Am Sonntag, 27. Juni, wird Prälat Dr. Christian Rose im Rahmen eines Gottesdienstes in der Reutlinger Marienkirche in den Ruhestand verabschiedet, Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July nimmt die Entpflichtung vor. Im Interview schaut Christian Rose ganz persönlich auf die Arbeit als Prälat zurück und wagt auch einen Blick in die Zukunft der Kirche. Hier finden Sie auch die Aufzeichnung des Gottesdienstes vom 29. Juni.
Wenn Sie auf Ihre Jahre als Prälat zurückschauen: Was ist Ihr Fazit?
Dr. Christian Rose: Ich blicke dankbar auf die fast 14 Jahre zurück. In der Summe überwiegen bei weitem die bereichernden Erfahrungen, die ich sammeln durfte. Es war eine erfüllende Aufgabe, ich habe beeindruckende Menschen kennengelernt. Wir haben in unserer Kirche und ihrer Diakonie viele hochengagierte Menschen im Ehren- und im Hauptamt, die für das Evangelium brennen und für ihren Glauben eintreten. Unvergesslich – das als zweites Fazit – sind mir die vielen Gottesdienste, die ich mitfeiern durfte. Treffend sagt es der Kirchenvater Augustin: „Wer singt, betet doppelt“. Wir können nicht genug beten und singen. Das steckt an, tröstet, gibt Hoffnung und schenkt Zuversicht.
Haben Sie erreicht, was Sie sich vorgenommen hatten?
Dr. Christian Rose: Ich hatte mir nichts vorgenommen, weil ich gar nicht so genau wusste, was von mir erwartet wird. Ich bin mir nicht sicher, ob es im geistlichen Amt überhaupt eine Zielerreichung gibt. Das mögen andere beurteilen. Ich selber lege dies getrost in Gottes Hand. Dort ist es am besten aufgehoben.
Was hat Sie im Leben geprägt?
Dr. Christian Rose: Mein Vater war Bezirksbruder im Altpietistischen Gemeinschaftsverband, meine Mutter als Kirchengemeinderätin in der Landeskirche aktiv. Mein Kindergarten gehörte zur Evangelisch-Methodistischen Kirche, später war ich in der landeskirchlichen Jugendarbeit und im Eichenkreuzsport als Handballer aktiv. Ich habe also schon familiär vielfältige religiöse Prägungen erhalten.
Zu Beginn meines Theologiestudiums waren die Vorlesungen zur Rechtfertigungslehre (Eberhard Jüngel) und zum Römerbrief (Otfried Hofius) so etwas wie mein „persönliches Damaskusereignis“. Was prägt unseren Glauben? Was wird uns geschenkt? Was ist unsere Verantwortung als Christenmensch?
Im Gemeindepfarramt habe ich dann für mich persönlich nach Formen der Spiritualität gesucht, die ich mit dem Gemeindedienst und der Familie verbinden konnte. Bis heute stellt sich für Menschen im kirchlichen Dienst die Frage: Wo kann ich selbst geistlich auftanken? Ich habe – per „Zufall“ – in der Abtei Münsterschwarzach bei Anselm Grün und Fidelis Ruppert die benediktinische Spiritualität des „Bete und Arbeite“ und die Möglichkeit klösterlicher Einkehrtage kennengelernt. Seit dieser Zeit ist diese ökumenische Spiritualität ein wichtiger Bestandteil meines geistlichen Lebens.
In der Prälatur Reutlingen gibt es zahlreiche klösterliche Orte, die für mich im Jahr 2013 der Anlass waren, im Kollegium des Oberkirchenrats eine „Arbeitsgemeinschaft Klöster“ anzuregen und ins Leben zu rufen. Jedes Jahr laden wir an einem anderen Klosterort zu Gebetszeiten und persönlichen Begegnungen ein. Ich bin davon überzeugt, dass das Evangelium durch gelebte christliche Gemeinschaft zu den Menschen kommt.
Warum sind Sie Prälat geworden?
Dr. Christian Rose: In mir leben zwei Seiten der theologischen Existenz: Ich war und bin mit Freude in der Hochschul-Lehre aktiv, zugleich bin ich aber auch sehr gern als Seelsorger mit Menschen unterwegs. Es war mir eine große Freude, junge Leute auf dem Weg ins berufliche Leben zu begleiten und mit ihnen Theologie zu treiben. 2007 war ich gerade als Rektor der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg wiedergewählt worden, als die Anfrage für die Prälatur kam. Nach einer gewissen Bedenkzeit habe ich zugesagt. Der Grund hierfür war: Nach einer Zeit der Lehre an der Hochschule habe ich mich dann sehr auf das seelsorgerliche Amt eines Regionalbischofs gefreut.
Wussten Sie, was auf Sie zukommt?
Dr. Christian Rose: Nicht im Detail. Die Aufgaben sind am Anfang erschlagend viele. Es ist eine große Prälatur mit vielen Gemeinden, zahlreichen Menschen im Haupt- und Ehrenamt.
Was sind die wichtigsten Aufgaben eines Prälaten?
Dr. Christian Rose: Die zeitaufwändigste Tätigkeit sind die Wiederbesetzungsverfahren und -sitzungen. Es waren in den zurückliegenden Jahren ca. 650 Termine. Ohne die Unterstützung der Dekaninnen und Dekane wäre das nicht zu leisten gewesen. Da muss man gut informiert sein und die Situation vor Ort möglichst gut kennen. Es sind in der Regel lange Abendtermine und weite Wege zu den Gemeinden.
Hinzu kommen die Visitationen der Kirchenbezirke und Gemeinden, in denen Dekane oder Dekaninnen auch als Pfarrpersonen Verantwortung tragen. Oft wurde ich auch zu Festpredigten, Bezirkssynoden und anderen Anlässen eingeladen. Amtseinführungen und Verabschiedungen, regelmäßige Sprengelkonferenzen und die wöchentliche Kollegiumssitzung in Stuttgart. Als Frühprediger in der Marienkirche war ich Mitglied im Kirchengemeinderat und in der Bezirkssynode innerhalb des Kirchenbezirks Reutlingen.
Welche Schwerpunkte hatten Sie in Ihrer Arbeit?
Dr. Christian Rose: Einer meiner Schwerpunkte lag in der Seelsorge. Ich war Mitglied im Beirat der Klinischen Seelsorgeausbildung (KSA), im Beirat Geistliche Begleitung und im Beirat des Hauses Respiratio auf dem Schwanberg. Im Moment bin ich noch Vorsitzender im Kuratorium des Stifts Urach, das in der Nähe Reutlingens liegt. Im Pfarramt ist man gefordert, immer geistliche Impulse zu geben. Das empfinde ich als eine schöne und zugleich anspruchsvolle Aufgabe. Wer gibt, braucht selber Quellen, aus denen er schöpfen kann. Diese Quellen habe ich von Anfang gesucht. Ich nehme wahr, dass jüngere Pfarrerinnen und Pfarrer intensiv nach Orten und Zeiten des Auftankens suchen. Das Stift Urach ist so ein Ort: Im dortigen Pastoralkolleg können Pfarrerinnen und Pfarrer mit Kollegen über den eigenen Dienst nachdenken und geistlich auftanken. Das Einkehrhaus unserer Landeskirche bietet Kirchengemeinderäten, Mesnerinnen, Prädikanten und suchenden Menschen die Möglichkeit, geistliche Impulse zu bekommen, sich zu erholen und Fortbildungen zu besuchen. Das Haus ist ein Segen für unsere Landeskirche und darüber hinaus.
Hat ein Prälat auch Möglichkeiten für längere Auszeiten?
Dr. Christian Rose: Für diese Leitungsebene gibt es solche Einrichtungen leider nicht. Aber es gibt andere Möglichkeiten: Auf EKD-Ebene treffen wir uns einmal im Jahr mit Kollegen und Kolleginnen im regionalbischöflichen Amt zum Erfahrungs- und Gedankenaustausch. Das war für mich stets eine sehr bereichernde Auszeit. Eine besondere Auszeit habe ich bei einem Kontaktsemester in Wien erlebt. Dass mir dies ermöglicht wurde und dass meine Kolleginnen und Kollegen im Prälatenamt mich vertreten haben, dafür bin ich bis heute dankbar. Mit der Übernahme des Hochschulrektorats , war mir klar, dass ich Unterstützung und Begleitung brauche: Seit meiner eigenen KSA-Ausbildung hatte ich einen Supervisor, den ich bei Bedarf konsultierte. In den letzten Jahren habe ich geistliche Begleitung als sehr hilfreich erlebt.
