Stuttgart/Bad Boll. "Menschenrechte sind unteilbar und universal. Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Würde zu. Diese Würde kann man einem Menschen niemals absprechen." Das bekräftigt der württembergische Landesbischof Frank Otfried July. Bei der Tagung "Europäische Kirchen und Menschenrechte. Protestanten, Orthodoxe und Katholiken im Dialog" in der Evangelischen Akademie Bad Boll führte er am Samstag, 10. Dezember, aus: "Christen wissen: Gott hat uns bei unserem Namen gerufen und jedem einzelnen Geschöpf seine eigene Würde zugesprochen. Das befreit. Auch zum Handeln." Es gehöre zur Bürger- und Christenpflicht, sich für die Menschenrechte einzusetzen. Ihre Wurzeln reichten zurück bis zu den Kirchenvätern und deren Verteidigung des christlichen Glaubens gegen die Verfolgung.
Mit dieser Klarstellung reagierte July auf ein Papier, in dem die russisch-orthodoxe Kirche vor wenigen Jahren ihre Grundsätze zu den Menschenrechten dargelegt hatte und das seitdem für Diskussionen sorgt. Darin spricht sie von einer erst noch zu erringenden Würde des Menschen, akzeptiert indirekt die Todesstrafe und erklärt unter anderem: "Die Menschenrechte dürfen der Liebe zum Vaterland und zum Nächsten nicht widersprechen."
Für gefährlich hält der württembergische Landesbischof und Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes die Relativierung der Menschenrechte auch deshalb, weil viele Kirchen Minderheitenkirchen sind. Christen müssten für ihre Glaubensüberzeugungen oft große Benachteiligungen, Hass, Leid und die Gefährdung ihres Lebens hinnehmen. Er betonte: "Für sie ist der Schutz der Menschenrechte - und damit auch der Glaubens- und Gewissensfreiheit - eine Frage des Überlebens."
July räumte gleichzeitig ein, dass auch die evangelische Kirche in der Vergangenheit Schuld auf sich geladen habe, weil sie dem Schutz der Menschenwürde und der Menschenrechte oft wenig Beachtung geschenkt habe. "Aber gerade weil das so ist, fühlen wir uns verpflichtet, uns heute umso mehr für die Menschenrechte einzusetzen." Er verstehe dies als eine wichtige, gemeinsame Aufgabe der Kirchen, sagte July weiter. Die Kirchen würden sich aber nur dann glaubwürdig für verfolgte Christen einsetzen können, wenn sie gleichzeitig auch für die Glaubens- und Gewissenfreiheit aller Menschen einträten.
Oliver Hoesch