Stuttgart/Schwäbisch Gmünd. Ab Montag, 26. November, findet in Schwäbisch Gmünd die Herbsttagung der Württembergischen Evangelischen Landessynode statt. Ein Thema von besonderer Bedeutung ist dabei die Sinus-Milieu-Studie der württembergischen und badischen Landeskirchen. Die ersten Befunde seien „überraschend und sehr erfreulich“, sagte Professor Dr. Heinzpeter Hempelmann, der als Theologe die Studie für die württembergische Landeskirche begleitet, anlässlich einer Pressekonferenz im Vorfeld der Synode am Donnerstag, 22. November, in Stuttgart. „Christliche Überzeugung, Werte und Bindung an die Institution Kirche sind auffallend stark“, so Hempelmann. So stünden evangelische Christen in Baden-Württemberg fest zu ihrer Kirche, drei Viertel von ihnen hätten noch nie über einen Austritt nachgedacht. Vielmehr beteiligten sich sogar 46 Prozent der Mitglieder nach eigener Einschätzung aktiv am kirchlichen Leben. Die evangelische Kirche werde als „lebenslanger geistlicher Wegbegleiter“ sowie als „Gestalter wichtiger Lebensstationen und Lebensübergänge“ gewünscht. Ferner befürworten 94 Prozent der Mitglieder den „Einsatz für den Nächsten als Kernanliegen kirchlicher Arbeit“. Soziologisch seien Evangelische stark in der gesellschaftlichen Mitte und im traditionellen Segment repräsentiert, aber auch in den modernen gehobenen Milieus nicht unterrepräsentiert. Schwach vertreten seien sie jedoch in der modernen und postmodernen Unterschicht sowie in der unteren Mitte. Hempelmann regte unter anderem Schwerpunktbildungen und arbeitsteilige Kooperationen an, um den bisher wenig Erreichten „Andockpunkte“ zu ermöglichen. Es gelte, die eigene Arbeit milieusensibel auszurichten und neben der Frage der Verteilungsgerechtigkeit die Teilhabegerechtigkeit stärker in den Blick zu nehmen.
Ein weiterer wichtiger Beratungspunkt bei der Synode ist der Haushalt für das Jahr 2013. „Die Evangelische Landeskirche in Württemberg ist – Stand heute – wirtschaftlich gut aufgestellt“, sagte der Finanzdezernent der Landeskirche, Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup. So habe die Landeskirche 2011 weiter Reserven aufbauen können. Das werde ihr voraussichtlich auch im laufenden Jahr gelingen, da die Landeskirche von der bis ins dritte Quartal reichenden Aufschwungphase in Deutschland profitiere. Trotzdem dürfe man eine Wahrheit nicht aus dem Blick verlieren: „Es gilt, das Dach bei gutem Wetter zu decken.“ Die Strategie bleibe daher, so Kastrup, Mittel vorsichtig und vorrangig für Restrukturierungen einzusetzen, die Zukunftsfähigkeit sichern. „Ein einfaches Fortsetzen von Bestehendem erscheint nicht angebracht. Ein Verzicht auf das gemeinsam zwischen Oberkirchenrat und Synode abgestimmte Sparpaket steht nicht im Raum.“ Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass über die Jahre die realen Kirchensteuereinnahmen und damit die Kaufkraft der Landeskirche fallen würden und die Kirche von einer sich verschärfenden Finanz- und Staatsschuldenkrise getroffen werden könne.
Kastrup erwartet für das laufende Jahr ein Kirchensteuerwachstum von rund sechs Prozent, für das kommende Jahr jedoch einen leichten Rückgang. Die Ausgleichsrücklagen der Landeskirche wie der Kirchengemeinden seien bis Ende 2011 auf jeweils 208 Millionen Euro angestiegen und lägen damit über dem Zielkorridor. Die Kapitaldeckung bei der Versorgungsstiftung steige weiter an. „Das Vermögen zur Absicherung von Verpflichtungen und Risiken ist kontinuierlich gewachsen und sichert ein nachhaltiges Wirtschaften“, betonte Kastrup. Die Mehrzahl der Sanierungs- und Erweiterungsmaßnahmen im Immobilienbestand werde 2013 abgeschlossen. Der Kredit für den Einkauf in die Evangelische Ruhegehaltskasse werde 2015 planmäßig abgezahlt sein und das Einsparprogramm, das bis 2019 jährlich zehn Millionen Euro bringen soll, werde fortgeführt.
