Der Kirchenkonvent ist als Gremium der einzelnen Kirchengemeinde der Vorläufer des heutigen Kirchengemeinderats. Der Kirchenkonvent wurde 1642 in den Amtsstädten des Herzogtums Württemberg, 1644 auch in den anderen Gemeinden eingeführt. Er geht auf die Initiative des Hofpredigers und Konsistorialrats Johann Valentin Andreae (1586-1654) zurück. Im Mai 2019 jährt sich die Einführung zum 375. Mal.
Andreae hatte erkannt, dass der Wiederaufbau des kirchlichen Lebens nach den Zerstörungen des langen Krieges bei den Gemeinden zu beginnen hatte, wenn man die Bestimmungen der Kirchenordnung von 1559 wieder in Gang bringen wollte. Ein solches gemeindliches Gremium hatte Andreae auf seinen Reisen in Genf kennengelernt, aber auch schon als Dekan in Calw versuchsweise eingerichtet.
So kam es 1642 zur Einrichtung des Kirchenkonvents in allen Pfarrgemeinden des Landes. Mitglied dieses Gremiums sollten neben Pfarrer und Schultheiß etliche verständige Männer sein. Eine Wahl durch die Gemeindeglieder kannte man noch nicht. Die Zuständigkeiten des Kirchenkonvents sind aus der Großen Kirchenordnung abzuleiten. Diese betraf vier Bereiche, nämlich Gottesdienst, Eheordnung, Schulordnung und Kastenordnung.
Der Besuch des Gottesdienstes am Sonntag und die Sonntagsheiligung wurden verpflichtend gemacht. Mit der Gottesdienstordnung hängt zusammen, dass der Kirchenkonvent auch für das Kirchenbauwesen am Ort zuständig war, da das Kirchengebäude in der Regel im Gemeindebesitz war.
Zur Einhaltung der Eheordnung hatte der Kirchenkonvent als eine Art Friedensgericht Ehestreitigkeiten zu schlichten und über voreheliche Schwangerschaften zu berichten, damit die Unterhaltsverpflichtung geregelt werden konnte.
Ein weiteres wichtiges Tätigkeitsfeld des Kirchenkonvents war die Schulordnung. Er führte somit die Schulaufsicht, indem er Schulversäumnisse bestrafte. Die Strafen galten freilich nicht den Schülern, sondern den Eltern, die ihre Kinder zu Arbeiten in Haus und Feld anhielten, statt sie in die Schule zu schicken. Der Kirchenkonvent war auch für das Schulbauwesen verantwortlich. Außerdem verwaltete er die vielerorts errichteten Schulstiftungen, die etwa Preise für fleißige Schüler ausgesetzt hatten oder in einer jährlichen Spende von Wecken oder Brezeln für die Schuljugend bestehen konnten.
Kirchenkonvents. Nicht selten gab es örtliche Stiftungen, etwa zugunsten der Armen, die ebenfalls vom Kirchenkonvent verwaltet wurden. Die Armenkästen, die ortskirchlichen Kassen konnten aber im 18. Jahrhundert angesichts der gewachsenen Aufgaben arbeitsunfähigen Menschen oftmals nur noch durch die Erteilung einer Erlaubnis zum Betteln helfen.
Die Zuständigkeiten des Kirchenkonvents nahmen im Laufe der 2½ Jahrhunderte seines Bestehens unterschiedliche Bedeutung ein. Die Aufrechterhaltung der Sonntagsheiligung und die Armenversorgung traten zuletzt in den Vordergrund.
Als ein Gesetz von 1887 in Württemberg die Trennung der kirchlichen von der bürgerlichen Gemeinde bestimmte, benötigte die Kirchengemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts ein eigenes Vertretungsgremium. Dieses wurde 1889 in allen Gemeinden Württembergs durch Wahlen bestimmt. Die Kirchengemeinderäte lösten somit die Kirchenkonvente ab.
Prof. Dr. Hermann Ehmer