Nach der Morgenandacht hat die Synode den Synodalen Martin Wurster als Stellvertretung für Anette Rösch (5. Mitglied) in den Diakoniefonds gewählt.
Die für die Zustimmung zum Kirchlichen Gesetz zur Änderung des Kirchenverfassungsgesetzes (vgl. Bericht unter TOP 4, 1. Sitzungstag) notwendige Zweidrittelmehrheit wurde in zweiter Lesung erreicht (77 Zustimmungen) und das Gesetz damit beschlossen.
Die für die Zustimmung zum Gesetz zur Änderung der Rechte der Schuldekaninnen und Schuldekane (Beilage 14) (vgl. Bericht unter TOP 5, 1. Sitzungstag) notwendige Zweidrittelmehrheit wurde in zweiter Lesung erreicht (80 Zustimmungen) und das Gesetz damit beschlossen.
Der Theologische Ausschuss hat sich seit der Sommersynode in jeder Sitzung mit Fragen rund um das digital vermittelte Abendmahl befasst, einen Studientag im Februar mit Fachleuten organisiert und die Ergebnisse gründlich ausgewertet. Der Vorsitzende des Theologischen Ausschusses, Hellger Koepff, berichtet über den Stand der Beratungen.
Digitalisierung und Realität
Mit der Digitalisierung seien weitreichende Veränderungen verbunden. Die Kommunikationswelten im Netz seien eine Realität, auch wenn sie über technische Medien vermittelt werden. Das binäre Verständnis von „real“ und „virtuell“ führe daher bei der Frage des digital vermittelten Abendmahls nicht weiter, denn die eine Realität würde unterschiedlich wahrgenommen. Über die Bedeutung der Wirklichkeit in der analogen und der digitalen Welt wurde in anthropologischer und ekklesiologischer Hinsicht beim Studientag diskutiert. Beim digital vermittelten Abendmahl gehe es um die Fragen der Vermittlung, des Interagierens und der Gemeinschaft und um die Auswirkungen auf das Abendmahl in ihren Stärken und Schwächen,
Aspekte des Abendmahls im Analogen und im Digitalen
Mehrere Aspekte seien für die Bewertung der Fragen konstitutiv. Beim Abendmahl gehe es nicht um eine Kopie des Ursprungsgeschehens, sondern um seine Kontinuität. Das drücke sich besonders durch die Einsetzungsworte, die über Brot und Wein gesprochen werden. Die Beratungen haben die Frage aufgeworfen, wie ein stiftungsgemäßer Bezug zum Ursprungsgeschehen im Analogen und im Digitalen aussehe.
Zur Feier des Abendmahls gehöre der leibliche, gemeinschaftliche Vorgang des Essens und Trinkens. Die Mitglieder haben sich mit der Frage beschäftigt, ob es für eine durch den Heiligen Geist gestiftete sakramentale Gemeinschaft der Heiligen die physische Anwesenheit an einem gemeinsamen Ort brauche und ob diese auch digital erleb- und darstellbar sei.
Die Mitglieder waren sich einig, dass die enge Verbindung der Einsetzungsworte mit Brot und Wein gegeben werden müsse. Ob sich die Leitung des Abendmahls und die Elemente in einem Raum befinden müssen wurde diskutiert und unterschiedlich bewertet.
Brot und Wein als Leib und Blut Christi werden den Feiernden gegeben. Die Mitfeiernden empfangen, was Christus ihnen schenke. Die Mitglieder waren sich einig, dass nach Möglichkeiten mehrere Personen gemeinsam vor der Kamera und vor dem Bildschirm feiern sollen, damit nicht von einer Selbstkommunion gesprochen werden könne.
Die zeitliche Synchronität sei bei einer Feier im Rahmen eines Livestreams oder als ZOOM Gottesdienst gegeben. Eine jederzeit abrufbare Abendmahlsfeier hingegen rücke zu sehr in die Nähe der Selbstkommunion. Andere Stimmen wiesen auf die Dankbarkeit von Menschen, die durch aufgezeichnete Feier wieder Lust am Feiern des Abendmahls bekämen und dieses feiern könnten, sobald sie dafür innerlich offen seien im Vertrauen, dass Gott auch noch nach Jahren sein Wort verlebendige.
Die Frage der Ökumene könne im Ausschuss nicht geklärt werden. Für die römisch-katholische Kirche sei weder ein digitales noch ein analoges evangelisches Abendmahl gültig.
Die Mitglieder des Ausschusses seien sich einig, dass der Diskurs mit der katholischen Kirche, aber auch innerhalb der lutherischen, der unierten und anderen Kirchen der EKD und der GEKE weitergeführt werden solle. Es dürfe aber nicht das Ende der Pandemie abgewartet werden in der Hoffnung, die Fragen erweisen sich als überflüssig oder erledigt.
Die grundsätzliche Debatte, ob ein digital vermitteltes Abendmahl ein stiftungsgemäßes vollgültiges Sakrament ist und sein kann, müsse weitergeführt werden, deshalb stellt der Theologische Ausschuss den einstimmig beschlossenen Antrag Nr. 03/21:
Antrag Nr 03/21 nach § 29 GeschO - Der Oberkirchenrat wird gebeten, im Theologischen Ausschuss regelmäßig über den Fortgang der grundsätzlichen theologischen Klärung der Fragen rund um das digital vermittelte Abendmahl innerhalb der Landeskirche und darüber hinaus zu berichten. Die Ergebnisse des synodalen Studientages und der Beratungen im Theologischen Ausschuss sollen in die landeskirchlichen Klärungen und in die Abstimmung mit VELKD, UEK, GEKE und LWB einfließen. Darüber hinaus soll spätestens in der Frühjahrssynode 2022 von Oberkirchenrat und Theologischem Ausschuss berichtet werden.
Von seiten der Gemeinden und Pfarrerschaft würden tragfähige Lösungen für die bevorstehenden Kar- und Ostergottesdienste erwartet. Daher bringt der Theologische Ausschuss den einstimmig beschlossenen Antrag Nr. 04/21 ein:
Antrag Nr 04/21 nach §29 GeschO - Die Landessynode möge beschließen: Der Oberkirchenrat wird gebeten, unmittelbar nach der Frühjahrssynode und damit rechtzeitig vor Ostern 2021 die Kirchengemeinden und die Pfarrerinnen und Pfarrer über den Beratungsstand zum digital vermittelten Abendmahl zu informieren. Es sollen die zentralen Gesichtspunkte genannt werden, die aus heutiger Sicht in einer grundsätzlichen theologischen Klärung zu reflektieren sind.
Es stehe die Frage im Raum, ob schon während der weiteren theologischen Diskussionen ein Signal der Öffnung gegeben werden soll und für die bevorstehende Kar- und Osterzeit 2021 die Erprobung der Feier eines digital vermittelten Abendmahls gegeben werden soll. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder ist für eine Öffnung der Gestaltungsräume unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte.
Trotz und in Folge erfolgter Beratungen des Oberkirchenrats, des Geschäftsführenden Ausschusses und des Ältestenrates wird vom Theologischen Ausschuss der Antrag Nr. 02/21 eingebracht:
Antrag Nr 02/21 nach §29 GeschO - Die Landessynode möge beschließen: Der Oberkirchenrat wird gebeten, unmittelbar nach der Frühjahrssynode und damit rechtzeitig vor Ostern 2021 Gesichtspunkte zu benennen, die für eine digitale Gestaltung von Abendmahlsfeiern in der Kar- und Osterzeit 2021 aus Sicht von Oberkirchenrat und Landessynode zu beachten sind. Wo aufgrund der pandemisch bedingten Ausnahmesituation die Feier des Online-Abendmahls als geeignete Form gesehen wird, soll dieses beim zuständigen Dekanatamt angemeldet und die Erfahrungen anschließend in Form einer schriftlichen Evaluation an das theologische Dezernat des Oberkirchenrats weitergeleitet werden.
Aussprache:
In der Aussprache bat Matthias Eisenhardt (Schwäbisch Gmünd) darum, nicht zu vergessen, dass dies eine höchst akademische Debatte sein. Unterschiede zwischen Agapemahl und Abendmahl, ebenso wie die Bedeutung des Sakraments sei für junge Leute, die Gemeinschaft erleben wollen, nicht geläufig. Es bedürfe einfacher Sprache und Erklärungen zum Nachvollziehen.
Dr. Gabriele Schöll (Heidenheim) wies darauf hin, dass viele auf eine Reaktion der Landeskirche warten, die ihnen die Freiheit zuspreche, nach ihrem Gewissen zu handeln. Die Debatte müsse jedoch weiter gehen.
„Kommt und weitet den Blick“, zitierte Marion Blessing (Herrenberg) aus dem Bischofsbericht. Menschen hätten Angst vor Corona und besuchten oft keine Präsenzgottesdienste. Diesen Menschen solle eine Teilnahme am Abendmahl ermöglicht und den Gemeinden vor Ort Räume eröffnet werden im Vertrauen auf das verantwortungsbewusste Handeln der Menschen vor Ort. Weniger Angst, ob alles „rechtens sei“, dafür mehr Gottvertrauen sei wichtig sowie mutige Entscheidungen zu treffen.
„Wir diskutieren das Bild der Kirche, das wir nach außen abgeben wollen“, so Thomas Stuhrmann (Marbach). Dabei gehe es darum, Kirche erlebbar, erfahrbar und zukunftsfähig zu machen. Dazu gehöre die digitale Wirklichkeit. Das Digitale sei wie ein Weg, einen neuen Kontinent zu entdecken. "Mutig sollen wir nach Jesu Befehl zu den Menschen gehen, die auf diesem Kontinent leben und dort zuversichtlich Kirche gestalten."
Steffen Kern (Tübingen) bekräftigte die Aussage „Mit Sakramenten sollen keine Experimente gemacht werden“ – es gehe aber nicht nur um digitalen Pragmatismus oder Reformismus. Theologische Sorgfalt sei notwendig. Er fragte, welche Leiblichkeit und Realität seien für das digitale Abendmahl notwendig. Das Wort erklinge real, wirke und sei dort wirklich – das qualifiziere jeden Raum als Wortraum, die Distanz spiele keine Rolle. Kern ermutigte dazu, nicht zu klein vom Wort und seiner Wirksamkeit zu denken und bat darum, keine Zäune und Verbote aufzustellen.
Burkhard Frauer (Ditzingen) erinnert an die aktuelle Fastenaktion 7Wochen ohne Blockaden und bittet darum, einen weiteren Raum zu eröffnen, um den Menschen neue Erfahrungen mit der Bibel und Gott zu ermöglichen. Nach Salomos Worten „Alles hat seine Zeit“ halte er die Zeit bis Ostern 21 für zu kurz für eine endgültige Entscheidung, nicht jedoch für Leitplanken und Eröffnung der Räume, wie im Bischofsbrief erwähnt.
Ekhardt Schultz-Berg (Stuttgart) plädierte für mehr Teilhabe, für großzügigere Freiheit in der Verantwortung mündiger Christen. Seine Erfahrungen aus der Auslandsarbeit hätten imh gezeigt, dass allein das Wissen, dass zur gleicheen Zeotzur Sprache, als er sich beim Feiern des (damals nur analogen) Abendmahl dennoch verbunden gefühlt habe mit Menschen, die nicht im gleichen Raum waren.
Der positive und ermutigende Bischofsbrief zeige nach den Worten Rainer Köpfs (Schwäbisch Gmünd), dass vieles in Bewegung sei, werfe aber auch die Frage auf, was denn nun zu tun sei. Bei steigenden Inzidenzen brauche es Entscheidungen für die kommende Osterzeit. Es gehe nicht darum, gegen den OKR zu handeln, der die Ordnung überwache, sondern um die seelsorgerliche Pflicht der Synode. Er schlage vor, Erprobungsräume zu erlassen und anschließend zu evaluieren und fügt hinzu „Ist es von Gott, wird es bleiben, ist es nicht von Gott, wird es vergehen“.
Oliver Römisch (Brackenheim) sagte , dass Umfragen zufolge im letzten Jahr ca. 25% der Gemeinden digitales Abendmahl gefeiert hätten. Mit den gestellten Anträgen würden keine Fakten geschaffen, sondern den Fakten Rechnung getragen. Für die existierende Praxis brauche es Hilfestellung.
Prof. Jürgen Kampmann (Ev.-theol. Fakultät) wies daraufhin, dass die audiovisuelle Technik ihre Grenzen habe und nicht für alles geeignet sei. Das Wort, das Fleisch geworden ist, gehe ganz leibhaftig in den Menschen ein. Auftrag der Kirche sei es, die Sakramente recht und angemessen zu verwalten. Mit Paulus solle man alles prüfen und das Gute (genauer das „Tadellose“) behalten. Für ein digitales Abendmahl sei die audiovisuelle Technik zu defizitär.
Ines Göbbel (Marbach) warb für die Ermöglichung digitaler Abendmahlsformen gemäß dem Satz „Wer will, der kann, wer kann, der muss nicht“.
Ernst Wilhelm Gohl (Ulm) warb für einen verantwortlichen Umgang mit dem Thema, seiner Erfahrung nach sei das Interesse in den Gemeinden eher klein, deshalb plädiert er dafür, gründlich und ohne Druck zu diskutieren.
Landesbischof Bischof July dankte für die eindrückliche Debatte und vrewies auf seinen Brief, aus dem deutlich werde, was für Kriterien beim Abendmahl zu bedenken seien. Er wünsche sich von Herzen, in dieser Frage den Weg miteinander zu gehen und nicht falsche Gegensätze zu konstruieren, sondern die theologischen Unterschiede, die es innerhalb der Synode, aber auch im Kollegium des Oberkirchenrats zu bearbeiten. Die Ökumene sei für ihn nicht nachrangig, und zwar nicht nur die mit der römischkatholischen Kirche, die noch ganz eigene Probleme hat, sondern auch mit den lutherische Kirchen. Schließlich, so der Landesbischof, könne Württemberg sich ja nicht an der weltweiten Kirche erfreuen und dann Württembergische Einzelbedürfnisse zu verfolgen. July kündigte an, sich der Fragestellung nach dem digitalen Abendmahl verstärkt annehmen werde.
Nach der Ausprache stimmten die Synodalen den oben genannten Anträgen mehrheitlich zu.
Hinweis: Aufgrund der Komplexität der Verfahren und einiger Berichterstattung zum Thema hier der Hinweis: Die Zustimmung zum Antrag 2/21 bedeutet, dass der Oberkirchenrat ("der Oberkirchenrat wird gebeten") sich nun mit dem Inhalt des Antrags sorgfältig beschäftigen wird. Mit dem Antrag ist keine offizielle Erprobung digitaler Abendmahlsformen beschlossen. Oliver Hoesch, Sprecher der Landeskirche
Neue Egoismen. Wie die Pandemie unser Miteinander verändert und was die Aufgabe der Kirche ist.
Viele Synodale zeigten sich tief betroffen davon, wie stark sich binnen des ersten Jahres der Pandemie das Verhalten und die Einstellungen der Menschen verändert hätten. So wies etwa Maike Sachs (St. Johann-Gächingen) darauf hin, Krankheit werde zunehmend personalisiert. Menschen gingen nicht nur äußerlich sondern auch innerlich auf Distanz. Was sich im persönlichen Umgang zeigt, sei auch international zwischen den Staaten zu beobachten, darauf wies zum Beispiel Prof. Dr. Marina Klärle (Crailsheim) mit Blick auf das Wegbrechen internationaler Begegnungen und die Auswirkungen vor Allem für junge Menschen hin sowie Christiane Mörk (Besigheim) in Bezug auf den „Impfegoismus“ der reichen Staaten. Es sei beschämend, wie Europa sich nach vorne boxe, so Maike Sachs (Bad Urach). Steffen Kern (Tübingen) wies darauf hin, dass der nationale Impfegoismus neue nationale Kollektividentitäten hervorbringe. Auch das Erstarken der Verschwörungserzählungen zeige diese Charakteristik: Menschen schlössen sich dabei Gruppen an, die sich im Besitz exklusiver Wahrheit wähnten.
Die Ursachen gewichteten die Synodalen in ihren Statements unterschiedlich. So äußerten sich etwa Matthias Eisenhardt (Schorndorf) und Ralf Walter (Aalen) überzeugt, dass dieser Egoismus latent schon lange vorhanden gewesen sei. Die Krise lasse sie nur sichtbar werden. Eine Ursache liege im „höher, weiter, besser der Wohlstandsgesellschaft“ (Walter) und im „ungebremsten Wirtschaftsliberalismus“ (Eisenhardt). Andere Synodale ordneten die Ursachen eher psychologisch ein. Rainer Köpf (Schorndorf) verwies auf die tiefen Zukunfts- und Existenzängste, die sich in egoistischem Verhalten äußerten. Auch die von ihm beobachtete Austrittswelle führte er darauf zurück, dass sich hier Angst und Wut ausdrückten. Dr. Gabriele Schöll sah die Ursache auch in einer spirituellen Armut. Hinter dem Egoismus stecke die Angst um die vermeintlichen Sicherheiten der Menschen, die nicht mehr an den Schutz Gottes glauben könnten.
Die Aufgabe der Kirche in dieser Situation hat für die Synodalen mehrere Dimensionen. So betonte etwas Bernd Wetzel (Weinsberg), die Veränderung zum Guten beginne bei jedem einzelnen selbst. Er ermunterte die Synodalen, nach spirituellen Wegen zu suchen, wie sie auf Egoismus bei sich selbst reagieren könnten. Maike Sachs regte an, Christen sollten durch praktische Hilfe für Notleidende im eigenen Umfeld wirken, und Kirche müsse zugleich „laut die Stimme erheben“. Rainer Köpf wies darauf hin, Kirche müsse Menschen demütig und liebevoll begleiten statt sie „mit dem erhobenen Zeigefinger zu belehren“. Mehrere Synodale betonten, wie wichtig es sei, dass Kirche weiter Begegnungen zwischen Menschen ermögliche, so gut es eben gehe. Steffen Kern wies auf die Vorbildunktion hin, die Kirche habe. Sie müsse den Kern des Egoismus klar benennen, dabei aber auch sagen, wo sie selbst versage. Martina Klärle bat darum, alle Möglichkeiten zu nutzen, als Kirche international Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.
Scheitern der Einführung eines Flächentarifvertrags in der Altenpflege
Viele Synodale wie zum Beispiel Prof. Dr. Martin Plümicke (Reutlingen) waren sich einige darin, dass mit der Öffnung des sozialen Bereichs für den Wettbewerb mit freien Sozialunternehmen in den 90er Jahren bei den Leistungen für die Arbeitnehmer eine Abwärtsspirale eingesetzt habe. Im Ergebnis zahlten nun die privaten Anbieter deutlich schlechter als die kirchlichen. Die Kirchen müssten sich aktiver dafür einsetzen, diese Abwärtsspirale zu bremsen, sagte Dr. Antje Fetzer (Waiblingen). Christoph Müller (Böblingen) forderte eine umfassende Reform des Sozialsystems mit dem Ziel fairer Löhne für alle Beschäftigen. Mehrere Synodale forderten, Kirche und Diakonie müssten nach außen besser kommunizieren, dass die Unternehmen der Diakonie gute Arbeitgeber mit fairen Löhnen seien. Oberkirchenrätin Prof. Dr. Annette Noller – und Vorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg - wies darauf hin, wie schwierig die komplexen Sachverhalte auch rund um das Scheitern des Flächentarifvertrags in der Öffentlichkeit zu kommunizieren seien. Dabei sei es Ziel des Diakonischen Werkes gewesen, den hohen Standard für die Beschäftigen zu halten.
Die Stellvertretende Präsidentin der Landessynode, Andrea Bleher, berichtet als Ausschussvorsitzende, dass der Geschäftsführende Ausschuss sich mit den zu Anfang März auslaufende Anordnung nach § 29 Absatz 1 Kirchenverfassungsgesetz beschäftigt hat. Diese mussten verlängert und präzisiert werden. Demnach gilt nun bis 1. Februar 2022, dass die Landessynode weiterhin audiovisuell tagen kann, wenn „der persönliche Zusammentritt der Landessynode andernfalls aus schwerwiegenden Gründen nicht durchgeführt werden kann", ebenso Gemeindegremien. Gesetze können zunächst auf elektronischem Weg notverkündet werden, solange die vorgeschriebene Form im Amtsblatt nicht möglich ist, die „Herstellung der Öffentlichkeit", die bei öffentlicher Sitzung der Landessynode notwendig ist, könne nach Abwägung alleine durch einen Livestream gewährleistet sein; geheime Wahlen und Abstimmungen können jedoch nicht durchgeführt werden. Für die weiteren kirchlichen Gremien, die digitale Sitzungen durchführen, wird für die Zeit der Corona-Pandemie als ausreichend erachtet, zur Herstellung der Öffentlichkeit eine Teilnahme an audiovisuellen Sitzungen zu ermöglichen.
Der Rechtsausschuss arbeite an einem Gesetzentwurf, der in der Sommersynode eingebracht werden und dauerhaft digitale Sitzungen für das Plenum der Landessynode, den Geschäftsführenden Ausschuss sowie den Landeskirchenausschuss ermöglichen soll.
Ebenso bleibt die Möglichkeit, Gottesdienste nicht stattfinden zu lassen, und die Konfirmationstage aufzuheben. Außerdem wurde eine Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetzes beschlossen, die die Möglichkeit eröffnet, die für 2020 vorgesehene Neuwahl des AGMAV-Vorstands durch Voll- bzw. Regionalversammlungen bis Ende 2021 durchzuführen.
Die Selbständigen Anträge, deren Beratung für heute vorgesehen waren, konnten bereits gestern, am ersten Tag der Tagung, behandelt werden. Sie finden die Ergebnisse dort ebenfalls unter TOP 11.
In seinem Bericht nannte Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel die Vorstellung des landeskirchlichen Klimaschutzkonzepts eine „Zäsur", denn seit Anfang März sei der Umweltbeauftragte und sein Büro nicht mehr dem Dezernat 1 zugeordnet, sondern in einem neu eingerichteten Referat „Klima und Umweltschutz“ in Dezernat 8 angesiedelt. Dies zeige den Stellenwert, den der Klimaschutz in der Landeskirche habe, so Heckel. Er zeichnete die Entstehung des Klimaschutzkonzeptes und der Klimabilanzen seit den ersten Schritten im März 2011 mit den von der Synode beschlossenen Leitlinien unter dem Motto „gelebtes Gast-Sein“ nach, die zu einem „Integrierten Klimaschutzkonzept“ im September 2012 und dessen Weiterentwicklung führte.
Heckel berichtete, dass am 23. Oktober 2020 und jüngst am 5. März 2021 das aktuellste, „fortgeschriebene Klimaschutzkonzepts“ im Ausschuss für Kirche, Gesellschaft, Öffentlichkeit und Bewahrung der Schöpfung (KGS) vorgestellt und diskutiert worden ist. Insbesondere hob Heckel für die bisherige Entwicklung 2000 bis 2015 die intensivere und verbesserte Datenauswertung hervor, aber auch die bisherigen Fortschritte bei Pfarrhaussanierung, Heizung, Elektroautos, Photovoltaikanlagen. Die „stattlichen Investitionen“ in Anlagen zur Erzeugung von Wind- und Solarstrom erbrächten bereits die in der Klimabilanz ausgewiesenen Treibhausgaseinsparungen. Heckel wies auch auf die nun verbindlichen Festlegung von Klimazielen und die im Kollegium beschlossenen inhaltlichen Festsetzungen hin. Als kommende Ziele nannte er Energiesparprogramme für Gebäude, den Umstieg zu erneuerbaren Energien, den Ausbau digitaler Medien, die Nutzung umwelt- und klimaverträglicher Mobilitätsformen, eine nachhaltige, öko-fair-soziale Beschaffung der Landeskirche bis hin zum Bereich der Verpflegung in kirchlichen Einrichtungen und bei Veranstaltung. Er hob auch den Bereich der Umweltbildung innerhalb der Landeskirche als wesentlichen Faktor hervor. Insbesondere wird angestrebt, so Heckel, den Abbau der CO2-Emissionenzu senken - bis zum Jahr 2025 um 40% und schrittweise bis zum Jahr 2050 um 90-95% .
Der Umweltbeauftragte der Landeskirche Klaus-Peter Koch erläuterte Methoden und Schwerpunkte bei der Erstellung von Klimabilanzen und berichtete von weitern Ergebnissen. So sei beispielsweise 2015 zu 70% Ökostrom bezogen worden. Im Sektor Mobilität wurde eine Emissionsminderung um 21% erzielt. Auch haben laut Koch die für jedes Handlungsfeld erstellten Potenzialanalysen gezeigt, dass die Klimaneutralität der Landeskirche tatsächlich erreicht werden kann. Er empfahl eine regelmäßige, flächendeckende Erfassung von Verbrauchsdaten sowie zeitnah aktualisierte Gebäudeinformationen, um den Erfassungsaufwand zu reduzieren und die Planungen zu verbessern.
Die Vorsitzende Annette Sawade des Ausschusses für Kirche, Gesellschaft, Öffentlichkeit und Bewahrung der Schöpfung lenkte in ihrem Bericht zum Klimaschutzkonzept den Blick auf die zahlreichen Mitwirkenden während der Beratungen: neben den zuständigen Dezernaten im Oberkirchenrat und dem Umweltbüro seien auch hinzugezogene Expertinnen und Experten, Kirchengemeinden und Synodale beteiligt gewesen. Bezugnehmend auf den Bericht des Umweltbeauftragten Koch wies sie u.a. auf die Schwierigkeit bei der Klimabilanz bei Gebäuden mit denkmalgeschützter Bausubstanz und bei Gebäuden, die auch von anderen Trägern genutzt werden, hin. Sawade betonte schließlich die bisherige und künftige Bedeutung der Synode und des Ausschusses für Kirche, Gesellschaft, Öffentlichkeit und Bewahrung der Schöpfung für die Entwicklung der Klimaschutzkonzepte.
Aussprache
Die Synodale Ruth Bauer (Schorndorf) begrüßte in der Aussprache ausdrücklich das Konzept als eine gute Grundlage. Sie wies darauf hin, dass insbesondere bei den Pfarrhäusern, Hauptverursacher der CO2-Emissionen, viel erreicht worden sei: 30 Millionen Euro seien in energetische Maßnahmen geflossen. Dies komme zum einen den Bewohnern zugute, zum anderen spare es Energie und habe auch Einfluss auf den Immobilienwert. Wie andere Synodale betonte sie die Dringlichkeit einer „durchdachten“ Konzeption in der Klimaschutzarbeit der Landeskirche sowie der zeitnahen Umsetzung. Prof. Dr. Martina Klärle (Crailsheim / Blaufelden / Weikersheim) zeigte sich erleichtert über die Konzeption, auch wenn diese angesichts der weltweiten Klimasituation nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“ sei. Sie sehe hier die Chance, die junge Generation mitzunehmen und forderte, die „Ärmel hochzukrempeln". Markus Ehrmann (Crailsheim / Blaufelden / Weikersheim) wies auf einen mutmaßlich hohen Aufwand hin, regelmäßig Daten zu erheben, zumal durch Ehrenamtliche. Er hinterfragte auch die Fokussierung auf den CO2-Ausstoss, denn die Menschen in den Gemeinden seien mehr als Kohlenstoff-Verursacher.
Eckhardt Schulz-Berg (Stuttgart) betonte, dass es bereits viele gangbare Wege gebe, wie Bauberatungen zeigten. Er regte an, das Konzept auf die Ebene der Kirchenbezirke zu tragen und erinnerte an die noch weitgehend ausstehende Umsetzung der Aktionen „Klima-Sinn“ (Lastenräder), „Job-Rad“ sowie „Kirche elektrisiert“. Michael Schradi (Blaubeuren) blickte auf die Arbeit im KGS als „schönsten Teil“ seiner synodalen Arbeit zurück. Er nannte die Überlegungen im Bereich Ernährung und Beschaffung als wesentlich für den Bildungs- und den Gemeindebereich, dort komme Regionalität direkt bei den Menschen an.
Die Ausschussvorsitzende Annette Sawade (Künzelsau / Schwäbisch Hall / Gaildorf) betonte zum Ende der Aussprache, dass mit dem Konzept keine höhere Bürokratisierung angestrebt sei. Sie riet, auch die Verschiebung der CO2-Emissionen „ins Private“ in die Analyse aufzunehmen.
Kenntnisnahme
Die Synode nimmt die Berichte zur Kenntnis.
