Am 15. März hat die Frühjahrstagung der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg begonnen. Zu Beginn der Synodaltagung beschäftigte sich die Landessynode mit den Ergebnissen der ForuM-Studie, Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland. Ursula Kress, im Oberkirchenrat Ansprechperson bei sexualisierter Gewalt, sowie Prof. Dr. Thomas Großbölting, der an der ForuM-Studie beteiligt war, stellten die Ergebnisse der Studie vor.
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl verwies auf Aufarbeitungs- und Anerkennungsmaßnahmen der Landeskirche und führte weiter aus: „Unabhängig von all diesen Anstrengungen fordern wir ein staatliches Gesetz zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, damit ein Standard definiert wird, der für alle gleichermaßen gilt.“ Synodalpräsidentin Sabine Foth verlas die gemeinsame Stellungnahme von Synode und Oberkirchenrat und sagte: „Wir befürworten die Errichtung einer Ombuds-Stelle [unabhängige Beratungs- und Beschwerdestelle] auf der EKD-Ebene und unterstützen die Erarbeitung einheitlicher Standards und Konzepte mit Blick auf Prävention, Intervention und Aufarbeitung innerhalb der Gliedkirchen der EKD. Darüber hinaus fordern wir die Einrichtung einer Aufarbeitungs-Kommission des Bundes und dass die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen durch den Gesetzgeber geschaffen werden.“
Foth führte weiterhin mit Blick auf die anwesenden Betroffenen aus, dass viel dazu gelernt worden sei, seit Gespräche mit Betroffenen stattfinden. „Wir hören zu und suchen gemeinsam Wege, die Folgen des geschehenen Unrechts zu lindern.“ Auf der Ebene der Landeskirche seien inzwischen Strukturen aufgebaut worden, die sich schon seit einigen Jahren bewährt hätten, wie beispielsweise die Unabhängige Kommission, Schutzprozesse, das Betroffenenforum und die Anerkennungsleistungen. „Wir werden die vom Beteiligungsforum erarbeiteten Standards für die Anerkennungsleistungen übernehmen und auf eine EKD-einheitliche Erfassung von Vorfällen drängen. Die Arbeiten gehen in den regionalen Aufarbeitungsstudien weiter“, so Foth.
Gleichzeitig gehe es darum, an der Haltung zu arbeiten: „Reaktionen wie ‚Das gibt es bei uns nicht‘ oder ‚Wir kennen uns doch‘ sind ein Einfallstor für Täter und ihre manipulativen Strategien. Umgekehrt bedeutet das: Wir müssen Sprache und Worte finden, Grenzen deutlich markieren und so ein Klima schaffen, in dem grenzverletzendes Reden und Tun offen angesprochen und gehört werden.“ Es brauche klare Abläufe und standardisierte Verfahren sowie eine Protokollierung der einzelnen Schritte.
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl betonte, dass der Fokus weiter konsequent auf die Perspektive der Betroffenen zu legen sei und resümierte mit Blick auf die Berichterstattung zur ForuM-Studie: „Der Blick auf die Zahlen, die Frage welche und wie viele der Akten tatsächlich gesichtet und ausgewertet wurden, hat also wieder einmal von den Betroffenen abgelenkt. Das ist ärgerlich“, so Gohl. „Aufarbeitung bedeutet nicht Heilung oder Wiederherstellung. Das mag es in einzelnen Fällen geben, ist aber als grundsätzliches Ziel unrealistisch. Wir müssen auch akzeptieren, dass Betroffene mit der Kirche gebrochen haben oder sich nicht mit unseren Bemühungen zufriedengeben. Alle Versuche, hier etwas heilen zu wollen, werden als neuer Übergriff empfunden. Und: Aufarbeitung ist kein Sprint, sondern ein Marathonlauf.“
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