Stuttgart. Der international renommierte Naturwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker sieht das technische Potenzial, die Ressourcenproduktivität zu verfünffachen, den Wohlstand zu verdoppeln und den Naturverbrauch zu halbieren. Darauf hat er im Vorfeld der UN-Konferenz Rio+20 hingewiesen, die am Mittwoch, 20. Juni, in Rio de Janeiro beginnt. In einem Interview für den Internetauftritt der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (www.elk-wue.de) machte er allerdings gleichzeitig deutlich, dass er die Erfolgsaussichten der Konferenz sehr zurückhaltend einschätzt.
„Schön wäre ein Beschluss, das UN-Umweltprogramm zu einer handlungsfähigen und finanziell gut ausgestatteten UN-Sonderorganisation aufzuwerten. Aber die USA und Kanada blockieren da total“, sagte von Weizsäcker. Die Entwicklungsländer blockierten ihrerseits eine internationale Einigung auf eine „Green Economy“ und der Norden lehne einen Grundsatzbeschluss zur „ökologischen Gerechtigkeit“ ab, der den Menschen in Süd und Nord gleiche Rechte auf Naturnutzung zuspreche. Zudem würden sich die Schwellenländer derzeit so überheblich benehmen wie es lange Zeit der Norden tat. „Was sie interessiert, ist Wachstum und nochmals Wachstum.“
Von Weizsäcker forderte eine Langzeitstrategie, die den Verbrauch von Natur und Energie langsam verteuere. Gleichzeitig sprach er sich dafür aus, „die Kuznetskurve der Umweltbelastung zu durchtunneln“. Diese Kurve, an der sich Schwellen- und Entwicklungsländer derzeit noch orientieren würden, beschreibe die historische Entwicklung bei der Umweltbelastung. Diese beginne mit „arm und sauber“, werde während der Industrialisierung zu „reich und schmutzig“ und später, nach beginnendem Umweltschutz, zu „reich und sauber“. Künftig gelte es, von „arm und sauber“ ohne Umweg nach „reich und sauber“ zu kommen. Ähnliches sei auch bei Klimaschutz und Ressourcenverbrauch notwendig, wo die reichen Länder heute noch die Hauptsünder seien.
Auf die Rolle der Kirchen angesprochen, sagte Ernst Ulrich von Weizsäcker, der von 1997 bis 2005 auch dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages angehörte: „Beim Weltkirchenrat ist der Gedanke der weltweiten ökologischen Gerechtigkeit eine Selbstverständlichkeit. Aber die Mitgliedskirchen haben mit so etwas wenig Resonanz zu Hause.“ Dort ende ihre gesellschaftlich zugestandene Rolle häufig bei Seelsorge und sozialen Diensten. Damit aber müsse man sich nicht zufrieden geben. „Ein Engagement zur Abwendung der so genannten Weltenbrände scheint mir sogar sittlich geboten.“
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche