Die württembergische Pfarrerin Ines Fischer ist seit 2023 im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Jerusalem tätig. Sie arbeitet dort als Pfarrerin der Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache. Hier berichtet sie im Interview, wie sie die Lage der Christen in Israel und den palästinensischen Gebieten erlebt und wie sie auf Ostern zu geht.
Wie sehen Sie dem Osterfest in Jerusalem und Israel insgesamt entgegen?
Ines Fischer: Normalerweise kommen in der Karwoche und zum Osterfest viele Pilger*innen nach Jerusalem. In diesem Jahr werden es aufgrund des Krieges sicher weniger Menschen sein. Wir werden als Gemeinde an Gründonnerstag den traditionellen internationalen Gottesdienst mit unserer palästinensischen Partnergemeinde und der englischsprachigen lutherischen Gemeinde feiern und danach gemeinsam nach Gethsemane gehen. Die Gottesdienste am Karfreitag und Ostersonntag begehen wir in dem Wissen darum, wie schwer das Leben für die Menschen hier in der Region gerade ist. Es ist noch einmal eine ganz andere Situation und für mein Empfinden viel existentieller, sich den Sinn von Kreuz und Auferstehung zu vergegenwärtigen während zugleich in unmittelbarer Nähe Menschen in Israel nach dem 7. Oktober auch weiterhin unter schweren Traumata leiden und immer noch Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden. Auf der anderen Seite werden in Gazastreifen tagtäglich Menschen getötet und in der Westbank nimmt die Siedlergewalt immer mehr zu. Insofern wird es sicher ein sehr nachdenkliches Osterfest werden.
Auf ökumenischer Ebene gibt es in diesem Jahr eine Besonderheit: Alle christlichen Konfessionen feiern weltweit das Osterfest am gleichen Tag. Für mich ist dies ein besonderes Symbol der Gemeinschaft – das uns noch einmal mehr in die Frage hineinnimmt, was wir an Ostern gemeinsam verkündigen. Gerade in diesen schwierigen Zeiten.
Welche Bedeutung hat die Auferstehungshoffnung für Sie an diesem Osterfest 2025 in Jerusalem?
Ines Fischer: Die Situation in der Region scheint im Hinblick auf einen Frieden oder eine Waffenruhe derzeit so aussichtslos wie noch nie. Darum bedeutet die Rede von Auferstehung für mich, in meinem Alltag danach zu suchen, wo Menschen aufstehen, trotz allem. Wo sie sich nicht entmutigen lassen, auch wenn es immer dunkler wird. Wo sie dem Jetzt nicht das letzte Wort geben, sondern weiterhin an das Morgen glauben. Die Geschichte Jesu erzählt ja auch genau davon: Dass es nichts gab, woran die Jünger*innen noch glauben konnten – und dann ereignete sie sich doch: Die eigentlich vollständig unmögliche Möglichkeit der Auferstehung. Liebe und Hoffnung haben sich nicht kaputtkriegen lassen. Diese Hoffnung trägt mich – und sie spiegelt sich für mich in dem Engagement der Menschen hier vor Ort, die sich nicht kleinkriegen oder mundtot machen lassen von radikalen Kräften auf beiden Seiten.
Wie engagiert sich die evangelische Gemeinde deutscher Sprache in Jerusalem in dieser Zeit?
Ines Fischer: Wir sind eine kleine Gemeinde, aber als solche ist es uns wichtig, Räume zu schaffen, in denen Menschen miteinander sein, aufatmen und von dem sprechen können, was ihr Herz bewegt. In der derzeit vollständig polarisierten Situation ist es etwas Besonderes, wenn das gelingt. In meinem eigenen Arbeitsfeld versuche ich bei Gemeindeabenden, Familiennachmittagen, Begegnungen mit Andachten und gemeinsamem Essen oder auch im Gespräch mit ganz unterschiedlichen Menschen Verknüpfungen zu finden, die verbinden - bin mir aber sehr bewusst, dass es nur ganz kleine Zeichen sind, die wir hier setzen können.
Wie nehmen Sie die Lage der Christen in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten wahr?
Ines Fischer: Die Lebenssituationen sind sehr unterschiedlich: In Ostjerusalem und in der Westbank sind die Christ*innen so wie alle Palästinenser*innen betroffen von den tagtäglichen Einschränkungen, die die Besatzung mit sich bringt. Die Situation der wenigen Christ*innen im Gazastreifen hingegen ist einfach nur vom Kampf ums Überleben geprägt. Die christliche Minderheit in Israel ist noch einmal in einer ganz anderen Lage. All das lässt sich schwer miteinander vergleichen. Mich beeindruckt in Begegnungen oder im Hören auf die Stimmen dieser ganz unterschiedlichen Geschwister immer wieder sehr, dass der Glaube für viele etwas Zentrales und Wichtiges ist. Gerade jetzt.
Was wünschen Sie sich von den evangelischen Christen in Deutschland für ihre Arbeit?
Ines Fischer: Mir liegt am Herzen, dass auch diejenigen gesehen werden, die sich noch für Koexistenz einsetzen und damit zu einer immer kleiner werdenden Minderheit in der Region gehören. Auf Dauer werden die Menschen hier aber miteinander leben müssen. Die israelisch-palästinensische Initiative „Parents Circle Families Forum“, in der sich Familien für ein solches Zusammenleben engagieren, hat es vor einigen Wochen einmal so formuliert: „Nobody is going anywhere“. Und das ist auch das Lebensgefühl der Menschen: Für alle ist es ihre Heimat, in der sie Frieden und Sicherheit brauchen. Ich halte es für ein ganz wichtiges Zeichen, diejenigen zu unterstützen, die sich dafür einsetzen.
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