Das Gewaltschutzgesetz der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

Vier häufige Fragen und Antworten zum Gewaltschutzgesetz

Zum Schutz vor sexualisierter Gewalt hat die Evangelische Landeskirche durch die 16. Synode am 25. November 2021 das Gewaltschutzgesetz beschlossen; es trat am 1.1.2022 in Kraft. Das Gesetz beinhaltet die Grundlage kirchlichen Handelns, Begriffsdefinitionen, die verschiedenen Maßnahmenbereiche und den Geltungsbereich. Die vier häufigsten Fragen zum Gewaltschutzgesetz (GSG) haben wir auf dieser Seite beantwortet. Den Gesesetzestext finden Sie hier.

1. Was versteht man unter dem landeskirchlichen Gewaltschutzgesetz?

Am 25.11.2021 hat die 16. Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg das Gewaltschutzgesetz (GSG) beschlossen. Der vollständige Titel des Gesetzes lautet: „Kirchliches Gesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und zu weiteren Änderungen der Kirchengemeindeordnung und Kirchenbezirksordnung“. Dieses Gesetz ist am 1.1.2022 in Kraft getreten. Das GSG setzt die Richtlinie der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt (EKD-Gewaltschutzrichtlinie) um; diese Richtlinie wurde im Herbst 2019 verabschiedet.

 

2. Wie schützt das landeskirchliche Gewaltschutzgesetz vor sexualisierter Gewalt?

Zum Schutz vor sexualisierter Gewalt schreibt das Gesetz über Allgemeine Bestimmungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt  (Allgemeine Gewaltschutzbestimmungen – AGSB) Definitionen, den Geltungsbereich, die Einrichtung einer Melde- und Ansprechstelle und einer Unabhängigen Kommission sowie allgemeine Pflichten für Dienststellen vor.  Die AGSB finden sich in Art. 1 des Gewaltschutzgesetzes, des GSG.

Die allgemeinen Pflichten für Dienststellen in § 2 AGSB enthalten konkrete Maßnahmen, sie umfassen die Bereiche Prävention, Intervention,Unterstützung und Aufarbeitung. § 2 Abs. 1 stellt zunächst als Grundlage kirchlichen Handelns klar: Wer kirchliche Angebote der Evangelischen Landeskirche in Württemberg wahrnimmt oder in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mitarbeitet, ist vor allen Formen sexualisierter Gewalt zu schützen.

Im Einzelnen nennt § 2 Abs. 3 AGSB die Bereiche:

  • Prävention: Dienststellen der Landeskirche sollen jeweils für ihren Bereich Risiken analysieren, auf deren Grundlage Schutzkonzepte zum Schutz vor sexualisierter Gewalt durchführen, und strukturelle Maßnahmen zur Prävention dauerhaft verankern (Präventionsmaßnahmen).
  • Intervention: In Fällen eines begründeten Verdachts auf sexualisierte Gewalt sollen die Dienststellen angemessen im Rahmen strukturierter Handlungs- und Notfallpläne intervenieren (Interventionsmaßnahmen).
  • Unterstützung: Betroffene, denen von Mitarbeitenden Unrecht durch sexualisierte Gewalt angetan wurde, sollen in angemessener Weise unterstützt werden (individuelle Unterstützungsmaßnahmen).
  • Aufarbeitung: Dienststellen der Landeskirche sollen Ursachen, Geschichte und Folgen sexualisierter Gewalt aufarbeiten (institutionelle Aufarbeitungsprozesse).

Daneben geben die AGSB in § 2 Abs. 5 Standards für die Implementierung von Schutzkonzepten vor. Dazu zählen

  • ein einrichtungsspezifisches Schutzkonzept,
  • die regelmäßige Thematisierung in Leitungsgremien,
  • ein Verhaltenskodex bzw. eine Selbstverpflichtung,
  • Fortbildungen zum Nähe-Distanz-Verhalten für alle Mitarbeitenden,
  • pädagogische Konzepte für Minder- und Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen
  • Notfall- oder Handlungspläne.

 

3. Was ist im landeskirchlichen Gewaltschutzgesetz (GSG) geregelt?

Das landeskirchliche Gewaltschutzgesetz (GSG) umfasst acht Artikel. Diese enthalten als Kern des Schutzes in Art.1 ein weiteres kirchliches Gesetz, das „Gesetz über Allgemeine Bestimmungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt (Allgemeine Gewaltschutzbestimmungen – AGSB)“, die  AGSB. Daneben sieht das GSG in seinen weiteren Artikeln  Änderungen bereits bestehender Vorschriften vor, um den Schutz in allen Bereichen der Landeskirche umzusetzen.

Übersicht über die Artikel des GSG:

  • Art.1GSG:  Gesetz über Allgemeine Bestimmungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt  (Allgemeine Gewaltschutzbestimmungen – AGSB). Dieses Gesetz regelt in

§ 1 AGSB: die Definitionen wichtiger Begriffe, z.B.: zum Begriff der sexualisierten Gewalt, hier einige Auszüge im Wortlaut:

§ 1 Abs.1.: „Eine Verhaltensweise ist sexualisierte Gewalt, wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird. Sexualisierte Gewalt kann verbal, nonverbal, durch Aufforderung oder durch Tätlichkeiten geschehen. Sie kann auch in Form des Unterlassens geschehen,

wenn die Täterin oder der Täter für deren Abwendung einzustehen hat. Sexualisierte Gewalt ist immer bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach dem 13.

Abschnitt des Strafgesetzbuches und § 201a Absatz 3 oder §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung gegeben.“

§ 1 Abs. 2: „Gegenüber Minderjährigen kann sexuell bestimmtes Verhalten im Sinne des Absatzes 1 insbesondere unerwünscht sein, wenn eine körperliche, seelische, geistige,

sprachliche oder strukturelle Unterlegenheit und damit eine gegenüber der Täterin oder dem Täter fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung gegeben ist. Bei

Kindern, das heißt bei Personen unter 14 Jahren, ist das sexuell bestimmte Verhalten stets als unerwünscht anzusehen.“

§ 1 regelt weiter:

  • wer als Mitarbeitende im Sinne des Gesetzes zu verstehen sind: Dies sind haupt-, neben- sowie ehrenamtlich tätige Personen.
  • den Geltungsbereich des Gesetzes: Es gilt für die gesamte Evangelische Landeskirche in Württemberg und für das Diakonische Werk Württemberg nach Maßgabe seiner Satzung.

§ 2 AGSB regelt:

Die Grundlage kirchlichen Handelns, hier der Wortlaut:

§ 2 Abs.1.: „Wer kirchliche Angebote der Evangelischen Landeskirche in Württemberg wahrnimmt oder entsprechend § 1 Absatz 5 in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mitarbeitet, ist vor allen Formen sexualisierter Gewalt zu schützen.“

§ 2 Abs. 2: „Unangemessenen Verhaltensweisen, die die Grenze zur sexualisierten Gewalt nicht überschreiten, ist durch geeignete Normen, Regeln und Sensibilisierung entgegenzutreten.“

§ 2 regelt weiter: Allgemeine Pflichten von Dienststellenleitungen, wie z.B. Präventionsmaßnahmen durch Schutzkonzepte, Intervention, individuelle Unterstützung oder Aufarbeitungsprozesse (Details hierzu siehe Frage 2 dieser FAQ).

§ 3 AGSB regelt die Einrichtung einer Melde- und Ansprechstelle bei Oberkirchenrat und Diakonischem Werk sowie einer Unabhängigen Kommission als niederschwellige Kontaktmöglichkeit.

§ 4 AGSB regelt die Mitarbeit Ehrenamtlicher, was das Verbot der Beauftragung bei einschlägigen Vorstrafen, Meldepflicht, Abstands- und Abstinenzgebot sowie Vorlage erweiterter Führungszeugnisse betrifft.

  • Art. 2, 3 und 4 GSG enthalten Änderungen des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes, des Württembergischen Pfarrgesetzes und des Kirchenbeamtenausführungsgesetzes. Zu den Änderungen gehören: Die Pflicht des Dienstgebers, vor der Anstellung ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen zu lassen und dies in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Ferner ist der Abschluss von Arbeitsverträgen mit Menschen, die einschlägig rechtskräftig verurteilt sind, ausgeschlossen.
  • Art. 5, 6, 7 und 8 GSG: Änderungen der Kirchengemeindeordnung, der Kirchenbezirksordnung, des Kirchlichen Verbandsgesetzes und der Kirchlichen Wahlordnung: Verweise in diesen Regelungen auf o.g. Bestimmungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt.

 

4. Wie unterscheidet sich das landeskirchliche Gewaltschutzgesetz (GSG) vom Gewaltschutzgesetz des Bundes (GewSchG)?

Das landeskirchliche Gewaltschutzgesetz (GSG), also das „Kirchliches Gesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und zu weiteren Änderungen der Kirchengemeindeordnung und Kirchenbezirksordnung“ wurde von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg erlassen – von der Landessynode, der gesetzgebenden Versammlung der Kirchenleitung.  Das GSG dient dazu, Menschen in der Landeskirche, d.h., in allen Bereichen, in denen sie mit Haupt- oder Ehrenamtlichen in Kontakt kommen, vor sexualisierter Gewalt zu schützen, Mitarbeitende zu sensibilisieren und Betroffenen Ansprechstellen und Hilfe zu bieten.

Das Gewaltschutzgesetz des Bundes (GewSchG) heißt mit vollständiger Bezeichnung „Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen“. Es trat am 1. Januar 2002 in Kraft. Dieses Bundesgesetz wurde erlassen, um den zivilrechtlichen Schutz bei Gewalttaten und Nachstellungen im häuslichen bzw. privaten Umfeld zu verbessern, wie z. B. bei häuslicher Gewalt oder Stalking. Das GewSchG ermöglicht z.B., den Täter aus der gemeinsamen Wohnung zu verweisen oder die Kontaktaufnahme zu verbieten.

Weitere Informationen zur Verabschiedung des Gewaltschutzgesetzes durch die Landessynode finden Sie hier. 

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