Bad Urach/Münsingen. Die Fusion zweier Kirchenbezirke ist in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ein bisher einmaliges Ereignis. Entsprechend groß wird es am kommenden Sonntag, 12. Januar, gefeiert: Um 15 Uhr predigt in der Bad Uracher Amanduskirche Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July im Festgottesdienst anlässlich des Zusammenschlusses der Kirchenbezirke Bad Urach und Münsingen. Zum neuen Kirchenbezirk Bad Urach-Münsingen gehören rund 61.000 evangelische Christinnen und Christen.
„Was die Verantwortlichen in den beiden Kirchenbezirken geleistet haben, nötigt mir großen Respekt ab“, lobt Landesbischof July. „Dieser Zusammenschluss ist ein Pilotprojekt in unserer Landeskirche.“ Der Fusion vorausgegangen waren jahrelange Beratungen, die im Jahr 2012 „plötzlich rasant Fahrt aufgenommen haben“, berichtet der Münsinger Dekan Michael Scheiberg, der jetzt Geschäftsführender Dekan des neuen Kirchenbezirks ist. Bereits seit den 1990er Jahren hätten sich die führenden haupt- und ehrenamtlichen Repräsentanten aller drei Kirchenbezirke im Landkreis Reutlingen in einer „Arbeitsgemeinschaft Kirchenregion“ regelmäßig getroffen. Dort habe man erfolgreiche Kooperationsprojekte auf den Weg gebracht wie 2002 den gemeinsamen Diakonieverband Reutlingen, 2007 das für alle drei Kirchenbezirke zuständige Verwaltungs-Dienstleistungszentrum sowie 2009 den gemeinsamen Schuldekans-Bezirk. Nachdem der Landesbischof vor der Landessynode erklärt habe, ein Kirchenbezirk solle idealerweise zwischen 30.000 und 80.000 Gemeindeglieder umfassen, habe man in der „Arbeitsgemeinschaft Kirchenregion“ im Februar 2011 mit Oberkirchenrat Hans-Peter Duncker erstmals die Chancen einer Strukturveränderung ausgelotet.
„Ich stand damals noch auf der Bremse“, gesteht Scheiberg. „Denn ich war in Münsingen als Dekan gewählt worden mit dem Anliegen, den Kirchenbezirk zu erhalten.“ Bei weiteren Gesprächen im Oberkirchenrat im Jahr 2012 sei ihm aber deutlich geworden: „Das Wohl des Kirchenbezirks hängt nicht an seinen Grenzen, sondern an seinen Gemeinden.“ Als wesentliches Argument für den Zusammenschluss in einer größeren Einheit erwiesen sich die Overhead-Kosten, also die so genannte Bezirksumlage. Mit zuletzt mehr als 27 Euro Bezirksumlage pro Gemeindeglied hatte der Bezirk Münsingen an zweiter Stelle aller württembergischen Kirchenbezirke gelegen. Im Bezirk Bad Urach mussten die Gemeinden dagegen nur rund 20 Euro pro Gemeindeglied an den Kirchenbezirk abführen. „Mittelfristig hätte das unseren Gemeinden jeglichen finanziellen Spielraum genommen“, erkannte Dekan Scheiberg. Im vereinigten Kirchenbezirk Bad Urach-Münsingen hat man sich mittlerweile auf eine gemeinsame Bezirksumlage von 22 Euro geeinigt, ohne dabei aber Bezirksdienste einzuschränken. „Die Fusion ist in keiner Weise mit Einsparungen verbunden“, betont Scheiberg. Die Landeskirche habe sogar eine Sonderzuweisung in Höhe von 640.000 Euro zur Verfügung gestellt, die in die Umsetzung der Fusion und den Ausbau zukunftsfähiger Strukturen investiert werden könne.
Eine Fusion aller drei Bezirke im Landkreis Reutlingen hätte mit mehr als 120.000 Gemeindegliedern eine zu große Einheit ergeben. Deshalb habe man sich 2012 entschlossen, auf eine Zweier-Fusion zuzugehen, so Scheiberg. Dann ging alles ganz schnell: Schon im Oktober 2012 signalisierte die Bad Uracher Bezirkssynode ihre grundsätzliche Zustimmung – noch bevor Dekan Scheiberg seine Münsinger Bezirkssynode überhaupt offiziell informieren konnte. In der paritätisch besetzten Arbeitsgruppe, die das Vertragswerk ausgearbeitet habe, sei aber von vornherein klar gewesen: „Hier will keiner den anderen über den Tisch ziehen.“ So konnten die Dekane und die gewählten Vorsitzenden der beiden Bezirkssynoden ihren Gremien guten Gewissens die Zustimmung zur Fusion empfehlen, die dann in Münsingen am 1. Februar 2013 und in Bad Urach am 26. April 2013 jeweils von einer großen Mehrheit befürwortet wurde.
Die beiden Teilgebiete des neuen Kirchenbezirks behalten auch künftig jeweils ihren Dekan am gewohnten Ort. Der Nachfolger oder die Nachfolgerin des im Dezember 2013 in den Ruhestand verabschiedeten Bad Uracher Dekans Harald Klingler wird voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2014 gewählt. Er oder sie soll zunächst nur für Visitationen im Ermstal zuständig sein und erst 2016 die Geschäftsführung sowie den Vorsitz in der Bezirkssynode und im Kirchenbezirksausschuss übernehmen, wenn Dekan Scheiberg in den Ruhestand geht. Dessen Nachfolger oder Nachfolgerin ist dann für die Visitationen auf der Alb zuständig.
Dekan Scheiberg geht in den Festgottesdienst am Sonntag „mit Mut, Gottvertrauen und großer Vorfreude“. Und Landesbischof July zeigt sich überzeugt: „Alles hat seine Zeit: In den Kirchenbezirken gab es eine Zeit gründlicher Verhandlungen und komplexer Planungen – jetzt ist die Zeit zum Feiern mit dem Gottesdienst am Sonntag. Und dann ist es Zeit, den neuen Kirchenbezirk zu leben.“
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche
Pfarrer Peter Steinle
Medienbeauftragter der Prälatur Reutlingen
Der Festgottesdienst zur Fusion der beiden Kirchenbezirke Bad Urach und Münsingen beginnt am Sonntag, 12. Januar, um 15 Uhr in der Amanduskirche in Bad Urach. Neben der Predigt von Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July gibt es Grußworte von Oberkirchenrat Hans-Peter Duncker und Landrat Thomas Reumann. Liturgisch beteiligt sind unter anderem der frühere Bad Uracher Dekan Harald Klingler sowie Dekan Michael Scheiberg, Münsingen. Die musikalische Gestaltung übernehmen Sängerinnen und Sänger sowie Instrumentalisten aus den beiden bisher selbständigen Kirchenbezirken. Im Anschluss an den Gottesdienst findet ein Empfang im benachbarten Stift Urach statt.