Stuttgart/Schwäbisch Gmünd. In Schwäbisch Gmünd hat am Montag mit einem Gottesdienst in der Martin-Luther-Kirche die Herbsttagung der Württembergischen Evangelischen Landessynode begonnen. Im Mittelpunkt des ersten Sitzungstages steht der Bericht von Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July, der in diesem Jahr unter dem Thema "Toleranz" steht, das 2013 Jahresthema der EKD-weiten Reformationsdekade ist.
In seinem Bericht definierte Landesbischof July christliche Toleranz: "Glauben und Toleranz – das sind zwei Seiten einer Medaille. Weil ich von Gott getragen bin, kann ich andere ertragen. Wenn Christen sich als von Gott getragen und geliebt erkennen, dann hat dies Folgen – für sie selbst und für andere. Wer sich von Gottes Liebe getragen weiß, der kann Liebe weitergeben, Frieden den Verschiedenen bringen und Toleranz üben."
Die Grenze der Toleranz ist für July klar definiert: "Gewaltaufrufe, welcher Art auch immer, müssen als das demaskiert werden, was sie sind: eine nicht zu duldende Menschenverachtung. Ebenso menschenverachtend ist die Gleichgültigkeit gegenüber der Hungerproblematik auf dieser Welt."
Seinen Bericht gliederte July zu Toleranz in Kirche, in der Gesellschaft und im Blick auf andere Religionen. Im Blick auf rassistische Parolen sagte July: "Wir sind rassistischen und antisemitischen Äußerungen gegenüber intolerant. Trotzdem bemühen wir uns, mit Menschen, die solches denken, im Gespräch zu bleiben. Wir unterscheiden zwischen der Person und ihrer Tat." July verwies auf den Evangelischen Jugendclub Unterland in Heilbronn, der Anlaufstelle für Menschen mit rechtsorientiertem und rechtsradikalem Hintergrund ist. "Es gehört zu den Grundsätzen dieser Arbeit, Menschen nicht auszugrenzen, sondern zu binden und dann eine Veränderung im Denken und Verhalten zu erzielen."
In einem erstmals gehaltenen zweiten Teil des Bischofsberichts kündigte July an, zum Thema "Leben im Pfarrhaus" eine Arbeitsgruppe einzusetzen. "Gesellschaftliche Veränderungsprozesse verändern auch das Bewusstsein von Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie von Kirchenmitgliedern. Fragen wie die der Residenzpflicht, interreligiöse Ehen, verschiedene Partnerschaftsmodelle, das Verhältnis Amtsperson/Privatperson werden neu gestellt. Wir als missionarische Volkskirche haben immer wieder zu prüfen, welche biblischen Gesichtspunkte uns leiten, welche pastoraltheologischen Überlegungen anzustellen sind und welche pragmatischen Vorstellungen wir beachten sollten."
Landesbischof July kündigte einen weiteren Beitrag der Landeskirche in ökologischer Hinsicht an: "Wir stellen uns den ökologischen und energiepolitischen Herausforderungen unserer Zeit und wollen mit unseren Möglichkeiten an Veränderungen mitarbeiten. Deshalb prüfen wir gerade intensiv, inwieweit es möglich ist, in bestimmten kirchlichen landwirtschaftlichen und Forstgebieten, die dafür geeignet sind, Windkraftanlagen aufzustellen. Hierbei werden die Bürger beteiligt."
July begrüßte das Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus der vergangenen Woche zum kirchlichen Arbeitsrecht, das den in Kirche und Diakonie verbreiteten "Dritten Weg" deutlicher bestärkt habe, als viele erwartet hätten. "Die gesamte Debatte über den Dritten Weg entbindet aber nicht die Gesellschaft und die Politik von der Aufgabe, zum Beispiel den Pflegeberufen endlich die angemessene Anerkennung zukommen zu lassen – auch in ökonomischer Hinsicht."
Der württembergische Landesbischof drückte angesichts der Einweihung der neuen Synagoge in Ulm am kommenden Sonntag seine Freude darüber aus, dass in Württemberg jüdisches Leben weiter wächst. "Ich bin dankbar für die guten Verbindungen, die die evangelische Landeskirche zur Israelitischen Religionsgemeinschaft hat. Wir haben aus theologischen und geschichtlichen Gründen eine besondere und bleibende Verantwortung für jüdische Menschen und ihre Institutionen. Dafür stehen wir ein."
Weiter rief July zur Fürbitte für die Menschen in Syrien auf: "In dieser Situation ist es eine Selbstverständlichkeit, auch Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, wenn sie ihr Land verlassen wollen. Besonders sind wir dabei besorgt um die christliche Minderheit. Wir stehen im direkten Kontakt und hören von Zerstörungen, Entführungen und Morden. Lassen wir in unserer Aufmerksamkeit für diesen Konflikt nicht nach!"
Am Montag wurde der 56-jährige Bauingenieur Rolf Wörner aus Freudenstadt als neuer Landessynodaler verpflichtet. Er ist Nachfolger für die ausgeschiedene Synodale Gudrun Theurer. Wörner war 2007 bei den Synodalwahlen angetreten, verfehlte aber im Wahlkreis Freudenstadt/Sulz am Neckar einen Platz im "Kirchenparlament".
In den kommenden Tagen stehen auf der Tagesordnung der 99 Synodalen der Haushalt der Landeskirche, die Ergebnisse der Sinus-Milieu-Studie, die württembergische und badische Landeskirche gemeinsam in Auftrag gegeben haben, sowie die das EKD-Pfarrdienstrecht und Strategische Planung.
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche