29.11.2024

Kontroverse Haltungen innerhalb der württembergischen Landessynode zur Trauung gleichgeschlechtlicher Paare

Aussprache am Freitag zeigt unterschiedliche Positionen auf

Über die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare debattierte die Landessynode am zweiten Sitzungstag ihrer Herbsttagung. Hintergrund ist ein Antrag mehrerer Synodaler, der in der Sommertagung 2023 eingebracht wurde. Dem Antrag zufolge sollen „vollwertige“ Traugottesdienste anlässlich der Eheschließung von Personen gleichen Geschlechtes beziehungsweise Personen dritten Geschlechtes in der Evangelischen Landeskirche Württemberg
grundsätzlich möglich werden.

Herbsttagung der Württembergischen evangelischen Landessynode im Hospitalhof.

In der Aussprache bestätigte Burkhard Frauer (Ditzingen), dass ein Konsens zwischen den gegenteiligen Haltungen zur Trauung gleichgeschlechtlicher Paare in absehbarer Zeit nicht zu finden sei. Auf der einen Seite stehe der unbedingte Wunsch einer gleichberechtigten Trauung. Auf der anderen Seite stehe die Haltung, dass eine gottgewollte Ehe nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden könne. So sei es zu dem Ergebnis gekommen, zwei unterschiedliche Eheverständnisse gleichberechtigt nebeneinander stehen zu lassen. In der Präambel müsse der Respekt vor der anderen Sichtweise und das Ertragen der daraus folgenden Praxis zum Ausdruck kommen. Dies sei für beide Seiten schmerzlich. Aber es sei der einzige Weg, zu einem Ergebnis zu gelangen. Er bat darum, dieses noch in der 16. Synode zu erreichen. Es werde immer wieder auf den Kompromiss aus der 15. Synode hingewiesen, der aus seiner Sicht jedoch ein fauler Kompromiss sei.

Dr. Gabriele Schöll (Aalen) erklärte ihr Verständnis für die Gedanken, die Hintergrund des Antrags waren. Sie wies auf die unterschiedlichen Lebensrealitäten homosexuell empfindender Menschen hin, die sowohl im Verständnis ihrer sexuellen als auch ihrer religiösen Identität zum Ausdruck kommen.

Johannes Eißler (Eningen) drückte seine Wertschätzung für die Vertreter des Pietismus aus, die ein stabiler Teil der Kirchengemeinden und der Landessynode seien. Er appellierte, miteinander auf dem Weg zu bleiben. Die bisherige Praxis sei der evangelischen Kirche nicht angemessen, es gebe faktisch eine Sperrklausel für Geistliche. Allein schon deswegen müsse man daran weiterarbeiten.

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Auch Christiane Mörk (Brackenheim) sprach sich dafür aus, die Eheverständnisse nebeneinander stehen zu lassen, und deren Gemeinsamkeit zu sehen: Diese bestehe in dem Wunsch, den Glauben zu teilen, der Bitte um Gottes Segen, um Gottes Beziehung zu den Menschen. Weder bei Martin Luther noch sonst in der Bibel werde der Kinderwunsch als gültige Voraussetzung für die Ehe genannt. Es müsse endlich eine Lösung geben, damit sich alle Paare als Ehepaar bekennen dürften.

Steffen Kern (Walddorfhäslach) erklärte, dass mit der Auslegungsgemeinschaft, die alle verbinde, sowohl ein Pro als auch ein Contra ausgedrückt werde. Contra bedeute: Ausgeschlossen sei eine Anpassung an Zeitgeister jeder Art, sowie Homophobie und Diskriminierung. Ebenso eine libertäre Agitation, die bewährte Ordnungen auflösen will. Pro bedeute auch ein immer neues Hören auf die Schrift, dadurch auf Jesus Christus, und durch ihn auf unsere Mitmenschen. Man müsse beieinanderbleiben, den Christus im anderen sehen, auf ihn hören, und sich fragen: Was hat mir Christus im anderen zu sagen? Es sei herausfordernd, die Haltung des anderen einzunehmen, dessen Motive nachzuempfinden. Er votiere für eine Debatte in Ruhe und Zugewandtheit.

Matthias Böhler (Besigheim) betonte, dass die bisherige Regelung weiterentwickelt werden müsse. Solange die Trauung nicht für alle gleichberechtigt vollzogen würde, bestehe immer eine Diskriminierung. Er brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass sogar ein Rückschritt zementiert werde, wenn man nicht mehr gezwungen sei, sich mit der anderen Position auseinanderzusetzen.

Dr. Hans Probst erinnerte daran, dass die diskutierten Fragen das Leben vieler Menschen berührten. In unserer freiheitlichen Gesellschaft werde Vielfalt gelebt. Ihn erfülle die Tatsache, dass homosexuelle Paare nicht gemeinsam gesegnet würden, mit Scham. Dies sei ein Affront und eine verletzende Ungleichbehandlung. Er bedankte sich bei den Vertretern des Pietismus, denn die Gespräche in Ruhe hätten dazu geführt, dass man sich aufeinander zubewegt hätte, und die Idee der gegenseitigen Akzeptanz gestärkt. Er appellierte, gemeinsam weiterzuarbeiten, und eine gute Lösung im Sinne der Nächstenliebe zu finden.

Matthias Hanßmann (Horb am Neckar) verlas ein Statement für den Gesprächskreis Lebendige Gemeinde, in dem er unter anderem darauf hinwies, dass die Voraussetzungen für eine erneute Befassung der Landessynode nicht vorlägen. Bis heute hätten viele Menschen große Mühe mit der in der 15. Landessynode verabschiedeten Regelung, die bis heute gelte. Der Gesprächskreis habe mehrfach darum gebeten, sich an diesen Grundsatz zu halten. Er sei gesprächsbereit, und daher der Arbeitsgruppe beigetreten, die Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl ins Leben gerufen hatte. Die Lebendige Gemeinde unterstütze keine Fortschreibung der Regelung mit kirchenrechtlichen Folgen; der Gesprächskreis bitte darum, weiter die bestehende Regelung zu leben.

Anja Faisst (Ludwigsburg) wies, wie einige andere Synodale, darauf hin, dass seit 2017 die Ehe für alle nach staatlichem Recht möglich sei. Sie erklärte, dass die aktuelle kirchliche Regelung die Gesetzeslage nicht gut wahrnehme. Diese sei keine Realität in der Kirche. Die Regelung schließe weiterhin Menschen aus. Gleichgeschlechtliche Paare zeigten alles, was eine heterosexuelle Ehe ausmache: Die Grundlagen seien Liebe, Zuneigung, Verantwortung, die Bereitschaft, das Leben miteinander zu gestalten. Es sei wichtig, noch in dieser Synode zu einer gleichberechtigten Trauung in Bezug auf beide Eheverständnisse zu gelangen.

Mehrere Synodale, darunter Dr. Antje Fetzer-Kapolnek (Weinstadt-Beutelsbach), berichteten von persönlichen Erfahrungen mit gleichgeschlechtlichen Paaren in Kirchengemeinden, und sprachen sich generell gegen die Erwähnung von Therapien im Zusammenhang gleichgeschlechtlicher Paare aus.

Ines Göbbel verdeutlichte, dass die sexuelle Vielfalt als solche nicht zur Debatte stehe. Wenn man auf dem bisherigen Kompromiss der 15. Landessynode beharre, missachte man vollzogene Entwicklungsschritte. Ihr gehe es darum, Ehepaare und Familien in den landeskirchlichen Kirchengemeinden zu beheimaten; sie plädiere für eine zügige Gesetzesänderung, die beide Eheverständnisse und die Trauung gleichberechtigt regele.

Philip Jägle (Ravensburg) plädierte für eine Lösung, die sich an die Haltung anlehnt, die Martin Luther hinsichtlich des Abendmahls eingenommen habe: Wie das Abendmahl empfangen wird, beurteile nicht die Pfarrperson, nicht wir, sondern Gott. Dabei handele es sich beim Abendmahl sogar um ein Sakrament, bei der Trauung nicht. Bei einer Trauung von Mann und Frau wisse man auch nicht, ob sie diese Handlung ernst nähmen, es zähle, dass sie den Entschluss gefasst hätten.

Gunter Seibold (Filderstadt) erklärte, dass sich das kirchliche Eheverständnis vom staatlichen unterscheiden könne. Eine Diskriminierung sei nicht gegeben, wenn es Begründungen für die verschiedene Behandlung gebe. Rechtlich sei eine Änderung der bestehenden Regelung nicht nötig. Für ihn sei nur eine Trauung von Frau und Mann denkbar, keine anderen Konstellationen.

Gerhard Keitel (Maulbronn) wies ebenso wie Matthias Vosseler (Stuttgart) darauf hin, dass die 16. Synode noch ein Jahr im Amt sein werde. Zudem sei, so Keitel, die Wahl zur Synode eine Personenwahl, keine Parteienwahl – vor diesem Hintergrund bat er alle Synodale um Gespräche für eine Lösung.

Als Vorsitzender des Theologischen Ausschusses erwiderte Hellger Koepff auf die Aussprache, dass er die verschiedenen Argumente in ihrer Bandbreite mitnehmen werde.

Hintergrund:

2019 hat die 15. Landessynode ein (landeskirchliches) Gesetz beschlossen, nach dem in bis zu einem Viertel der württembergischen Kirchengemeinden Gottesdienste zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare möglich sind. Wenn diese Zahl erreicht ist, befasst sich die Landessynode erneut mit dem Thema. Das Gesetz ist zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten.

Damit eine Gemeinde Segnungs-Gottesdienste feiern kann, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • eine vertiefte inhaltliche Befassung der jeweiligen Kirchengemeinde mit dem Thema
  • die Zustimmung des Kirchengemeinderats mit Dreiviertelmehrheit
  • die Zustimmung der für die Kirchengemeinde zuständigen Pfarrpersonen mit Dreiviertelmehrheit

Keine Gemeinde und keine Pfarrperson darf gegen ihr Gewissen gezwungen oder gedrängt werden, sich mit dieser Frage überhaupt auseinandersetzen zu müssen.

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