25.01.2019

„Stein für Stein, Bit für Bit“

Zeitgemäße Wege der Kommunikation im Kirchenbezirk Waiblingen

Die Projektgruppe Digitalisierung im Evangelischen Oberkirchenrat treibt das Thema Digitalisierung voran und unterstützt innovative Projekte. Über die Webseite der Evangelischen Landeskirche können kreative Ideen eingereicht werden, die im Idealfall unterstützt und gefördert werden. So wie das Projekt „Online-Kirche im Kirchenbezirk Waiblingen“. Jonas Dietz, Referent für Neue Medien im Dekanat Waiblingen, berichtet über das Vorhaben.

Jonas Dietz, Referent für Neue Medien im Dekanat Waiblingen

Bruch mit der Tradition?

Der Kirchenbezirk Waiblingen macht sich verstärkt auf den Weg in den digitalen Raum. Was bedeutet das eigentlich? Und wozu das Ganze? Kann die Kirche als altehrwürdige Institution nicht einfach weitermachen wie bisher? Muss die Kirche jetzt auch noch diesem Trend folgen und auf den Online-Zug aufspringen? Für uns stehen die Antworten fest: NEIN, wir können und wollen nicht ausschließlich weitermachen wie bisher. Und JA, wir springen sehr gerne auf diesen Zug auf, denn das Internet mit all seinen verschiedenen Möglichkeiten lediglich als Trend zu bezeichnen, geht an der Realität vorbei – und das nicht erst seit gestern. Das führt uns zu den zwei Grundgedanken, die uns beim Start in unser Vorhaben „Online-Kirche im Kirchenbezirk Waiblingen“ begleiten:

  • Kirche sollte den Menschen dort begegnen, wo sie sich im Alltag aufhalten.
  • Zu diesen Aufenthaltsorten gehört seit geraumer Zeit selbstverständlich auch der digitale Raum. Das Internet ist als Informationsquelle, Begegnungsort und Kommunikationsweg nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Diese Entwicklung wird sich auch künftig nicht mehr umkehren.

Deshalb sollen die vielfältigen Möglichkeiten des Internets in den aktuellen und künftigen Erscheinungsformen (z.B. Homepage, Social Networks,  Social Sharing u.v.m.) verstärkt genutzt werden, um unmittelbar und auf Augenhöhe sowohl mit aktiven Kirchenmitgliedern als auch mit Menschen, die den Anschluss an die Kirche und die Gemeinden im hektischen Alltag verloren haben, zu kommunizieren und sie noch besser zu informieren. Kurzum: der digitale Raum soll als Kirchenraum ausgelotet werden – welche Bedürfnisse und Wünsche haben unsere Mitmenschen in Bezug auf ihre Kirchen und Gemeinden? Wie können wir diesen Wünschen in Form von neuen, oder an das digitale Umfeld angepassten, Formen entgegenkommen? Welche Platt- und Kommunikationsformen sind hierfür geeignet?

Diese und weitere Fragen beschäftigen uns nicht nur in der Anfangszeit, sondern auch kontinuierlich in der Zukunft. Der Status „jetzt haben wir es geschafft“ darf uns nicht in den Sinn kommen, ein entspanntes Zurücklehnen nicht stattfinden. Die Gesellschaft und natürlich auch das technologische Umfeld sind im steten Wandel. Dies bedeutet, dass wir ebenso kontinuierlich zur Weiterentwicklung bereit sein müssen.

Predigt-App und fertig?

Wie möchten wir als Kirchenbezirk kommunizieren? Was verstehen wir eigentlich unter Kommunikation? Fragt man geradeheraus, welche Gedanken den Menschen spontan durch den Kopf gehen, wenn die Begriffe Kirche und Kommunikation in Zusammenhang gebracht werden sollen, taucht schnell das Schlagwort Predigt auf. Nicht ganz zu Unrecht, schließlich ist die Predigt der wichtigste Bestandteil der Gottesdienste und damit auch ein zentraler Bestandteil der kirchlichen Arbeit. Handelt es sich dabei auch um Kommunikation? Natürlich! Wir haben einen Sender – den/die Pfarrer/in – und die Gemeinde, die als Empfänger die übermittelte Botschaft konsumiert. Sicherlich ist der Vorgang hier ziemlich kühl formuliert, als modellhafte Vorgangsbeschreibung soll es uns aber an dieser Stelle ausreichen.

Wenn wir dieses Prinzip nun in den Online-Bereich übertragen, z.B. indem die Gemeinden regelmäßig die Predigttexte auf ihrer Homepage veröffentlichen, dann machen wir zweifellos einen Schritt in die richtige Richtung (häufig wird dies übrigens auch schon vorbildlich gemacht). Man darf nur nicht den Fehler begehen und annehmen, dass damit die aktuellen Ansprüche der Internet-User (und das ist heute fast jeder) vollständig erfüllt sind.

Pfarrer Tobias Küenzlen, Referent von Dekan Timmo Hertneck, begleitet mit Jonas Dietz zusammen das Projekt.

Natürlich sind Angebote wie aktuelle Predigten aus der eigenen Gemeinde wichtig. Gemeindeglieder, die nicht selbst an Gottesdiensten teilnehmen können, freuen sich, die Worte ihres Pfarrers/ihrer Pfarrerin auf diese Weise nachhören oder nachlesen zu können. Eine Andachts-App, wie sie ebenfalls bereits existiert, ist eine wertvolle Bereicherung für Menschen, die wenig Zeit haben und dennoch auf zeitgemäße Weise einen Impuls für ihren Alltag suchen. Die Homepage einer Gemeinde ist zusätzlich zentrale Anlaufstelle für alle Gemeindeglieder, die gezielt nach bestimmten Informationen oder auch Neuigkeiten vor Ort suchen. Daher möchten wir bestehende Angebote der Gemeinden optimieren, beratend zur Seite stehen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Die Gemeinden bleiben dabei stets selbständig für ihre Internetauftritte verantwortlich, erhalten aber regelmäßig Input und konkrete Vorschläge aus einer anderen Perspektive. Gleichzeitig möchten wir die vielfältigen Dienstleistungen der Landeskirche und des Evangelischen Medienhauses sinnvoll in die lokale Arbeit integrieren.

Doch was ist, wenn die Nutzer Fragen haben? Was, wenn ein Thema unter den Nägeln brennt, mit dem sich gerade kein Beitrag beschäftigt? Wer kann Ansprechpartner sein, wenn ich selbst kein Kirchenmitglied bin, aber Hilfe in einer Glaubenskrise benötige? In solchen Fällen versagt das bisherige „1:n Kommunikationsmodell“, auch wenn wir es auf den Onlinebereich ausweiten, da der entsprechende Rückkanal fehlt. Eine zeitgemäße Online-Kommunikation, insbesondere in den sozialen Netzwerken, kann hierbei wertvolle Hilfe leisten. Sie folgt NICHT dem Schema „Der Sender (Kirchenbezirk) veröffentlicht eine Botschaft, die anderen Beteiligten konsumieren diese Botschaft – oder eben auch nicht – und damit ist der Vorgang abgeschlossen“.

Stattdessen sprechen wir hier von einer „n:n Kommunikation“. Dies bedeutet, dass alle Beteiligten senden UND empfangen auf Augenhöhe. Dazu müssen wir bereit sein und davor müssen wir auch  keine Angst haben. Immer wieder tauchen Sorgen auf, ob man bei diesem Schritt nicht die Kommunikationshoheit aus der Hand gibt. Dabei wird gerne übersehen, dass diese Kommunikationshoheit (zum Glück) hierzulande gar nicht existiert. Im Prinzip dürfen alle über alle erdenklichen Themen sprechen. Wenn wir weghören bzw. wegschauen, verhindern wir dadurch nicht, dass User sich über kirchliche Themen austauschen. Seitens des Kirchenbezirks ist es auch schlichtweg nicht erwünscht, dass über kirchliche Themen der Mantel des Schweigens ausgebreitet wird, ganz im Gegenteil: Je stärker wir derartige Themen wieder im alltäglichen Kontext und auf Augenhöhe besprechen, desto erfüllender ist es für alle Beteiligten.

Gemeinsam mutig voran

Diese Aufgabe kann natürlich kein Einzelner und auch kein geschlossener Arbeitskreis umsetzen. Wir bauen stattdessen auf die erfolgreichen Synergien, die durch die Zusammenarbeit aller interessierten Menschen entstehen können. Hauptamtliche und ehrenamtliche Kolleginnen und Kollegen, Kirchenmitglieder aus dem Bezirk ebenso wie außerhalb und zu guter Letzt alle Besucher/innen, die Interesse an Themen rund um Glaube, Kirche und natürlich den Kirchenbezirk Waiblingen in all seinen Facetten haben, sind herzlich eingeladen in den sozialen Netzwerken mitzuwirken.

Dabei ist uns bewusst, dass man unmöglich alle Personenkreise durch einen einzelnen Kanal erreichen kann. Wir bedienen uns unterschiedlicher Netzwerke und unterteilen unsere extrem heterogene Zielgruppe (verschiedene Altersgruppen, Berufsgruppen, Interessen usw.) in vorerst zwei einzelne Segmente, die wir durch das Alter definieren und dadurch einen Kanal für Jugendliche und einen weiteren Kanal für die ältere Zielgruppe betreiben. Gerade die jugendlichen Interessenten möchten wir so weit wie möglich in die redaktionelle Tätigkeit von „ihrem“ Kanal mit einbinden, doch auch auf dem Kanal für die ältere Zielgruppe wird die Möglichkeit der Mitwirkung im Fokus stehen.

Im April startet unser erster Kanal auf Facebook. Für die Auswahl des passenden Netzwerkes für den Jugend-Kanal setzen wir von Anfang an auf die Mitwirkung der Jugendlichen und halten auch hier an unserem Grundsatz fest, dass jederzeit mitgestaltet und nicht nur konsumiert werden soll und darf.

In der Zwischenzeit erhalten alle Gemeinden Optimierungsvorschläge für ihre individuellen Homepages. Parallel dazu entsteht eine Aufbau- und Ablauforganisation, so dass wir mit persönlichen Netzwerken innerhalb der Gemeinden und den vielfältigen Angeboten des Kirchenbezirks in unsere Social Network Arbeit aufbrechen können. Dadurch ermöglichen wir kurze Wege für Content-Beiträge, Vorschläge sowie die Beantwortung von Fragen der Community.

Durch die Unterstützung der Landeskirche, der Projektgruppe Digitalisierung und des Evangelischen Medienhauses erfahren wir bereits im Vorfeld eine große Hilfsbereitschaft, verbunden mit einem beträchtlichen Interesse an unserem Aufbruch. Sowohl hinsichtlich der Anschubfinanzierung, als auch durch den Beistand mit Rat und Tat sind wir sehr dankbar und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit. Dies gilt aber auch bezüglich der Unterstützung vor Ort von Gruppen und Einzelpersonen – das Jugendwerk, das Amt für missionarische Dienste, Privatpersonen u.v.m.

Gemeinsam beschreiten wir einen neuen Weg. Wir können es kaum erwarten, ab April die digitalen Türen für die unterschiedlichsten Kommentare und Diskussionen, Fragen, Impulse und Ideen aus dem Bezirk und darüber hinaus weit aufzustoßen. Kurzum: Wir freuen uns riesig darauf, Stein für Stein und Bit für Bit die Onlinekirche im Kirchenbezirk Waiblingen gemeinsam mit allen interessierten Menschen auf- und auszubauen und heißen alle willkommen, die mitgestalten möchten!

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