Stuttgart. "Bei Menschenrechten kann es keine Neutralität geben" sagte der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July anläßlich der Herbstsynode in Stuttgart. Die Landeskirche sei in Kontakt mit Christen in betroffenen Ländern und wäge mit ihnen ab, welche öffentlichen Äußerungen am hilfreichsten für Verfolgte seien.
"In immer mehr Staaten werden Menschen wegen ihres Glaubens bedrängt und verfolgt." Das gelte vor allem für Christen, berichtete der für Ökumene und weltweite Kirche zuständige Kirchenrat Klaus Rieth vor der in Stuttgart tagenden Synode der Evangelischen Kirche in Württemberg. Internationale Untersuchungen zeigten, dass für ein knappes Drittel der Weltbevölkerung die Verfolgungssituation aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit zugenommen habe. Derzeit würden Christen in 130, Muslime in 117 Staaten bedrängt und verfolgt.
Für Christen seien die zehn gefährlichsten Länder Nordkorea, Iran, Afghanistan, Saudi-Arabien und Somalia sowie Malediven, Jemen, Irak, Usbekistan und Laos, sagte der Ökumenereferent. Auf einzelne Länder ging er besonders ein. So hätten nach der Ablösung des Mubarak-Regimes in Ägypten die Übergriffe auf die koptische Minderheit eher zugenommen. Immer wieder würden Menschen angegriffen, Gottesdienste gestört und Kirchen verwüstet oder niedergebrannt.
Im Irak sei die Zahl der Christen seit 1991 auf weniger als ein Drittel geschrumpft und die Kirche in ihrer Funktionsfähigkeit gefährdet. Viele Christen seien nach Syrien geflohen und gezwungen, sich aufgrund der dortigen Unruhen mit dem Gedanken vertraut zu machen, erneut fliehen zu müssen.
Dort seien die Repressionen gegen die Kirchen politisch und nicht religiös motiviert, sagte Rieth. Die jungen Leute hätten kaum Perspektiven. 60 Prozent der Bevölkerung sei unter 25 Jahre alt und die Jugendarbeitslosigkeit liege bei 19 Prozent. "Christen genießen in Syrien trotz eines politischen Überwachungsstaates und einer großen muslimischen Mehrheit so viele Freiheiten wie in keinem anderen arabischen Land außer dem Libanon", so der Ökumenereferent. Das führe dazu, dass sich die Menschen in den Kirchenleitungen mit dem Regime solidarisieren. Andere forderten, die Christen vor Ort in ihrer Sehnsucht nach Freiheit zu unterstützen. Die württembergische Landeskirche befinde sich so im Dilemma. Sie helfe den Christen vor Ort finanziell und appelliere an alle Beteiligten, den Konflikt friedlich zu lösen.
In Eritrea säßen bis zu 1.500 Menschen wegen ihres Glaubens in Haft, unter anderem der Patriarch der eritreisch-orthodoxern Kirche Abune Antonios. Er befinde sich derzeit im Hungerstreik und sei schwer erkrankt. Auch in Pakistan gebe es weiterhin Übergriffe auf christliche Kirchen. Christen würden bei der Verteilung von Hilfsgütern benachteiligt und bei der Erstellung von Opferlisten nicht berücksichtigt. Hunderte von Millionen Menschen leiden an fehlender Religionsfreiheit. "Das sollte Anlass für die Kirche sein, ihre Stimme zu erheben für alle, die ihren Glauben nicht in Freiheit entsprechend den internationalen Menschenrechtsverträgen ausüben können"; so Kirchenrat Klaus Rieth.
Oliver Hoesch