Zum bevorstehenden Jahreswechsel und zum neuen Jahr 2015 schreibt Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July:
„Wie jedes Jahr wird uns ein biblisches Wort geschenkt, das uns wie ein Kompass oder Wegweiser durch die kommenden Monate führen möchte. Für 2015 trägt diese Jahreslosung einen besonderen Anspruch an uns heran: ‚Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob‘ (Römer 15,7). Es geht dabei nicht allein um eine moralische Anweisung, sondern darum, Gottes Zuspruch und seine Wirklichkeit wahrzunehmen und zu loben. Und diese Wirklichkeit in unserer Gegenwart und in unserem Handeln zu bezeugen. Das heißt konkret: Wenn ich selbst angenommen bin, kann ich auch andere annehmen. Ich muss mich nicht um jeden Preis verkämpfen, sondern ich kann Brücken bauen. Helfen, dass Gespräche entstehen, wo bislang das Schweigen regiert. Dem Leben dienen, wo der Tod seine Macht entfalten will. So wünsche ich es mir an den vielen Stellen auf der Erde, wo Gewalt und Krieg herrschen.
Leider sind die Androhung von Gewalt und der Gewalteinsatz selbst wieder zum Mittel der Politik in Europa geworden. Eine neue Militärdoktrin in Russland, die Aufstellung schneller NATO-Einheiten, das Brechen internationaler Übereinkommen und wirtschaftliche ebenso wie politische Gegenmaßnahmen führen in einen Teufelskreis ständig wachsender Verfeindung. Die Kirchen Europas sollten in dieser Konflikt- und Gewaltsituation ihre Kontakte und Netzwerke im Rahmen ihrer Möglichkeiten noch stärker nutzen, um Gesprächsforen und Vermittlungstische anzubieten. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg mit ihren vielen internationalen Verbindungen ist bereit, einen Beitrag zu leisten.
Wir schauen im neuen Jahr 2015 besonders auf den Deutschen Evangelischen Kirchentag. Vom 3. bis 7. Juni geht es in Stuttgart um die Klugheit und die Weisheit unseres Herzens. Das Motto lautet: ‚damit wir klug werden.‘ (Psalm 90,12) Auch hier sind besondere Begegnungsmöglichkeiten von Verschiedenen und Verfeindeten möglich. Der Kirchentag kann neue Perspektiven in den vielen Lebens- und Themenbereichen eröffnen: in der ganz persönlichen Lebensgestaltung, in der Wirtschaft, in der Politik, beim Umweltschutz und beim Umgang mit den Menschen, die bei uns Asyl suchen und Heimstatt auf der Flucht.
Einander annehmen, das heißt auch Gespräche mit denen zu führen, die andere dezidiert nicht annehmen und aufnehmen wollen. Hier die Gesprächsbereitschaft der Jahreslosung zur Geltung zu bringen, ist eine besondere Herausforderung.
Unser Jahreswort für 2015 steht quer zu unseren Gefühlen, politischen Analysen und den Gewalt- und Fluchtbildern dieser Welt. Aber es ist klüger und verheißungsvoller als alles, was wir uns selbst sagen können. So wollen wir auch 2015 Gott loben. Dann verwirklicht sich Gottes Wunsch an uns. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns ein gesegnetes Jahr 2015: ‚Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.’"
Ihr Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July
Kirchenrat Dan Peter
In Vertretung von Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche