08.07.2017

July: „Verurteilen Gewaltexzesse in Hamburg“

Sommertagung der Landessynode in Reutlingen zu Ende gegangen

Reutlingen/Stuttgart. Am Samstag, 8. Juli ist die Sommertagung der Württembergischen Evangelischen Landessynode zu Ende gegangen. Seit Donnerstag hatten die 98 Landessynodalen unter anderem über Finanzen, Kirchengesetze, eine Stellungnahme zum Sexkaufverbot beraten und beschlossen. Am Freitag hielt Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein Referat zur aktuellen Bedeutung von Luthers Rechtfertigungslehre. Am Samstag diskutierte die Landessynode anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg über Partnerschaften mit Afrika. In seinem Schlusswort verurteilte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July die Gewalt beim G20-Gipfel in Hamburg: „Ohne wenn und aber verurteilen wir die Gewaltexzesse beim G20-Gipfel in Hamburg. Es ist schlimm, dass nicht friedlicher Protest und kritische Nachdenklichkeit über Fehlentwicklungen in den G20 das Bild bestimmen, sondern die Gewaltorgien marodierender schwarzer Banden, die plündern und brennen.“

In der Aktuellen Stunde zu Partnerschaften mit Afrika zeigte sich auch Synoden-Vizepräsident Werner Stepanek, erschüttert: „Es scheint nicht mehr selbstverständlich möglich zu sein, gegensätzliche Positionen verbal auszutauschen, wie die Szenen purer Gewalt in Hamburg zeigen. Das ist nicht der Umgang, den wir pflegen, dagegen wollen wir als Kirche mit unserer Diskussionskultur ein deutliches ein Zeichen setzen.“ Die württembergische Landeskirche unterstütze Projekte in Afrika, hauptsächlich im Bildungsbereich, aber auch zur Unterstützung von Kirchen mit rund 1,2 Millionen Euro im Jahr, wie Kirchenrat Klaus Rieth berichtete, dazu kämen zahlreiche Partnerschaften und Projekte der Gemeinden und Kirchenbezirke mit Gemeinden in Afrika. Neben Besuchen in Partnergemeinden sei es möglich, Delegationen der Partner hier mit Politik und Hochschulen in Verbindung zu bringen, so dass weiteres Verständnis und auch weitere Projekte daraus erwachsen, wie Dekan Werner Trick aus der Praxis berichtete. Auch die politischen Rahmenbedingungen seien zu verändern, beispielsweise die  Handelsbedingungen mit der EU seien fair zu gestalten, zum Beispiel im Blick auf EU-Exporte von Geflügel nach Afrika. Unterstützung, um Perspektiven auch für junge Menschen zu schaffen, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachten, sollten auch durch kirchliche Partnerschaften weiter vorangetrieben werden, so der Tenor der Diskussion.

Außerdem wählten die Synodalen am Samstag Pfarrer Johannes Eißler aus Eningen zum zweiten stellvertretenden Synodenpräsidenten. Er übernimmt das Amt von Dekan Wilfried Braun, der es zum Ende der Sommersynode niedergelegt hatte.

Bereits am Donnerstag beschlossen die Synodalen den zweiten Nachtragshaushalt 2017 sowie eine Stellungnahme zum Thema „Sexkauf“.

Darin fordert die Landeskirche, das zu Monatsbeginn in Kraft getretene Gesetz zur Prostitution erneut zu überarbeiten. Dabei sollen Freierbestrafung und Prostituiertenschutz leitend sein, wie es beispielsweise seit 1998 in Schweden geregelt ist. Dort ist der Kauf von Sexdienstleistungen unter Strafe gestellt. Somit können Käufer/Freier strafrechtlich verfolgt werden, aber nicht die Prostituierten. Dadurch habe sich die Prostitution halbiert, so die Vorsitzende des Synoden-Ausschusses für Kirche, Gesellschaft und Öffentlichkeit, Franziska Stocker-Schwarz. Die Landeskirche selber wird bestehende Hilfsmöglichkeiten verstärken und ausbauen, „damit die Frauen Hilfe erfahren können, die als Opfer von Menschenhandel in unserem Land leben und unter den Folgen der bestehenden Gesetzgebung leiden.“ Die Erklärung der Landessynode finden Sie hier.

Mit mehr als zehn Millionen Euro habe der zweite Nachtragshaushalt 2017 „ein sehr ordentliches Volumen“, so Finanzdezernent Dr. Martin Kastrup. „Es werden im laufenden Jahr aber nur gut 2,4 Millionen davon benötigt.“ Der „Rest“ der Gelder entfällt auf längerfristige Projekte, die 2017 beginnen und deren Kosten in den Folgejahren mit im Nachtrag eingerechnet wurden. So schlagen im Nachtrag etwa die Stuttgarter Asylpfarrstelle mit 25.500 Euro und ein Budgetzuschlag zum Bibelmuseum mit 175.000 Euro zu Buche. Knapp 700.000 Euro sind für die Verlängerung der Projektstelle „Innovatives Handeln und Neue Aufbrüche“ bis zum Jahr 2022 vorgesehen, die innovative Konzepte in Kirchengemeinden und neugegründete Projekte begleitet. 250.000 Euro fallen bis 2021 für ein Projekt der Ausländerseelsorge an. In die Flüchtlingsarbeit der Gemeinden anderer Sprache und Herkunft sollen einschließlich des nächsten Jahres 200.000 Euro fließen. Das Projekt „Kirche trotzt Armut und Ausgrenzung“ wird bis zum Jahr 2020 vermutlich 990.000 Euro kosten. Den Rest machen Bau- und Sanierungskosten aus.

Außerdem will die Landeskirche den Notlagenfonds zur Unterstützung werdender Eltern von 80.000 auf 150.000 Euro im Jahr nahezu verdoppeln. Wie der Vorsitzende des Ausschusses für Diakonie, Markus Mörike, der Synode berichtete, bestehe bei manchen Schwangeren die Angst, die angespannte oder prekäre Lebenslage könne aus Geldmangel oder Überschuldung entgleisen. Eingesetzt wird das Geld für Baby- und Kleinkindbedarf, Möbel und Haushaltsgeräte, Renovierung oder Umzug sowie für Entschuldungen.

In seiner Rede zum Schwerpunkttag der Landessynode zur Aktualität der lutherischen Rechtfertigungslehre hob Ministerpräsident Kretschmann am Freitag die Bedeutung der Reformation für politisches und persönliches Handeln hervor. Er verwies auf Luthers reformatorische Entdeckung, dass nicht der Mensch durch seine guten Werke gerechtfertigt sei, „sondern ohne Gegenleistung, völlig unverdient“. Dies sei aber ein „völlig anderes Rechts- und Gerechtigkeitsverständnis, als wir es sonst kennen“. Eine Konsequenz daraus sollte nach Ansicht des Ministerpräsidenten der Einsatz für die Freiheit aller Menschen sein. „Wenn schon meine Werke nicht zur Rechtfertigung führen, so muss wenigstens meine Rechtfertigung zu Werken führen“, sagte er. „Ob im politischen Amt, im kirchlichen Dienst oder im privaten Alltag: Das gilt für uns alle, jeden Tag.“

Zwar habe eine Übertragbarkeit der Rechtfertigungslehre auf das politische System und unsere Gesellschaft Grenzen, Rechtfertigung spiele aber auch im politischen Alltag eine Rolle, so müsse sich politisches Handeln vor dem Wähler rechtfertigen. „Zudem ist es an Recht und Gesetz gebunden. Und schließlich ist der Mensch von Gott mit Vernunft und Freiheit begabt, eine Freiheit, die zur Verantwortung verpflichtet. Diese Verantwortung bedeutet, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, an die Folgen des eigenen Handelns zu denken und dann auch Rechenschaft abzulegen über das eigene Tun.“

Kretschmann sprach auch die Kritik an seiner Entscheidung an, Abschiebungen nach Afghanistan nicht zu stoppen. Weil er als Ministerpräsident an geltendes Recht, damit die Entscheidung des Bundes und Gerichtsurteile gebunden sei, könne er nicht beliebig über den Vollzug einer Abschiebung befinden, unabhängig von seiner persönlichen Meinung. „Wenn ich aber eine Änderung der Rechtslage nicht herbeiführen kann, dieser Rechtslage aus Gewissensgründen aber auch nicht folgen kann, muss ich mein Amt zur Verfügung stellen, kann aber nicht einfach das Gesetz ignorieren.“

Zuvor hatte der Tübinger Theologe Professor Dr. Christoph Schwöbel Luthers Rechtfertigungslehre als nach wie vor aktuell bezeichnet. Die Menschen heute stünden unter einem permanenten „Rechtfertigungsdruck“ und müssten sich vor einer Vielzahl „Tribunalen“ rechtfertigen. Im Gegensatz dazu sage Luthers Lehre von der Rechtfertigung, dass Gott dem Menschen seine eigene Gerechtigkeit schenke. Er könne und müsse sich seine Gerechtigkeit nicht mit eigener Anstrengung verdienen, so Schwöbel.

Die nächste Tagung der Landeskirche findet vom 27. bis 30. November im Hospitalhof in Stuttgart statt. Bei der Herbsttagung steht traditionell der Beschluss des Haushalts für das Folgejahr auf der Tagesordnung. Außerdem wollen die Synodalen dann über das Thema Segnung gleichgeschlechtlicher Paare diskutieren.

Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche

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