Am Abend des 29. März ist die Frühjahrstagung der Evangelischen Württembergischen Landessynode zu Ende gegangen. An den beiden Sitzungstagen standen neben einer Reihe von Kirchlichen Gesetzen die Eckwerte zur mittelfristigen Finanzplanung 2025 bis 2029 und Themen rund ums Ehrenamt auf der Tagesordnung.
Am Freitag begrüßte die Landessynode die Mitglieder der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission (URAK) im Verbund Württemberg und befasste sich intensiv mit den drastischen Einsparplänen der Landeskirche. Am Samstag beschloss die Landessynode eine ökumenische Öffnung des Patenamtes für beide Taufpaten. Weiterhin befasste sie sich mit der Kirchenmusik und mit einem Rückblick auf drei Jahre Ukrainehilfe. Weiter wurde der Gesetzesentwurf zur Trauung gleichgeschlechtlicher Paare eingebracht.
Die Landessynode hat die Änderung der Taufordnung beschlossen, die mehr ökumenische Offenheit ermöglicht: Künftig können auch beide Taufpaten einer anderen christlichen Konfession angehören. Bisher musste mindestens einer der beiden Paten evangelisch sein. Prof. Dr. Martin Plümicke, stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses, berichtete, künftig solle es in §10 Abs. 2 heißen: einer der Paten soll, statt muss evangelischer Christ sein, um zum Patenamt zugelassen zu sein. Auch Christen aus Kirchen der ACK können das Patenamt übernehmen; in begründeten Ausnahmefällen auch Glieder anderer Kirchen. Diese Änderung, so Plümicke, helfe aus einem bestehenden Dilemma heraus: Bisher seien beispielsweise katholische Christen häufig auf das Taufzeugenamt reduziert worden, wenn kein evangelischer Pate benannt war. Künftig könnten sie in diesem Fall als vollwertige Paten fungieren.
Prof. Dr. Martin Plümicke berichtete im weiteren Verlauf über den eingebrachte Antrag zur Ehrenamtskirche. Dieser habe zum Ziel, bis zu zehn kleinen Kirchengemeinden im Rahmen einer Erprobung die Leitung und Geschäftsführung ohne geschäftsführende Pfarrperson zu ermöglichen.
Die Landessynode stimmte für die Erarbeitung eines Gesetzentwurfes zur Änderung der Kirchengemeindeordnung durch den Oberkirchenrat, damit der/die 1. und der/die 2. Vorsitz von gewählten bzw. zugewählten Mitgliedern des Kirchengemeinderats wahrgenommen werden können.
Der Vorsitzende der Ukraine-Koordinations-Gruppe, Kirchenrat Klaus Rieth, berichtete auf der Frühjahrssynode über die Ukraine-Hilfe der Landeskirche seit März 2022. Dabei bezifferte er die finanzielle Unterstützung auf 750.000 Euro, die die Landeskirche seither aufgebracht habe. Rieth betonte, dass die württembergische Landeskirche die Landeskirche war, die am schnellsten und konkretesten auf die Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten reagiert habe. Im Anschluss ging er detailliert auf die Verwendung der finanziellen Mittel ein und forderte zugleich dazu auf, in der Spendenbereitschaft nicht nachzulassen.
Rieth bedankte sich bei der Diakonie Württemberg und dem Gustav-Adolf-Werk (GAW) für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen drei Jahren. Dabei wies er auf konkrete Spendenmöglichkeiten hin und hob die mehr als 40 Transporte mit Hilfsgütern in die Ukraine hervor. Abschließend dankte er der Synode, dem Oberkirchenrat und ganz besonders den vielen Ehrenamtlichen in den Kirchengemeinden für ihren Einsatz zugunsten der ukrainischen Geflüchteten in Württemberg.
Die URAK ist zuständig für die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt innerhalb der Landeskirche und des Diakonischen Werks Württemberg. Die Kommission soll das Ausmaß sexualisierter Gewalt feststellen, die Strukturen analysieren, die sexualisierte Gewalt ermöglichen oder begünstigen, Empfehlungen zur Prävention und Aufarbeitung geben und das geschehene Unrecht und die oft lebenslangen Folgen für Betroffene anerkennen. Zentrales Element der Aufarbeitungskommission ist die Partizipation. Die Aufarbeitung soll sich konsequent an den Interessen der Betroffenen orientieren. Die URAK setzt sich aus sieben Kommissionsmitgliedern zusammen, die eine unabhängige Arbeitsweise garantieren sollen. Zur Meldung.