Der von 30 Synodalen vorgelegte Entwurf für ein „Klimaschutzgesetz der Evangelischen Landeskirche“ umfasst insgesamt elf Paragrafen. Er setzt mit einer Präambel ein, die wesentlich theologische Begründungen für ein Engagement innerhalb der Landeskirche für den Klimaschutz in der jetzigen Klimakrise umfasst (§1). In §2 werden Zweck und Anwendungsbereiche des Gesetzes genannt. Das eigentliche Klimaschutzziel ist in § 3 festgelegt; Zitat: „Die Treibhausgasemissionen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg sollen bis zum Jahr 2035, spätestens bis 2040, Klimaneutralität erreichen.“ Der Gesetzentwurf sieht dafür eine „Reduzierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs“ sowie die „Nutzung erneuerbarer Energien und nachwachsender Rohstoffe“ vor. Wie das Ziel erreicht werden soll, erläutert ein Bündel an Maßnahmen in den folgenden Paragrafen: ein kontinuierliches Monitoring des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen (§4), die Entwicklung eines jeweils 5-jährigen Klimaschutzplans (§5), die Förderung klimafreundlicher Heiztechnologie energetische Gebäudesanierung und weiterer Klimaschutzmaßnahmen (§6), eine „Pflicht zur Verwendung erneuerbarer Energien“ (§7) sowie die Bildung von „Klimaschutzfonds“ zur Finanzierung. (§8). §9 beschreibt die diesbezüglichen Pflichten der Kirchen und Kirchenbezirke, §10 die Pflichten der Landeskirche. §11 beinhaltet schließlich das Inkrafttreten des Klimaschutzgesetzes und die Unterschriften der Gesetzesiniatoren und -initiatorinnen.
Aussprache
In kritischen Anfragen wiesen mehrere Synodale auf die mutmaßlich hohe personelle Belastung der Gemeinden hin. Beate Keller (Göppingen / Geislingen) wies darauf hin, dass die Gemeinden durch Corona 30% der ehrenamtlichen Mitarbeiter verloren hätten. Zudem könne bei einer vorzeitigen Priorisierung des Klimaschutzes in der Gemeindearbeit für andere Themen „die Luft ausgehen“. Auch auf eine mögliche hohe finanzielle Belastung gingen mehrere Synodale ein.
Den ökonomischen Befürchtungen setzen andere Synodale entgegen, dass die Investitionen durch Energie- und Abgabeneinsparungen zumindest ausgeglichen werden könnten; auch ein Gewinn, so Prof. Dr. Martina Klärle (Crailsheim / Blaufelden / Weikersheim), sei möglich. Dem Einwand einer möglicherweise hohen Bindung der Gemeinden durch das Thema Klimaschutz trat sie mit der Erfahrung entgegen, dass feste Regularien ermöglichten, sich ganz dem Kerngeschäft zu widmen. Prof. Dr. Martin Plümicke (Reutlingen) wies darauf hin, dass eingespartes Geld für Jugendarbeit oder Gemeindeentwicklung verwendet werden könne.
Betreffs der Personalfrage erinnerte Prof. Dr. Martina Klärle auf die große Zahl an Aktivistinnen und Aktivisten auch im ländlichen Raum hin. Ruth Bauer (Schorndorf / Schwäbisch Gmünd) meinte, dass das Engagement der Grüne-Gockel-Gruppen vor Ort ausreichend sei für die notwendigen Daten-Erhebungen. Eckart Schultz-Berg (Stuttgart) betonte, dass der Aufwand für Erhebungen nicht so hoch sei wie von manchem angenommen; beispielsweise könnten aufgrund vorliegender Rechnungen Verbrauchswerte gesammelt werden.
Schultz-Berg wies auch darauf hin, dass die Nordkirche und die EKBO bereits ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hätten.
Prof. Dr. Martin Plümicke nannte den Gesetzesentwurf einen großen Wurf, mutig und ambitioniert. Er sei ein „Vorbild für die Gesellschaft“. Kirche könne nun auch als zukunftsgerichtet und nicht mehr nur als rückwärtsgewandt wahrgenommen werden. Johannes Söhner (Herrenberg) erinnerte an die Ergebnisse der letzten Shell-Studie und der aktuellen Landtagswahl: Diese hätten gezeigt, dass die Sorge um das Klima für einen Großteil der Bevölkerung ein wichtiges Thema sei.
Mehrere Synodale plädierten dafür, neben dem Ausschuss für Kirche, Gesellschaft, Öffentlichkeit und Bewahrung der Schöpfung auch den Finanzausschuss und andere Ausschüsse auf den Handlungsebenen der Landeskirche in die Beratungen im Rechtsausschuss einzubeziehen.
Beschluss:
Mehrheitlich stimmten die Synodalen für die Verweisung in den Rechtsausschuss.