War das notwendig?
Dr. Christian Rose: Ja, in einigen schwierigen und aussichtslosen Konfliktsituationen war es wichtig, mit jemandem die Situation zu beleuchten. Es kann schon passieren, dass man als Schlichter oder Moderator zu einem Konflikt gerufen wird und als Konfliktpartei wieder rausgeht. Da braucht es Beratung, Reflexion und Unterstützung.
Gab es viele schwierige Momente?
Dr. Christian Rose: Es gab kleinere und größere Konflikte. Manchmal gelang es, sie zu lösen, manchmal auch nicht. Sehr schmerzhaft waren für mich die Themen des sexuellen Missbrauchs. Natürlich gehört es zur Leitungsaufgabe, solche Probleme anzugehen, aber es macht auch traurig. Und es hinterlässt Spuren bei allen Beteiligten. Aber es ist gut, dass die Menschen für diese Themen sensibilisiert werden.
Besonders schwer war für mich hier in Reutlingen die Entwidmung der Leonhardskirche 2010. Eine Frau kam nach dem Gottesdienst auf mich zu und sagte: „Herr Prälat, jetzt haben Sie mir meine Heimat genommen.“ Sie war selbst in dieser Kirche getauft, konfirmiert und getraut worden, die eigenen Kinder ebenfalls. Außerdem engagierte sie sich ehrenamtlich stark - und plötzlich war ihre Kirche weg. Manche Mitglieder dieser Gemeinde weigerten sich dann lange, den Gottesdienst an einem anderen Ort zu besuchen.
Und die schönen Seiten?
Dr. Christian Rose: Es gab sehr viel Schönes. Die Visitationen der Kirchenbezirke waren für mich wie eine „Schatzsuche“. Es ging nicht darum, nach Fehlern zu suchen, sondern nach Gelungenem, und dies wertzuschätzen, zu würdigen und im Gespräch Neues zu entwickeln.
Bei fast allen Visitationen gab es zum Abschluss einen Prälatenempfang mit Vorträgen und Begegnungen. Sehr schön in Erinnerung habe ich die jährlichen Ausflüge mit den Dekanatssekretärinnen und den Kirchenbezirksvorsitzenden oder Reisen mit den Dekanen des Sprengels. Solche Aktionen sind eine gute Möglichkeit, persönliche Beziehungen zu vertiefen.
Wo haben Sie sich sonst noch engagiert?
Dr. Christian Rose: Der Reutlinger „Arbeitskreis Wirtschaft-Kirche“ in Zusammenarbeit mit dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) und dem Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer (AEU) war eine weitere Aufgabe. Jedes Jahr konnten wir ein Reutlinger Gespräch „Wirtschaft-Kirche“ veranstalten. Auch Diakonie war und ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit, zunächst in der Ausbildung der Diakoninnen und Diakone und im Verwaltungsrat der Stiftung Karlshöhe, dann aber auch in meiner Funktion als Prälat. Ich war einige Jahre im Stiftungsrat der Großheppacher Schwesternschaft. Seit 2008 bin ich im Stiftungsrat der BruderhausDiakonie und seit einigen Jahren als stellvertretender Vorsitzender für den Theologischen Beirat in der Stiftung verantwortlich. Ebenso bin ich Stellvertretender Vorsitzender der Inklusionskonferenz im Landkreis Reutlingen. Als Vorsitzender des Evangelischen Landesverbandes Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg ist mir die Kindergartenarbeit in unserer Landeskirche sehr ans Herz gewachsen. Diese Arbeit dürfen wir nicht aufgeben, denn der Auftrag, den Jesus uns gegeben hat, gilt insbesondere den Kindern. Martin Luther umschreibt es so: „Wenn Du ein Kind siehst, hast Du Gott auf frischer Tat ertappt“.
Was haben Sie aus ihren Gesprächen darüber gelernt, wie Unternehmer die Kirche sehen?
Dr. Christian Rose: Unternehmer wollen entscheiden, was mit ihrem Geld und mit ihrer Kompetenz passiert. Die sind keine Freunde von Solidarsystemen. Die sagen mir: Ich will wissen, wo meine Kirchensteuer hingeht. Ich kenne einen Unternehmer, der aus der Kirche ausgetreten ist, aber ganz gezielt eine spezielle kirchliche Arbeit unterstützt, weil er sie so großartig findet. Ich hatte auch Kontakt zu einer Reihe von Wirtschaftsleuten, die sagten, sie wären bereit sich einzubringen - aber zu ihren eigenen Konditionen. Da kommen wir mit unseren kirchlichen Ordnungen und Verfahrensweisen an unsere Grenzen.
Auch das Thema „weltweite Kirche“ beschäftigt Sie – welche Erfahrungen in diesem Feld sind Ihnen wichtig?
Dr. Christian Rose: Ich war Mitglied beim Runden Tisch Ökumene, früher war ich noch im Orthodoxie-Arbeitskreis der Landeskirche und auf der Ebene der EKD. Glaube und Leben der ökumenischen Geschwister interessiert mich bis heute sehr. Viele evangelische Kirchen leben in einer Minderheitensituation. Bei Reisen nach Slowenien, in die Slowakei und nach Mosambik habe ich vieles gesehen. Davon können wir lernen. Ich will das nicht glorifizieren, aber die Fähigkeit und Notwendigkeit, sich in einer schwierigen Situation zu behaupten und als Gemeinschaft den eigenen Glauben zu bezeugen, bewundere ich. Deshalb ist es wichtig, dass zum Beispiel das Gustav-Adolf-Werk oder die Aktion „Hoffnung für Osteuropa“ an die Geschwisterkirchen in Notsituationen denken, sie mit Gebeten und Spenden unterstützen.
Konnten Sie auch internationale Beziehungen knüpfen?
Dr. Christian Rose: Ja, aber – leider – bislang keine nachhaltigen. Das hätte ich gerne anders gemacht. Aber es gab auch einige Highlights, die bis heute nachwirken. Dazu gehört eine Reise in den Oman. Gemeinsam mit Prof. Dr. Stefan Schreiner und dem Islambeauftragten unserer Landeskirche, Pfarrer Heiner Rothe, haben wir ein Studienprogramm auf der Arabischen Halbinsel vorbereitet. Inzwischen ist das Studienprogramm fest etabliert: Theologie- und Diakonie-Studierende aus Tübingen und Ludwigsburg verbringen Studienwochen im Oman, und Studierende aus dem Oman studieren an der Universität in Tübingen. Das ist ein wichtiger Baustein interkultureller und interreligiöser Bildung. Im muslimischen Oman dürfen Christen ihren Glauben frei leben und werden dabei sogar vom Staat gefördert. In den Räumen des Religionsministeriums erlebte ich „Scriptural reasoning“ - eine besonders eindrückliche Form des modernen interreligiösen Dialogs, bei dem die Bibel und der Koran von Christen und Muslimen gemeinsam gelesen werden.
Ein zweiter Höhepunkt lag noch in meiner Zeit als Rektor der Hochschule in Ludwigsburg: Bei einer Reise nach Rumänien konnte ich gemeinsam mit Bischof Casian von Galatz einen Kooperationsvertrag zwischen der Ludwigsburger Hochschule und der Universität Galatz (18.000 Studierende) abschließen.
Das Ehrenamt spielt in der Kirche eine wichtige Rolle – wie sehen Sie die Zukunft des Ehrenamtes?
Dr. Christian Rose: Ich glaube, das Ehrenamt wird seine Zukunft haben, wir brauchen aber eine Stärkungs- und Würdigungskultur. Das Ehrenamt hat sich gewandelt, es ist nicht mehr selbstverständlich. Zukünftig wird es darum gehen, Menschen zu gewinnen, sie zu fördern, auszubilden, in ihrer Aufgabe zu begleiten, zu stärken, zu würdigen und dann zu gegebener Zeit zu verabschieden und auch freundlich loszulassen.
Ich finde es wichtig, auch die ehrenamtliche Seelsorge zu stärken – nicht um den Pfarrerinnen und Pfarrern etwas wegzunehmen, sondern um sie zu unterstützen und zu stärken. Ich halte es für wichtig, ehrenamtlich Mitarbeitende gut auszubilden und sie offiziell für ihre Aufgabe einzusetzen.
Christoph Friedrich Blumhardt, der Jüngere, brachte es in einer Andacht auf den Satz: „Jeder von uns ist an einem Platz unentbehrlich für das Reich Gottes“. Das ist ein schöner Gedanke.
Wie geht es nach Corona weiter mit unserer Kirche?
