11.03.2025

Wi(e)dersprechen – Ideen für persönliche Gespräche

Tipps und Hilfen für schwierige Gesprächssituationen

Wie können wir reagieren, wenn wir diskriminierende und populistische Aussagen hören? Agnes Kübler, Referentin der Landeskirche für die Themen Rassismus und Antisemitismus, gibt hier Tipps, wie man besser miteinander sprechen kann. 

„Die Liste der Themen, über die man sich streiten kann, muss oder will, ist lang. Und gerade, wenn uns ein Thema am Herzen liegt, machen wir in Gesprächen oft frustrierende Erfahrungen: Statt Argumenten werden populistische Parolen ausgetauscht, statt Nachfragen Unterstellungen und immer wieder machen uns feindselige Sprüche und abwertende Aussagen schlichtweg sprachlos.“ Mit diesen Sätzen laden Kirchengemeinden und Bildungswerke in Kooperation mit der Projektstelle für die Themen Rassismus und Antisemitismus regelmäßig zu Workshop-Abenden ein. Ziel der Workshops ist es, (rechts-)populistische Kommunikationsmuster erkennen zu lernen, verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit ihnen zu finden und auszuprobieren. Es geht also darum, wie man auf das, was oft auch als Stammtischparolen bezeichnet wird, reagieren kann.
Die Abende sind gut besucht, in letzter Zeit war das Interesse oft größer als die Kapazitäten. Denn vielen Menschen ist es ein Anliegen, zugespitzten, polarisierenden, oftmals diskriminierenden und menschenverachtenden Aussagen etwas entgegenzusetzen – gerade auch aus christlicher Position. Und meistens haben sie dabei einen sehr hohen Anspruch: Mit Schlagfertigkeit und Faktenwissen möchten sie ihr Gegenüber für die eigene Perspektive gewinnen. Gleichzeitig haben viele bereits die Erfahrung gemacht, an diesem Anspruch zu scheitern oder, noch frustrierender, ihr Gegenüber trotz guter Argumente nicht erreicht zu haben. 
Diejenigen, die trotzdem oder aus genau diesem Grund weiterhin versuchen möchten, mit Kollegen und Kolleginnen, Verwandten, Freundinnen bzw. Freunden und Bekannten auch die schwierigeren persönlichen Gespräche zu führen, könnten folgende Überlegungen ermutigen…

Fragen, fragen, fragen

Auf provokante Aussagen mit Empörung zu reagieren, ist vollkommen verständlich – schließlich ist das das Ziel von Provokation und Anfeindungen. Aber ein wirklicher Austausch entsteht so in der Regel nicht. Um den Zirkel von Provokation und Empörung zu durchbrechen und stattdessen ein Gespräch zu beginnen, in dem man nicht nur mehr oder weniger verzweifelt reagiert, kann es helfen, Fragen zu stellen, zum Beispiel:

  • Kannst du nochmal erklären, wie du das meinst?
  • Verstehe ich dich richtig, du bist der Meinung, dass …?
  • Was würdest du tun, wenn …?
  • Was wäre dein Lösungsvorschlag …? 

Zum einen verschafft man sich durch Nachfragen Zeit, zum anderen zeigt man damit Interesse an der Position des Gegenübers und kann sich sicher sein, dass man wirklich verstanden hat, worum es dem Gegenüber geht. Und schließlich können Rückfragen das Gegenüber auch dazu bewegen, die eigenen Aussagen zu überdenken. Dieses Nachfragen kann schwerfallen. Leichter geht es, wenn man sich klarmacht, dass Zuhören und Verstehen nicht automatisch Zustimmung bedeuten.