Als inhaltliche Schwerpunkte für die kirchliche Arbeit im kommenden Jahr führte Kastrup für den Bereich der Kirchengemeinden die Unterstützung der Kirchenbezirksreformen an. Außerdem würden die „Springer-Stellen“ verlängert, um die Arbeit in der kirchlichen Verwaltung zu unterstützen. Auch das Projekt „PC im Pfarramt“ werde fortgeführt. Das garantiere allen Pfarrämtern erstmalig eine einheitliche Ausstattung und Betreuung ihrer Informationstechnologie.
Für den Haushalt der Landeskirche, der auf der Synode verabschiedet werden soll, schlagen im kommenden Jahr u. a. die Kirchenwahl sowie die Evangelisation „ProChrist“ in Stuttgart zu Buche. Auch für den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2015 in Stuttgart und das Reformationsjubiläum 2017 gelte es Gelder einzustellen. Daneben seien an Ausgaben vor allem die Kirchenmusik und die Öffentlichkeitsarbeit sowie eine Vielzahl unterschiedlichster Projekte zu nennen, die vom „Geistlichen Leben im Kloster“ über Ganztagesschule und Jugendarbeit bis hin zur Sicherung von Qualitätsstandards in landeskirchlichen Tagungsstätten reiche.
Die Vorsitzende des Finanzausschusses, Inge Schneider, stellte den geplanten Haushalt unter das Motto: „Die Gunst der Stunde nutzen, Aufgaben abarbeiten, in die Zukunft investieren.“ Auf Dauer werde es aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und des bevorstehenden Pfarrermangels nicht möglich sein, alle Kirchenbezirke und Kirchengemeinden zu erhalten. „Deshalb werden wir im nächsten Jahr fünf Millionen Euro zur Verfügung stellen, um freiwillige Zusammenschlüsse von Kirchengemeinden und -bezirken zu unterstützen“, sagte sie. Darüber hinaus wolle der Finanzausschuss unter anderem in die Neukonzeption der offenen Altenarbeit und in die Förderung der Inklusion, also in die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung, investieren. Schneider erwähnte außerdem die geplante Schaffung einer neuen Pfarrstelle zur Ausbildung und Begleitung ehrenamtlicher Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie das Vorhaben, Zustiftungen an die Landeskirchenstiftung zu fördern, und machte auf Lücken im Versorgungsbereich aufmerksam.
Die Präsidentin der Landessynode, Dr. Christel Hausding, nannte als weiteren Schwerpunkt der synodalen Herbsttagung den Bericht von Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July, der das Thema Toleranz aufgreife. Es ist das Jahresthema 2013 der EKD-weiten Reformationsdekade. Die Synode werde es im Frühjahr mit einem Gedenken an die Deportation der Sinti und Roma vor 70 Jahren und im Sommer mit dem Schwerpunkt „Inklusion und diakonische Gemeindeentwicklung“ vertiefen. Darüber hinaus stünden das Pfarrerdienstrecht auf der Tagesordnung sowie die „Strategische Planung“. Deren Ziel sei es, dass Oberkirchenrat und Synode sich auf Ziele und strategische Schritte verständigen, um weg von Einzelprojekten und hin zu einer schlüssigen Gesamtstrategie zu kommen. Zusammenfassend betonte Hausding, dass die in der Milieu-Studie festgestellte Verbundenheit evangelischer Christen in Württemberg mit ihrer Kirche auch an den gut integrierten Gemeinschaften und Verbänden liege, und verwies zudem auf die hohe Akzeptanz der Diakonie.
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche