anders geartete Bauernerhebung in Südwestdeutschland hat Luther nicht gekannt. Seine Schriften gegen die Bauern treffen deshalb hier nicht zu. Für die marxistische Geschichtsschreibung wurde Müntzer als visionärer Sozialreformer wichtig. Ihm ist das kolossale, 1976 bis 1987 entstandene Rundgemälde von Werner Tübke in Frankenhausen gewidmet, auf dem Müntzer unter einer riesigen Menge von Figuren allein unter dem Regenbogen steht. Für den Philosophen Ernst Bloch, der 1921 eine Biographie Müntzers veröffentlichte, verkörperte er den Geist der Utopie, das Prinzip Hoffnung, das auf Zukünftiges aus ist.
Prof. Dr. Hermann Ehmer