Stuttgart. Bei einem ökumenischen Gottesdienst aus Anlass des Beginns des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren haben am heutigen Montag, 4. August, in der Stuttgarter Stiftskirche der evangelische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July und der katholische Bischof Dr. Gebhard Fürst über Worte aus dem Alten bzw. aus dem Neuen Testament gepredigt. Während July Micha 4,1-4 mit dem Bild von den Schwertern, die zu Pflugscharen werden, als Grundlage hatte, legte Fürst Matthäus 5,1-10 und damit die Seligpreisungen Jesu aus. Im Folgenden die wichtigsten Aussagen:
„Hören wir nicht auf, gegen die Gewalt und den Tod in dieser Welt zu protestieren, wo immer diese ihr Unwesen treiben. Und beten wir“, sagte July. Es sei nicht wahr, dass Kanonen mehr vermögen als Worte und Gedanken.
Der evangelische Landesbischof erinnerte an die Opfer des über der Ukraine abgeschossenen Flugzeugs und ihre Angehörigen. „Wir müssen den für diese sinnlose Grausamkeit Verantwortlichen unsere ganze Abscheu zeigen. Das kann auch vor Präsidentenstühlen nicht Halt machen.“ An die Verantwortlichen des Krieges zwischen Israel und der Hamas im Gaza-Streifen appellierte er: „Hört auf mit diesem Krieg! Er führt immer nur weiter weg vom Ziel eines friedlichen Zusammenlebens.“ Er fühle sich mit Israel herzlich verbunden und verstehe und akzeptiere, dass es sich schützen müsse gegen den Raketenterror der Hamas. Aber er sehe auch die vielen Toten im Gaza-Streifen. „Solche Opfer dürfen um Gottes Willen nicht sein!“
July erinnerte daran, dass der Teufelskreis aus Gewalt, Vertreibung und Tod durch Waffen aus Deutschland beschleunigt werde. Das treffe auch besonders viele Christen im Nahen Osten. „Wir wollen eine Friedens- und keine Waffenschmiede sein“, erklärte er und sprach sich für eine deutliche Aufstockung der Gelder für zivile Friedensprojekte und -strukturen aus. „Wer nicht einmal zu fragen wagt, wird auch keine Antwort darauf finden, wie die biblische Prophezeiung von den Schwertern, die zu Pflugscharen werden sollen, wenigstens zeichenhaft in unserer Welt aufleuchten kann“, so July.
Bischof Gebhard Fürst bezeichnete in seiner Ansprache den Ersten Weltkrieg als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, die unweigerlich die Frage aufdränge: „Wo war Gott? Leidet er nicht mit an dem Leid, das Menschen einander zugefügt haben?“
Christus der Auferstandene sei derjenige, der mit uns leide, „unser Schmerz ist sein Schmerz“, sagte Fürst. „Der Mitleidende und Mitsterbende ist Grund und Mahnung zugleich, dass religiöse Überzeugungen niemals für kriegerische Auseinandersetzungen missbraucht werden dürfen. Das ist das große Schuldeingeständnis, das wir als Christen heute erbringen müssen, wenn 1914 Bischöfe, Geistliche und Gläubige in großer Zahl den Krieg als moralische und geistige Erneuerung begrüßten.“
Der Rottenburger Oberhirte forderte dazu auf, den Leidenden am Kreuz als Appell zu betrachten – „insbesondere in diesen Tagen und Wochen, in denen Konflikte ihre schwarzen Schatten über die Welt werfen: in der Ukraine, in Syrien, im Irak, im Jemen, in Libyen, in Nigeria und erneut in Israel und Palästina“. Der Erste Weltkrieg lehre uns, die aktuelle Lage wachsam zu beobachten. „Seid wachsam“, sei der Appell an die Politik, alle Möglichkeiten auszuschöpfen und eine friedliche Deeskalation voranzutreiben. „Wachsam sein heißt, Rüstungsexporte in Krisen- und Konfliktgebiete zu unterbinden und die unbeteiligte Zivilbevölkerung zu schützen“, sagte Bischof Gebhard Fürst.
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche