Die Corona-Pandemie hat auch der Landeskirche einen Digitalisierungsschub beschert - und auch viele Kirchengemeinden rüsten sich für eine digitale Zukunft. Ein wichtiger Faktor ist hierfür eine Internetverbindung. Im Interview erzählt Dr. Nico Friederich, Verantwortlicher für Digitalen Wandel in der Landeskirche, wie Kirchengemeinden freies WLAN einrichten und zu ihrem Vorteil nutzen können.
Warum sollten Gemeinden überlegen, auf ihrem Gelände WLAN einzurichten und frei zugänglich zu machen?
Dr. Nico Friederich: Hier gibt es grundsätzlich zwei zu betrachtende Ebenen: Einmal der Internetzugang und WLAN für gemeindeeigene Zwecke, z.B. um während Gremiensitzungen oder Vorbereitungstreffen von Gruppen Informationen abrufen oder im Internet recherchieren zu können.
Darüber hinaus geht das Angebot von freiem WLAN ohne Passwortschutz oder anderen Zugangsbarrieren: Das WLAN ist in diesem Fall optimalerweise nicht nur in den Gebäuden, sondern auch auf dem Kirchplatz verfügbar – und lädt ein, zu verweilen und vielleicht miteinander ins Gespräch zu kommen. Dabei geht es dann auch um diakonische, bildungspolitische und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit anderen lokalen Akteuren wie beispielsweise Freifunk-Communities.
Wie profitieren Mitarbeiter und Veranstaltungen davon?
Dr. Nico Friederich: Immer noch gibt es an vielen Orten und damit auch Gemeindehäusern nur einen schlechten Mobilfunkempfang. Dann ist das Mobiltelefon keine Alternative, wenn zum Beispiel hybride Besprechungen abgehalten werden.
Wie profitieren Gäste und Besucher?
Dr. Nico Friederich: In der Kirche ist mit einem Internetzugang Livestreaming von Gottesdiensten möglich. Gleichzeitig bildet die WLAN-Verfügbarkeit die Grundlage für viele interaktive Gottesdienstformate, die beispielsweise mit einer digitalen Meinungsabfrage die Teilnehmenden aktiv mit einbeziehen. Auch mediale Einspieler wie zur Predigt passende Videoclips können das Gottesdiensterleben bereichern. Bei Vermietungen von Gemeindehäusern kann ein freies WLAN als Mehrwert angeboten werden.
Gibt es Erfahrungen aus den Gemeinden, inwieweit dieses Angebot auch zu neuen Kontakten mit Menschen geführt hat, die bislang keinen Draht zur Kirche hatten?
Dr. Nico Friederich: Bei der Bereitstellung von freiem WLAN mit Freifunk oder ähnlichen Anbietern können sich interessante Potenziale für die Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen ergeben. Dort sind häufig Leute engagiert, die so ein ganz neues Bild von Kirche erhalten. Im Fall der Kirchengemeinde Essingen beispielsweise wurde die ganze Ortsmitte mit Freifunk ausgestattet. Die Leute vor Ort bekommen mit, was die Kirchengemeinde da auf die Beine stellt und würdigen das auch positiv.
Gibt es auch Vorteile und Nutzen für die Gemeindearbeit, beispielsweise digitale Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden?
Dr. Nico Friederich: Mit einem funktionierenden Internetzugang können Gruppen und Kreise auf die sich beständig weiterentwickelnden digitalen Angebote zugreifen. Für die Kleingruppenarbeit kann beispielsweise die neue App FeedYourself genutzt werden. Da auch digitale Tools immer mehr in der Gemeindearbeit zum Einsatz kommen, Stichwort Digitales Gemeindemanagement, hilft ein Internetzugang im Gemeindehaus, diese auch vor Ort nutzen zu können. Zum Beispiel um Veranstaltungen in ChurchTools zu planen oder um auf Materialen der jugendarbeit.online Plattform zuzugreifen.
Wie groß ist der Aufwand, freies WLAN anzubieten?
Dr. Nico Friederich: Das ist sehr individuell und hängt ab von den baulichen Voraussetzungen und dem Anspruch an die Dienstgüte. Wenn schon ein Internetanschluss im Gebäude besteht und LAN-Kabel verlegt sind, dann ist der Aufwand recht gering. Vor allem das Verlegen von LAN-Kabeln ist jedoch aufwändig und oft teuer, alternativ bieten sich Mesh-Systeme an. So funktionieren beispielsweise auch Freifunk und GodSpot.
Wie hoch sind die Kosten in etwa?
Dr. Nico Friederich: Pauschal ist das natürlich schwierig zu sagen. Unsere im Projekt gemachten Erfahrungen zeigen: Beim Internetanschluss ist mit monatlichen Kosten von etwa 40 Euro zu rechnen, für das Hausnetzwerk kostet jeder WLAN-Zugangspunkt einmalig ca. 40 Euro. Pro Zugangspunkt lassen sich ca. 40 Quadratmeter abdecken. Der Einstieg kann also sehr günstig sein. Soll aber beispielsweise gestreamt werden, ist häufig eine LAN-Verkabelung zum Streaminggerät Voraussetzung und verursacht ggf. hohe Kosten. Professionelle Netzwerkverkabelung und WLAN für ein typisches Gemeindehaus kostet, von einer Fachfirma installiert, schnell mehrere tausend Euro.
Kann die Gemeinde das WLAN selbst einrichten?
Dr. Nico Friederich: Ein wenig technisches Verständnis sollte schon da sein, aber dann funktioniert das durchaus. Wir empfehlen klein anzufangen, zum Beispiel mit einer Ausstattung, wie man Sie von Zuhause kennt. Denn Aufrüsten ist in der Regel jederzeit möglich.
Gibt es Unterstützung von Seiten der Landeskirche bei der Auswahl des Anbieters sowie der technischen Prüfung und Umsetzung?
Dr. Nico Friederich: Zur Unterstützung bieten wir eine umfangreiche Infosammlung auf elk-wue.de an. Außerdem führen wir gemeinsam mit dem Medienhaus und Freifunk Stuttgart e.V. Seminare zum Thema „Freies WLAN mit Freifunk“ durch. Am 02.04.22 von 10-14.30 Uhr findet das nächste Online-Seminar statt.
Wird für Kirche und Gemeindehaus unterschiedliche Technik benötigt oder kann das gemeinsam eingerichtet werden?
Dr. Nico Friederich: Im Grunde kann die gleiche technische Basis genutzt werden, in der Kirche ist nur zu beachten, dass der Denkmalschutz eingehalten wird. Daher sollten Sie Zugangspunkte im besten Fall unsichtbar platzieren. Helfen kann bei der Frage Denkmalschutz auch die Bauberatung.