Am Vormittag des zweiten Sitzungstages befassten sich die Synodalen in Vorträgen und vielen praktischen Demonstrationen mit der Lage und den Potenzialen der Kirchenmusik in der Landeskirche. Prof. Dr. Dr. Günter Thomas von der Ruhr Universität Bochum betonte in einem Impulsreferat, im gemeinsamen Singen verwische die Grenze zwischen Aktivität und Passivität, Selbstbestimmung und Bestimmt-Werden, zwischen Rationalität und Gefühl: „Im Singen entschließen wir uns, uns entführen zu lassen. (...) Das für eine begrenzte Zeit geliehene Wort, die mit der Musik befristet angeeignete Stimmung erlauben, Glauben und Gottesrede auszuprobieren. (…) Man kann ausprobieren, wie sich dies anfühlt.“ Oberkirchenrat Dr. Jörg Schneider, Leiter des theologischen Dezernats der Landeskirche, erinnerte daran, dass die musikalische Bildung bei den Menschen zurückgehe. Die religiöse und musikalische Musikalität müsse ausgebildet werden: „Das ist eine immense Bildungsaufgabe. Wer soll die leisten? Wer kann sie leisten?“ Kirche müsse darüber nachdenken, wie Gemeinden und Gruppen unterstützt werden können und welche Arten von Haupt-, Neben- und Ehrenamt es brauche. Landeskirchenmusikdirektor Matthias Hanke sagte, Musik sei „ein Teil der DNA evangelischer Christinnen und Christen.“ Hierin liege „eine große Chance der Kirchenmusik für unsere Landeskirche: Menschen mit Gottes Nähe zu beglücken.“ Reichweite gelinge der Kirchenmusik durch „durch eine Vielzahl von Begabten: Ehrenamtliche, Neben- und Hauptberufliche. Sie sind der Schatz, ‚das Kapital‘ dieser Kirche“.
Die Landessynode befasste sich am Samstagnachmittag mit einer Reform der kirchlichen Trauung. Gleichgeschlechtliche Paare sollen gemäß dem vom Oberkirchenrat eingebrachten Vorschlag künftig in allen Gemeinden getraut werden können, sofern keine örtliche Regelung dagegensteht. Die Bestimmungen zur Trauung von zwei Personen gleichen Geschlechts finden somit auch dann Anwendung, wenn bei einer bürgerlichen Eheschließung ein Ehegatte oder beide Ehegatten weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht angehören. Umfasst wird damit auch eine nichtbinäre Geschlechtsidentität. Nach diesem Entwurf soll eine einheitliche Agende eingeführt werden, das Gewissensschutzrecht soll bestehen bleiben. Der Entwurf wird in den Fachausschüssen weiter beraten. Oberkirchenrat Dr. Michael Frisch, Leiter des Rechtsdezernats, berichtete, dass mit dem neuen Gesetzentwurf zur Änderung des Rechts der kirchlichen Trauung eine Entwicklung fortgesetzt werden solle, die bereits 2019 mit der Einführung gottesdienstlicher Formen für gleichgeschlechtliche Paare begonnen habe. Dabei werde, so Frisch, die bisherige Unterscheidung zwischen „kirchlicher Trauung“ und „Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung“ aufgehoben. Alle Eheschließungen würden liturgisch als kirchliche Trauung behandelt. Die Trauagende solle damit landeskirchlich einheitlich geregelt werden; die Begrenzung auf ein Viertel der Gemeinden und die Revisionsklausel sollen entfallen. Ein neues Opt-out-Verfahren solle nach diesem Entwurf das bisherige Opt-in-Verfahren ersetzen: Gemeinden, die keine gleichgeschlechtlichen Trauungen durchführen möchten, müssten dies aktiv in ihrer Gottesdienstordnung festlegen. Damit solle der Kritik am bisherigen Verfahren begegnet werden. Wichtig bleibt der Schutz der Gewissensfreiheit: Niemand sei nach diesem Entwurf verpflichtet, eine solche Trauung zu leiten oder daran mitzuwirken. Neu hinzu kommen solle ein ausdrückliches Benachteiligungsverbot. Der Entwurf versteht sich laut Dr. Michael Frisch als evolutionäre Weiterentwicklung – mit dem Ziel, Differenz zu respektieren und zugleich die Einheit der Kirche zu wahren.
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