Vor 500 Jahren hat die Reformation Europa verändert, prägte Gesellschaften, Kulturen und Religionen. Um lokale Geschichten zur Reformation zu sammeln und darzustellen, rollt seit November der „Reformationstruck“ im Rahmen des „Europäischen Stationenwegs“ durch 68 Städte Europas. Nun hat er zum ersten Mal in Württemberg Halt gemacht – und kann einen spannenden Diskussionsabend aus Tübingen mit auf seine weitere Reise nehmen.
Heiß wurde am vergangenen Freitag im Evangelischen Stift in Tübingen unter dem Motto „Bildung und Religion - Freiheit inklusive“ vor circa 200 Gästen diskutiert. Unter der Moderation von Holger Gohla, SWR-Redakteur für „Religion, Kirche und Gesellschaft“, tauschten sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July, Prof. Dr. Friedrich Schweitzer von Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen und Cornelia Theune, Leiterin des Geschwister- Scholl-Gymnasiums Tübingen, über das Bildungswesen und die Rolle der Kirche aus.
„Ein Mitmischen der Kirche ist wichtig. Daher ist es toll, dass der Staat die Kirche auch mitreden lässt. Denn gerade im Religionsunterricht werden den Schülern gedankliche Räume geöffnet“, so Landesbischof July. Den Anschein, dass immer mehr Schüler dem Religionsunterricht fernbleiben, hält Schulleiterin Theune für falsch. 70% der Schüler in Baden-Württemberg nehmen noch immer daran teil. Das bestätigte auch der Ministerpräsident. „Sorge macht mir allerdings, dass immer, wenn ich bei Parteitagen nicht aufpasse, der Trend zum Laizismus geht“, scherzte er. Ernster fügte er jedoch hinzu, dass sich Zwei Drittel der Baden-Württemberger einen interkulturellen Religionsunterricht wünschen. Das sei aber nicht die Lösung für alles: „Ich wünsche mir eine plurale Gesellschaft, die von Akzeptanz geprägt ist. Und nicht dieses generelle Desinteresse an allem, das momentan vorherrscht.“ Auch Schweitzer machte seinen Standpunkt klar: „Religion braucht Bildung – und Bildung braucht Religion! Beide Gebiete sind ohne das andere unvollständig.“ Das war für Kretschmann auch das „Knackige“ an der Reformation: dass Christen die Freiheit bekommen haben, selbst zu denken, was später dann in der Aufklärung gemündet ist. Bildung sei wichtig und die Religion trage ihren Teil dazu bei, soweit waren sich die Teilnehmer einig.
Unschlüssig waren sie sich jedoch beim Umgang mit der Digitalisierung. „Kinder und Jugendliche sollen nicht als Konsumenten und Datenlieferanten gesehen werden“, so Theune. Sie forderte den Staat auf, mehr zum Schutz dieser Gruppe zu tun. Auch Landesbischof July fragte sich, wie man in Zeiten von Facebook und Co. noch einen reflektierenden Schritt zurücktreten kann, wenn man pausenlos mit Informationen zugeschüttet wird. „Die Digitalisierung bietet Autonomie, dafür braucht es aber auch Urteilskraft“, so Kretschmann. Wie diese Urteilskraft entstehen könnte, war in einer Stunde Diskussion schwer zu erörtern. Eins wurde jedoch deutlich: die Gesellschaft befindet sich im Wandel. Um darauf reagieren zu können, müsse auch die Kirche in Bewegung bleiben. „Auch die evangelische Kirche. Aber die denkt ja: ‚Ha, wir sind ja schon reformiert‘“, spaßte Kretschmann zum Abschied.
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Um auch lokalen Bezügen der Reformationsgeschichte Raum zu geben, verbindet seit November 2016 der sogenannte „Europäische Stationenweg“ des Vereins Reformationsjubiläum 2017 e. V. 68 Städte in 19 europäischen Ländern. Bis Mai 2017 macht ein Reformations-Truck in jeder dieser Städte Station, dokumentiert und begleitet dort die Veranstaltungen lokaler und ökumenischer Partner. Auf seiner Reise nach Wittenberg macht der Truck auch in Württemberg Halt.
16. bis 18. Dezember 2016:
Tübingen, Hermann-Hepper-Halle
19. bis 20. Dezember 2016:
Crailsheim, Schweinemarktplatz
10. bis 12. Januar 2017:
Schwäbisch Hall, Dietrich-Bonhoeffer-Platz