„,Lieber Vater im Himmel, zwischen uns bleibt alles beim Alten!’ Ein Satz voller Gottvertrauen, den der württembergische Theologe und Pietist Johann Albrecht Bengel vor vielen Jahren in einer Silvesternacht beim Blick auf den mit Sternen übersäten Nachthimmel gesagt haben soll. Zum bevorstehenden Jahreswechsel wiederhole ich diesen Satz, weil ich uns im Blick auf das neue Jahr 2013 genau dieses Gottvertrauen wünsche: ‚Lieber Vater im Himmel, zwischen uns bleibt alles beim Alten!’
In anderer Hinsicht aber sollte nicht alles beim Alten bleiben. Im Gegenteil: Es gibt in unserer Gesellschaft Dinge, die dringend der Korrektur bedürfen. Dazu gehören zum Beispiel ein Lebensstil, der zu Lasten anderer Teile dieser Welt beziehungsweise künftiger Generationen geht, der immer breiter und tiefer werdende Graben zwischen Arm und Reich sowie extremistisches Reden und Handeln. Wobei sich hinter allen diesen Fehlentwicklungen ein Grundmuster verbirgt, nämlich, dass immer mehr Menschen in erster Linie nur an sich selber und nicht mehr vorrangig an das Gemeinwohl denken.
Vor diesem Hintergrund rufe ich zu einem Jahr der neuen Solidarität in Kirche und Gesellschaft auf: der Solidarität der Ersten mit der Zweiten und der Dritten Welt, der Älteren mit den Jungen, der Starken mit den Schwachen, der Einheimischen mit den vermeintlich Fremden, der Einzelnen mit der Gesellschaft als ganzes, der Gegenwart mit der Zukunft. Wobei Solidarität nie eine Einbahnstraße sein kann und sein darf. Sie gilt immer auch umgekehrt.
Was aber befähigt uns zu dieser neuen Solidarität? Drei Gründe will ich nennen: zum einen, dass es so wie bisher einfach nicht weitergehen darf; zum andern dass eine Welt, bei der nicht alles beim Alten bleibt, eine bessere Welt für viele ist; und schließlich dass genau jenes Gottvertrauen, von dem eingangs die Rede war, es uns ermöglicht, dringend notwendige Korrekturen vorzunehmen, auch wenn diese für viele schmerzlich sind.
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Auch die Jahreslosung 2013 aus dem Hebräerbrief macht ein solches korrigierendes Eingreifen und ein neues Miteinander in Kirche und Gesellschaft möglich. Weil wer seine Zukunft noch vor sich hat, seine Gegenwart nicht verbissen zu verteidigen braucht, sondern die Freiheit besitzt, auch andere Menschen zum Zug und zu ihrem Recht kommen zu lassen.
Ob wir uns mit einem solchen „Jahr der neuen Solidarität“ nicht zu viel vornehmen? Sagen wir es so: Wenn es am 31. Dezember 2013 auch nur ein Stück mehr Miteinander, Geschwisterlichkeit und Gerechtigkeit zu verzeichnen gibt als jetzt, hätte sich der Aufruf hier schon gelohnt. Zwischen Gott und uns aber darf ruhig alles beim Alten bleiben.“
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche