Am 7. und 8. Oktober hat die Stiftskirche in Stuttgart ihren 700. Geburtstag gefeiert. Sie ist die Hauptkirche in der württembergischen Landeskirche. Das bedeutet, dass in ihr die Mitglieder der Kirchenleitung in ihr Amt eingesetzt werden und Predigtdienste versehen. Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl hielt die Predigt im Festgottesdienst.
Im Festgottesdienst aus Anlass des 700-jährigen Bestehens der Stuttgarter Stiftskirche am Sonntag, 8. Oktober, hat Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl in seiner Predigt hervorgehoben, wie bei einer solchen Gelegenheit „die großen Linien der Geschichte besonders bewusst“ werden: „Seit 700 Jahren erschallt das Gotteslob in der Stuttgarter Stiftskirche. Seit 700 Jahren hören Menschen hier auf Gottes Wort – versammelt als seine Gemeinde. Seit 700 Jahren bringen sie alles, was ihr Leben und Sterben ausmacht, vor Gott. […] Der Boden, auf dem wir heute stehen, verbindet uns mit einer Wolke der Zeuginnen und Zeugen, die uns im Glauben seit vielen hundert Jahren vorausgegangen sind.“
Die Stiftskirche lade mit ihren „vielen Zeugnissen der älteren und neueren Geschichte zum Entdecken ein“. Sie sei dafür täglich geöffnet und damit „in positiver Weise stilprägend für unsere Landeskirche“. Gohl sagte weiter, er wünsche sich, „dass alle Kirchen in dieser Weise geöffnet sind – ob in den Dörfern oder Neubaustadtteilen. Kirchengebäude sind Oasen der Einkehr. Sie predigen ohne Worte. Sie trösten und ermutigen.“
Gohl betonte, die Bedeutung der Predigt sei „an diesem Ort mit Händen zu greifen. […] Der württembergische Gottesdienst, der hier in dieser Kirche seit 1534 gefeiert wird, bewahrt bis heute die Hochschätzung der Predigt. Daneben eröffnet die oberdeutsche Liturgie unserer Gottesdienste in Gebet und Segen, Gesang und Abendmahl Erfahrungen der Gegenwart Gottes. Und die Kirchenmusik hier leistet einen ganz wichtigen Beitrag für diese Erfahrung der Gegenwart Gottes und strahlt weit über die Stiftskirche hinaus. In dieser Gegenwart verschmelzen das Gedächtnis an Gottes Wunder und seine Gnade und Barmherzigkeit, die er uns jetzt und in der Zukunft zusagt.“
Aber Gohl erinnerte auch an die schweren Zerstörungen der Kirche im Juli und September 1944, die sich „tief in das Gedächtnis Stuttgarts eingegraben“ hätten. Zweimal im Jahr erklinge die Torglocke der Stiftskirche. Sie erinnere „Kirche und Stadt an das Grauen der Zerstörung und mahnt zu Frieden und Versöhnung.“
Landesbischof Gohl ging in seiner Predigt auch auf den terroristischen Angriff der palästinensichen Hamas auf Israel ein, der am Tag zuvor begonnen hatte:
„Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder!
Seit 700 Jahren erschallt dieses Gotteslob in der Stuttgarter Stiftskirche.
Seit 700 Jahren hören Menschen hier auf Gottes Wort – versammelt als seine Gemeinde. Seit 700 Jahren bringen sie alles, was ihr Leben und Sterben ausmacht vor Gott.
Leben und Sterben. Beides gehört zusammen. Und das Gotteslob ist niemals ungebrochen. Im Blick auf die Nachrichten und Bilder aus Israel liegt uns heute die Klage näher als das Lob. Der Angriff der Hamas bringt großes Leid über die Menschen dort und bedroht Israel in seiner Existenz. Doch die Psalmen, das Gesangbuch Israels, reden sich die Welt nicht schön. Sie wissen um Krieg, um Hass, um Gewalt. Und auch das Lob blendet das nicht aus. Umgekehrt, das Lob preist Gott, der aus Gefahren rettet, dessen Barmherzigkeit kein Ende hat oder wie wir vorher mit Psalm 111 gebetet haben: „Gott, der Erlösung seinem Volk sandte“. Lob ist immer gebrochenes Lob – nicht nur heute. “
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