Christ, Unternehmer, Sozialreformer
Paul Lechler wurde am 28.November 1849 in Böblingen geboren. Sein Vater war Apotheker, seine Mutter stammte aus einem schwäbischen Pfarrhaus. Lechler verbrachte seine Jugend in Stuttgart, besuchte das Karls-Gymnasium bis zum 15.Lebensjahr und begann nach der Konfirmation eine kaufmännische Lehre im väterlichen Handelshaus für Chemikalien, Medikamente und Farben. Mit 19 Jahren ging er ins europäische Ausland und arbeitete in namhaften Handelshäusern u. a. in Rotterdam, London und Antwerpen.
Lechler übernahm 1871 als Teilhaber die Lack- und Firnisfabrik seines Vaters und baute diese zu einem gutgehenden Unternehmen aus. Bereits im Alter von 26 Jahren beschloss er, zehn Prozent seines Unternehmensgewinns kirchlichen und sozialen Organisationen zur Verfügung zu stellen. Immer intensiver widmete er sich karitativen Aufgaben, u.a. in der Stuttgarter Armenpflege. So initiierte und finanzierte er 1882 den Bau des früheren Martinshauses samt Kapelle und einer Kinderschule auf der Prag in Stuttgart. Er rief die erste private Stuttgarter Arbeitsvermittlung ins Leben und engagierte sich im sozialen Wohnungsbau.
Lechler gründete den Stuttgarter Hymnus-Knabenchor, der bis heute auftritt
Im Jahre 1887 gründete er den „Verein zur Hilfe in außerordentlichen Notstandsfällen auf dem Lande“ der bis heute tätig ist. Er kaufte und stiftete 1890 das Palmenwald-Gelände in Freudenstadt zur Errichtung eines christlichen Erholungsheims. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts initiierte Lechler die Gründung eines Knabenchores in Stuttgart, der als Hymnus-Knabenchor bekannt wurde. Diese Gründung stellte einen bedeutenden Schritt in der Förderung der musikalischen Bildung und der kulturellen Teilhabe von Jugendlichen dar. Mit der Unterstützung von Persönlichkeiten aus Kirchen- und Schulwesen in Stuttgart legte Paul Lechler den Grundstein für einen Chor, der bis in die Gegenwart vor allem geistliches Liedgut aufführt.
Doch weitaus größere Bedeutung erhielt er durch die Gründung des „Vereins für Ärztliche Mission“ in Stuttgart. Am 15. November 1906 fand eine beschlussfassende Versammlung des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (DIFÄM) in Frankfurt am Main statt. Lechler hatte dabei das Edinburgher Institut für ärztliche Mission vor Augen. Die Gründung des Vereins DIFÄM und die festliche Einweihung des Institutsgebäudes in Tübingen Oktober 1909 - einer Ausbildungsstätte für Missionsärzte und -schwestern - stellte einen Höhepunkt in Lechlers Leben dar. Ein Jahr später wurden in diesem Institut gemeinsam mit der Universität Tübingen die ersten Ärzte ausgebildet. Das Institut wurde zur Hilfsorganisation für deutsche Missionsgesellschaften und stand ihnen in missionsärztlichen Fragen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wesentliche Aufgabe des Instituts war die gezielte Ausbildung im Bereich der Tropenmedizin und Vermittlung von Ärzten und Ärztinnen, Krankenschwestern, Diakonen und Diakonissen sowie von Hebammen in die Kolonien.
Lechlers Tropenklinik genießt international bis heute einen ausgezeichneten Ruf
Besondere Bedeutung erlangte das Institut, als im Ersten Weltkrieg 1916 das Tropengenesungsheim in Tübingen, die heutige Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus, als Spezialklinik für Tropenkrankheiten eingeweiht werden konnte, ein Haus, das bis heute einen weit über Missionskreise hinausgehenden ausgezeichneten internationalen Ruf genießt. Heimkehrenden Missionaren und Missionsärzten und ihren Familien bietet sich hier die Gelegenheit, sich zu erholen und gegebenenfalls behandeln zu lassen. Institut, angeschlossenes Schwesterheim und Tropenklinik bewährten sich in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und konnte immer ausreichend Studenten und Auszubildende stellen.
Paul Lechler starb am 24. April 1925 in Stuttgart und wurde auf dem Pragfriedhof beerdigt. Seine Werke wurden zunächst von seinem Sohn Paul Lechler jun. und später durch die Lechler-Stiftung bis zum heutigen Tag weitergeführt.
Dr. Jakob Eisler