Hohe Auszeichnung für Engagement gegen Minderheitenfeindlichkeit und Vorurteile: Der württembergische evangelische Pfarrer Michael Volkmann und die Soziologin Julia Bernstein haben die Joseph-Ben-Issachar-Süßkind-Oppenheimer-Auszeichnung erhalten. Damit würdigten der baden-württembergische Landtag und die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) den Einsatz des Preisträgers und der Preisträgerin in Wissenschaft und Publizistik. Die Preise wurden im Rahmen eines Empfangs anlässlich des Jüdischen Neujahrsfestes am 13. September 2021 in der Staatsgalerie in Stuttgart übergeben.
Pfarrer Michael Volkmann war in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg bis zu seinem Ruhestand im Februar 2020 für den Dialog zwischen Christen und Juden zuständig. Er war Mitbegründer des Stuttgarter Lehrhauses, das sich dem interreligiösen Dialog widmet. Sein Engagement gehe weit über eine berufliche Pflichterfüllung hinaus, seine unzähligen Vorträge, Aufsätze und organisierte Studienreisen hätten ihn zu einem gefragten Experten gemacht, urteilte die Jury.
Im Interview mit www.elk-wue.de sagte Pfarrer Dr. Michael Volkmann im November 2019, er führe ein „Leben in zwei Welten". Die zweite Welt neben dem christlichen Glauben sei für ihn das Judentum: „Ich kann als Christ nicht existieren, ohne das jüdische Leben zu verstehen.“ Die Aufgaben als Pfarrer für das Gespräch zwischen Christen und Juden seien für ihn Berufung gewesen, wie er anlässslich seines Ruhestandes sagte, und er bezeichnete sie als „das Glück seines Berufslebens". Unter anderem organisierte er die Tora-Lernwochen mit.
Die Soziologin Julia Bernstein lehrt als Professorin für Diskriminierung und Inklusion in der Einwanderungsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS). Sie hat zu Antisemitismus und seinen Ausdrucksformen aus der Perspektive potentieller Opfer geforscht. Ihre wissenschaftliche Arbeit helfe, einer Täter-Opfer-Umkehr im Bereich Antisemitismus vorzubeugen und das Vertrauen der jüdischen Menschen in ihr Umfeld und in die Gesellschaft zu stärken, hieß es in der Begründung der Jury.
Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) nannte die Geehrten „Ermöglicher“, damit sich Menschen in einer offenen Gesellschaft selbst ein Urteil bilden können. Als Laudatoren sprachen Doron Kiesel, Wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Michael Blume, Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus.
Der nicht dotierte Preis wurde 2015 ins Leben gerufen. Bisherige Preisträger sind die Amadeu Antonio Stiftung, der Rabbiner Tovia Ben-Chorin, der Psychologe Ahmad Mansour, die ZDF-Journalistin Nicole Diekmann und der Geschichtsforscher Martin Ritter.
Der Namensgeber der Medaille, Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer, wurde 1738 Opfer eines judenfeindlichen Justizmords in Stuttgart. Vorausgegangen war ein Schauprozess, in dessen Verlauf es zu zahlreichen Rechtsbrüchen kam. Seine Geschichte wurde von den Nationalsozialisten mit dem Propagandafilm „Jud Süß“ antisemitisch instrumentalisiert.
(Mit Material von epd)