Stuttgart/Balingen. Mit einem Zwischenbericht über die derzeit laufende Milieustudie der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, an der sich auch die badische Landeskirche beteiligt, ist am Samstag die Sommertagung der Württembergischen Evangelischen Landessynode in Balingen zu Ende gegangen. Die Studie zeigt unter anderem, dass Kirchenmitgliedschaft und Nähe zur Kirche offenbar nicht direkt zusammenhängen. Demnach beteiligten sich auch Nichtmitglieder in den Gemeinden vor Ort. Auch Kirchenaustritte korrelieren nicht unbedingt mit Kirchenferne. "Es gibt sogar Hinweise, dass sich Ausgetretene einen Kontakt mit der Kirche wünschen, die sie verlassen haben" sagt Theologieprofessor Heinzpeter Hempelmann, der die Studie für die Landeskirche begleitet. Bisher geführte Telefoninterviews hätten ergeben, dass sich viele Menschen ihrer Kirche sehr verbunden fühlen, selbst wenn sie selten Gottesdienste besuchten. Die Milieustudie entsteht in Kooperation mit dem Sinus-Institut in Heidelberg und soll zur Herbstsynode im November fertiggestellt sein, parallel dazu werden konkrete Handlungsvorschläge erarbeitet.
Außerdem beriet die Synode über Regelungen für unterschiedliche Gemeindeformen und wie sich eine größere Vielfalt kirchenrechtlich ermöglichen lasse. Dabei geht es um Gemeinden, die im Unterschied zur normalen Ortskirchengemeinde keine Körperschaften des öffentlichen Rechts, aber dennoch eigene Einheiten sind mit eigener Verantwortung für Gottesdienste und andere Aktivitäten.
Am Freitag hatte die Landessynode darüber diskutiert, wie und wo sie im Blick auf aktuelle Entwicklungen und die Zukunft der Landeskirche Schwerpunkte setzen will. In einem Impulsreferat zum Thema "Was ist evangelisch?" sagte der Theologe Paolo Ricca (Rom): "Es lohnt sich, evangelisch zu sein. Das können große, wichtige Kirchen von kleinen Kirchen in der Diaspora lernen." Der emeritierter Professor der Theologischen Fakultät der Waldenser sagte, in einer säkularisierten Gesellschaft, die den Menschen zum alleinigen Masstab mache, sei das reformatorische "Solus Christus" (Christus allein) das evangelische Merkmal schlechthin. "Wir haben nichts anzubieten als Jesus Christus - mit ihm aber bieten wir alles an. Christus allein reicht, weil in ihm uns alles gegeben ist."
Zuvor hatte eine Theaterperformance den Schwerpunkttag eröffnet. David Friedrich Strauß, Margarete Brenz (Ehefrau des Haller Reformators), Ludwig Hofacker, Gertrud Mörike und weitere profilierte Württemberger aus der Vergangenheit, dargestellt von Tübinger Studenten unter der Leitung des Reutlingers Regisseurs Enrico Urbanek, zogen die Linie von ihrer historischen Situation als profilierte Evangelische in die Gegenwart.
Dekan Volker Teich, Vorsitzender des Sonderausschusses "Evangelisch in Württemberg" sagte, die zehn Personen aus der württembergischen Kirchengeschichte "sollen Identität stiften, Staunen über die Vielfalt dessen, was Gott dieser Kirche geschenkt hat, aber auch ein Nachdenken über Irrwege". Er wünsche sich als Perspektive 2030 eine "missionarische Volkskirche." In zehn Arbeitsgruppen diskutierten die 95 Synodalen über Zukunftsperspektiven.
Den Tag beschloss ein vom Kirchenbezirk gestalteter Abend der Begegnung rund um die künstlerisch beleuchtete Balinger Stadtkirche.
Am Donnerstag war die Synode mit einem Gottesdienst in der Balinger Stadtkirche eröffnet worden. Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July sagte in seiner Predigt, Christen seien begnadigte Sünder, „sie können einander auf Augenhöhe begegnen, müssen nicht aneinander vorbeischauen, voreinander die Augen senken oder den Blick abwenden. ‚Evangelisch in Württemberg’ soll etwas von diesem freien Blickwechsel haben.“ Nach Eröffnung der Sitzung durch Synodalpräsidentin Dr. Christel Hausding stimmte die Synode mit großer Mehrheit dafür, den Tagesordnungspunkt "Mittelfristige Finanzplanung 2012 bis 2016" von der Tagesordnung zu nehmen, da die Synodalen die dazu notwendigen Unterlagen nicht rechtzeitig vom Oberkirchenrat erhalten hatten.
Der Balinger Oberbürgermeister Helmut Reitemann, Landrat und MdL Günther Martin Pauli sowie der Balinger römisch-katholischen Dekan Anton Bock richteten Grußworte an die Synode, die bereits zum zweiten Mal in Balingen tagte.
Pfarrer Dr. Alexander A. Fischer, Theologischer Geschäftsführer der Deutschen Bibelgesellschaft (DBG), berichtete über das Unternehmen, das in diesem Jahr sein 200jähriges Jubiläum feiert. Außerdem beriet die Synode über die vom Oberkirchenrat vorgelegte Stellenplanung für Religionspädagoginnen und Religionspädagogen. Weil die Schülerzahl langfristig sinken werde, wird sich auch die Zahl der Religionspädagogen reduzieren.
Ausführlich diskutierte die Synode das Diakonat. Sie beauftragte den Oberkirchenrat, strukturelle und inhaltliche Verbesserungen für die rund 1.000 Diakoninnen und Diakone zu bewerkstelligen, zum Beispiel im Hinblick auf die Anstellungsverhältnisse.
Außerdem verlängerte die Synode mit ihrer Zustimmung zum "Kirchlichen Gesetz zur Änderung des Strukturerprobungsgesetzes" die Möglichkeit, befristet von geltendem Recht abzuweichen um zum Beispiel neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Kirchengemeinden und -bezirken zu erproben, die ehrenamtliche Arbeit zu fördern und die ortsnahe Verantwortung zu stärken.