Dr. Christian Rose: Nach Corona werden wir wohl viele große Aufgaben, die wir uns vorgenommen haben, etwas zurückstellen müssen, um zunächst einmal den persönlichen Kontakt zu den Menschen wiederherzustellen, Beziehungen neu zu knüpfen und zu beleben. Wir müssen wieder näher in Kontakt mit den Menschen kommen.
Für die nächste Generation brauchen wir sprachfähige „Sinnfluencer“, die verständlich und alltagsnah über ihren Glauben, über theologische Fragen, über unsere Kirche und ihre Diakonie Auskunft geben und mit jungen Menschen ins Gespräch kommen, die sie dort abholen, wo sie sind. Es braucht überhaupt einladende Formate, die helfen mit Menschen ins Gespräch zu kommen und sie im Leben zu begleiten.
Sehen Sie auch Chancen in dieser Krise?
Dr. Christian Rose: Unvergesslich bleibt mir die Tagung der Landessynode in Balingen im Jahr 2012. Es ging um die Frage: Was ist evangelisch? Der italienische Waldenserprofessor Dr. Paolo Ricca brachte es auf den Punkt: „Das Einzige, was wir anzubieten haben, ist Jesus Christus.“ Das hört sich fromm an, aber es geht um das Bewusstsein, dass es zwar auf uns ankommt, aber nicht von uns abhängt. Der Verweis auf Christus, auf unseren Glauben und auf die sich aus dem Glauben ergebende Nächstenliebe darf nicht auseinanderdividiert werden. Es muss nicht jede und jeder alles können und tun. Aber wenn es wirklich den einen Leib Christi gibt, dann hat jede und jeder an diesem einen Leib Christi seine Aufgabe, für die er unersetzlich ist.
Mit Philipp Spitta bin ich der Überzeugung, dass wir im rasenden Getümmel Glaubensheiterkeit brauchen (EG 137,8). Wir brauchen das Zutrauen, dass wir zwar das Bodenpersonal Gottes, aber nicht das Haupt dieser Kirche sind. Wir sind ein kleiner Teil der weltweiten Kirche Jesu Christi, und ich bin davon überzeugt, dass es mit dieser Kirche weiter geht. Aber wir müssen lernen, die Schmerzen auszuhalten, die es mit sich bringt, wenn wir an Bedeutung, an Kapazitäten und an Gestaltungsmöglichkeiten verlieren. Ich will die Situation der Minderheitskirchen im Ausland nicht glorifizieren, aber wir können von den Geschwistern lernen, wie sie trotz fehlender Mittel ihr Gemeindeleben gestalten und miteinander unterwegs sind. Schwer ist es freilich, den hohen Level unserer bisherigen Möglichkeiten verlassen zu müssen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Kirche?
Dr. Christian Rose: Ich wünsche mir, dass wir uns damit beschäftigen, wie wir das „Weniger ist mehr“ gestalten und umsetzen. Jeder und jede bei sich selbst – da tut es nämlich am meisten weh. Dazu brauchen wir einen Verständigungsprozess über unsere Prioritäten. Welche Kriterien sind für uns wichtig? Sind es geistliche und theologische oder sind es gesellschaftliche und finanzielle Kriterien, die für die Zukunft relevant sind? Oder alles gemeinsam?
Vor allem wünsche ich unserer Kirche die Zuversicht, dass Christus auch weiter mit uns geht.
Die Fragen stellte Magdalena Smetana, ergänzt um Material von epd.
Hinweis: Eine Aufzeichnung des Gottesdienstes finden Sie ab Dienstag, 29. Juni, hier in diesem Artikel.
Der in Göppingen geborene Prälat Prof. Dr. Christian Rose hat Verwaltungswissenschaften und Evangelische Theologie studiert. Von 1984 bis 1990 war er wissenschaftlicher Assistent und stellvertretender Seminardirektor an der Universität Tübingen. 1991 wurde er mit einer Arbeit zum Hebräerbrief promoviert. Von 1990 bis 1998 war er Gemeindepfarrer in Dettenhausen (Landkreis Tübingen) und Heidenheim, danach wurde er als Professor für Biblische Theologie und Gemeindediakonie an die Evangelische Fachhochschule auf der Karlshöhe in Ludwigsburg berufen; ab 2003 war er auch deren Rektor.