Gesprächsfäden legen 

„Also jetzt seien wir mal ehrlich: Ich gebe es doch auch nicht zu, wenn ich einsehe, dass ich Unrecht habe!“, sagte neulich eine Workshop-Teilnehmerin und brachte damit die Runde zum Lachen. So zeigte sie, wie entwaffnend und verbindend Selbstironie und Humor in manchen Situationen wirken können. Vor allem aber ermutigte sie mit ihrer Ehrlichkeit dazu, Gesprächsfäden auch dann nicht abreißen zu lassen, wenn man den Eindruck hat, mit den eigenen Argumenten nicht zum Gegenüber durchzudringen. Sicher, wer ein geschlossen rechtsextremes Weltbild hat, ist für Argumente kaum mehr zugänglich. Aber auch bei weniger entschieden Positionierten wird ein einziges Gespräch – und sei es noch so kompetent geführt – nicht grundlegende Überzeugungen verändern. Und wer kann schon sagen, welches das entscheidende Gespräch, die entscheidende Frage, das ausschlaggebende Argument für einen Sinneswandel wird? Sicher ist nur, dass an Gesprächsfäden, die nicht gelegt werden, auch nicht angeknüpft werden kann. Und zwar weder von der Person, für die der Faden gedacht war, noch von anderen, die vielleicht zufällig beim Auslegen dabei waren. Es lohnt sich also, immer wieder von neuem das Gespräch zu suchen.

Haltung bewahren und zeigen

In manchen Fragen kann man sich vielleicht noch darauf einigen, dass es ein Problem gibt, aber dass man sich über die Ideen zur Lösung des Problems uneins ist. Dann kann am Ende eines Gesprächs die vielzitierte Formel „agree to disagree“ stehen: Eine Einigung darauf, dass man sich nicht einig ist. Dann wiederum gibt es Haltungen und Meinungen, von denen man vielleicht verstehen kann, wo sie herkommen, aber für die es kein Verständnis geben kann. Dazu gehört an vorderster Stelle die Vorstellung, dass man Menschen kategorisieren und ihnen unterschiedliche Wertigkeiten zuschreiben könnte – Ideologien der Ungleichwertigkeit. Der Schwarze* amerikanische Schriftsteller Robert Jones Jr. brachte das folgendermaßen auf den Punkt: „We can disagree and still love each other unless your disagreement is rooted in my oppression and denial of my humanity and right to exist.” („Wir können unterschiedlicher Meinung sein und uns weiter lieben, es sei denn, deine andere Meinung beruht auf meiner Unterdrückung und der Verneinung meines Menschseins und meines Rechts zu existieren“.) In Situationen, in denen solche menschenverachtenden Überzeugungen geäußert werden, kommt es darauf an, sie deutlich als solche zu benennen, Solidarität mit Angegriffenen zu zeigen und klarzumachen, dass dies kein Ausgangspunkt für ein ernsthaftes Gespräch sein kann. Wer möchte und kann, könnte natürlich auch anbieten, zu einem späteren Zeitpunkt die eigene Position in Ruhe zu erläutern. 

Text: Agnes Kübler

*Im Satz „Der Schwarze amerikanische Schriftsteller Robert Jones Jr. …“ ist Schwarz als politische Selbstbezeichnung groß geschrieben, weiteres dazu z.B. hier: https://glossar.neuemedienmacher.de/glossar/schwarz/

 

 

Hinweis für Kirchengemeinden

Kirchengemeinden sind herzlich eingeladen, Texte wie diesen von www.elk-wue.de in ihren eigenen Publikationen zu verwenden, zum Beispiel in Gemeindebriefen. Sollten Sie dabei auch die zugehörigen Bilder nutzen wollen, bitten wir Sie, per Mail an kontaktdontospamme@gowaway.elk-wue.de nachzufragen, ob die Nutzungsrechte für den jeweiligen Zweck vorliegen. Gerne können Sie alle Bilder nutzen, die Sie im Pressebereich unserer Webseite finden. Sie möchten in Ihrem Schaukasten auf unsere Webseite verlinken? Hier erfahren Sie, wie Sie dafür einen QR-Code erstellen können. 

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