21.03.2021

Gott rechnet nicht in Soll und Haben

Ein geistlicher Impuls zum Sonntag Judika

Ein Leben ohne Schuld ist Menschen nicht möglich. Aber seit Gott in Jesu Leiden und Tod die menschliche Logik der Schuld durchbrochen hat, können wir bei aller Schuld aufrecht gehen. Daran erinnert Pfarrerin Pamela Barke in einen Impuls zum Sonntag Judika.

Vor Gott ist die Rechnung ausgeglichen. "Bezahlen" muss der Mensch für seine Schuld nicht mehr - durch Jesu Tod und Auferstehung ist dies bereits geschehen.

Unter Umständen nagen sie an der Substanz und kosten Kraft, die unbezahlten Rechnungen. Wohl dem, der sie schnell begleichen kann. Wer das nicht kann, erlebt nicht selten ein schlechtes Gewissen, Druck bis in die Magengrube beim Gang zum Briefkasten, beim Einschlafen, immer. Für Menschen mit wenig Gehalt gehörte das zum Alltag. Für Manche in der Corona-Pandemie - seit einem Jahr schon – eine neue Wirklichkeit, existenzbedrohend. Und dazu noch: Jegliche Ethik und Moral stehen dagegen. So ist es  ganz unverblümt nachzulesen im Bürgerlichen Gesetzbuch, in der Bibel und in anderen heiligen Bücher von Religionen bis hin zu esoterischen Lehrbüchern: Unbezahltes ist „schlecht“ und es greift sich Raum, auch in andere Lebensbereiche hinein. Das weiß jeder Mensch - am Ende des Tages bzw. ursprünglich. Tief in uns: ein Gefühl für mein und dein, soll und haben.

Beim genauen Hinsehen kommt es noch dicker: Handeln, sogar wenn wir es noch so gut meinen und uns auf der sicheren Seite wähnen, zieht oft Nachteile für andere mit sich. Auch da bleiben Rechnungen offen. Selbst wenn wir – wer weiß wie – abwägen, reflektieren, überprüfen.

Am jetzigen 5. Sonntag der Passionszeit Judika wird der Blick auf diese „Soll“-Spalten unseres Lebensbuches gelenkt. Die sind, je nach Fähigkeit zur Selbstkritik und zum Realitätsbezug, erkennbar gut gefüllt. Eine schmerzliche, wenn nicht entmutigende Erkenntnis. Das ist das eine.

Noch wichtiger aber ist ein anderes: es kommt an diesem Passionssonntag ein ganz neuer Buchungsposten ins Spiel, und der verändert das Aussehen der „Soll“-Spalte von Grund auf: Im Wochenspruch heißt es: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern, dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.“ (Matthäus 20,28) Jesus spricht diese Worte am Abend seines Aufbruchs nach Jerusalem, wo er aufgrund der Blindsichtigkeit und der Fehlurteile der Zeitgenossen in ein Gerichtsverfahren hineingezogen werden wird und schließlich zum Tode verurteilt. Schließlich? Nein, ganz am Ende folgt die Auferstehung. Der Tod und die Sünde sind überwunden, ausgelöst. Die Rechnung wurde mit dem Wirt gemacht.

Darum: Menschen müssen für Schuld nicht mehr „bezahlen“. Jesus selbst legt etwas in die Waagschale zu unseren Gunsten: seine Erlösung, seine Liebe, sein Leben. Sein Leben wurde zu unserem Leben. Soll wurde zu Haben. Der Mathematik zum Trotz.

Was für ein Wort, gerade in schweren Lebenssituationen – kasteie dich nicht! Vertraue! Sammle Kräfte! Suche Hilfe! Lebe! Auf diesem Grund stehend, ist es der evangelischen Kirche (u.a.) sogar wichtig, Menschen, die sich nach dem BGB strafbar oder schwer strafbar gemacht haben, in der Würde des freien Christenmenschen zu begleiten und nach neuen Perspektiven zu suchen; Schuldnerberatungen der diakonischen Bezirksstellen suchen ohne moralische Schuldzuweisungen nach neuen Wegen. Die Botschaft von der vor Gott ausgeglichenen Rechnung aber gilt allen. Das heißt nicht, dass nun lustig jegliche Verfehlungen und Übertreibungen auf unseren To do-Listen stehen könnten. Aber Martin Luther hat mit seiner Ermutigung „Pecce fortiter!“ („Sündige wohlgemut!“) zum Ausdruck gebracht: die Sünde, auch wenn sie uns passiert, braucht uns nicht mehr zu drücken. Aufrecht können wir ins Freie treten, dem Leben entgegen.

Pfarrerin Pamela Barke

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