Albert Schweitzer sei „the greatest man in the world“, schrieb das amerikanische Magazin „Life“ 1947, und der „Spiegel“ attestierte ihm 1960, er sehe aus „wie ein naher Verwandter des lieben Gottes“. Aber Schweitzer war nicht nur der weltbekannte Urwalddoktor aus Lambarene, sondern auch ein Erfolgsautor als Musikwissenschaftler, ein gefeierter Konzertorganist sowie promovierter Theologe, Philosoph und Mediziner. Und er war ein Pazifist, dessen Engagement 1953 mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde.
Streit gab es bei der Nobelpreisfeier schon um seine Herkunft: Der am 14. Januar 1875 im damals zu Deutschland gehörenden elsässischen Kaysersberg in eine Pfarrersfamilie Hineingeborene wurde in Oslo in der Laudatio als „deutscher Gelehrter“ geehrt. Umgehend reklamierte Frankreich: Der Preisträger habe schon seit 1918 die französische Staatsbürgerschaft. Der reagierte trocken: „Homo sum“ – „ich bin ein Mensch“.
Ein Satz verändert das ganze Leben
Nach dem Abitur 1893 studierte er zunächst in Straßburg und ab 1899 in Berlin Theologie und Philosophie. Parallel studierte er in Paris bei Charles-Marie Widor Orgel. Im Jahr 1904 war er bereits habilitierter Privatdozent für Theologie, Autor einer viel beachteten Monografie über Johann Sebastian Bach und ein aufstrebender Konzertorganist. Da fiel ihm im Herbst 1904 ein Heft der Pariser Missionsgesellschaft in die Hände, deren Suche nach Missionsärzten für das zentralafrikanische Gabun mit dem Aufruf endete: „Menschen, die auf den Wink des Meisters einfach mit: Herr, ich mache mich auf den Weg, antworten, dieser bedarf die Kirche.“ Schweitzer erinnerte sich später: „Als ich mit dem Lesen fertig war, nahm ich ruhig meine Arbeit vor. Das Suchen hatte ein Ende.“
Der gefeierte Wissenschaftler und Musiker fängt noch einmal von vorne an
Der gefeierte Wissenschaftler und Musiker begann 1905 noch einmal ganz von vorne und schrieb sich in Straßburg für ein Medizinstudium ein. Bereits ein Jahr vorher hatte sich seine spätere Frau Helene Bresslau für eine Krankenpflegeausbildung entschieden. Sie entstammte einer jüdischen Familie. Das Paar heiratete 1912, sieben Jahre später wurde Tochter Rhena geboren. 1913 hatte Schweitzer seine dritte Doktorarbeit, diesmal in Medizin, fertiggestellt und seine Approbation als Arzt in der Tasche. Das frisch vermählte Paar brach auf in die damalige französische Kolonie Äquatorialafrika und gründete am Ogooué, einem 1.200 Kilometer langen Fluss in Gabun, das Urwaldhospital Lambarene. Neben Patienten mit Herzkrankheiten oder Knochenbrüchen behandelte Schweitzer dort auch Malaria- und Leprakranke. Während des Ersten Weltkriegs wurden die Schweitzers als deutsche Staatsbürger von der Kolonialmacht Frankreich zunächst unter Hausarrest gestellt und von 1917 bis zum Kriegsende in Bordeaux und St. Rémy de Provence interniert. Schweitzer entwickelte hier seine Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“ mit dem Kernsatz: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“
Orgelkonzerte finanzieren das Missionsspital – Freundschaft mit Einstein
Die Schweitzers blieben zunächst in Europa: Albert arbeitete in Straßburg gleichzeitig als Vikar an der Kirche St. Nikolai und als Assistenzarzt im Spital. Mit Vorträgen und Orgelkonzerten finanzierte er bis 1924 die Rückkehr nach Gabun und den Ausbau des Urwaldhospitals. Albert und Helene Schweitzer widmeten sich den Rest ihres Lebens der medizinischen Betreuung und Pflege der Kranken in Gabun. Im reiferen Lebensalter verband Schweitzer eine enge Freundschaft mit Albert Einstein, mit dem er sich gemeinsam gegen Atomwaffen und deren Tests einsetzte. Albert Schweitzer starb rund acht Jahre nach seiner Frau am 4. September 1965 in Lambarene.
Peter Steinle