14.12.2016

Zwiesprache mit Josef

Zu Besuch bei einem Krippenschnitzer

Bald werden wieder die Weihnachtskrippen vom Dachboden geholt. Dann ziehen Ochs und Esel, Maria, Josef und die Hirten vorübergehend in den Wohnzimmern ein. Holzbildhauer Josef Baur aus Starzach-Bierlingen bei Tübingen fertigt zusammen mit seinen Brüdern Reinhold und Ludwig unter anderem solche Weihnachtskrippen an. Monika Johna war in der Werkstatt zu Besuch und hat den Brüdern bei ihrer Arbeit über die Schulter geschaut.

Holzbildhauer Josef Baur in seinem Laden in Starzach-Bierlingen bei Tübingen.
Wo gehobelt wird, fallen Späne.
Eine weitere Variante aus Josef Baurs Krippen-Repertoire.
Zur Adventszeit stehen die Krippen in vielfacher Ausführung in den Regalen.

Maria und Josef sind in kalter Nacht auf der Suche nach einer Herberge nach etlichen Absagen in einem einfachen Stall gelandet, wo schließlich das Jesuskind zur Welt kommt. Im Laden von Josef Baur reiht sich jetzt zur Adventszeit in vielfacher Ausführung Krippe an Krippe in den hölzernen Verkaufsregalen aneinander. Dort stehen Maria und Josef unter Palmen direkt neben einem Stall im Allgäustil, während nebenan die frischgebackenen Eltern in der klassischen Holzkrippe in wallenden Gewändern ihr Kindlein betrachten. Entstanden ist das alles einen Stock höher in der Werkstatt, der guten Stube des Hauses. Ruhig bollert dort der Ofen vor sich hin und verströmt an diesem kalten Wintermorgen eine gemütliche Wärme. Auf dem hölzernen Fußboden kräuseln sich helle Holzspäne. An den warmgelbgetünchten Wänden hängen aus Zeitungen ausgeschnitten Zitate und Gedichte,  ein Portraitbild der Großeltern und eine Zeichnung der benachbarten Kirche. Zwischen Pappschachteln, Papierstapeln und einer halbmeterhohen Madonnenfigur blicken zwei Ochsen von einer Vitrine sanftmütig auf die Besucher herab. Ein Radio sorgt für einen unaufdringlichen Hintergrundgeräuschpegel. Es duftet schwach nach Holz.

Jedes Gesicht ist ein Wunder

An einer Werkbank mit Blick auf die Schwäbische Alb sitzt Reinhold Baur und führt den Pinsel mit ruhiger Hand. Strich für Strich, Stück für Stück bemalt er die Kunstwerke aus Holz, die sein Bruder Josef geschnitzt hat. Vor ihm stehen Töpfe und Tiegel mit allen erdenklichen Farben, stecken Pinsel in allen möglichen Größen in Marmeladegläsern. Auf der anderen Werkbank reihen sich fein säuberlich Flach- und Hohleisen, Bockfuß und gekröpfte Eisen. Hier sitzt Josef Baur und schneidet Formen aus einer Joseffigur, als sei es ein Stück Butter. Begleitet von einem gleichmäßig schabenden Geräusch trägt er mit geschickten Handgriffen Schicht für Schicht des hellen Lindenholzes ab. Dann greift er zum Ziereisen und arbeitet noch die zartesten Einzelheiten bis zum Zehennagel heraus. Wenn er sich so konzentriert der Figur in seiner Hand widmet, dann scheint es, als würde er Zwiesprache halten. „Ich schaue mir jedes Gesicht ganz intensiv an. Gesichter sind ein Wunder. Es gibt so viele, und jedes ist anders und einmalig“, sagt der ehrenamtliche Pfarrgemeinderat Josef Baur.

In dritter Generation wird geschnitzt

Seine weihnachtlichen Lieblingsfiguren sind Maria und Josef. „Wenn ein Kind auf die Welt kommt, dann sind die Eltern doch das Wichtigste“, erklärt er. Der Namensvetter Josef beeindruckt ihn, denn der mache nicht viel Aufheben um seine Person und habe tiefes Vertrauen in Gott, der ihm über einen Engel seine Aufgabe zuweist. Die Figur in seiner Hand kam bereits vorgefräst zu ihm in die Werkstatt. Jetzt wird sie komplett überschnitzt. So nennt es der Holzbildhauer, wenn er aus einer Figur mit rauen Ecken und Kanten einen Josef mit schimmernder Oberfläche und einem ganz eigenen Ausdruck macht. In der dritten Generation wird hier in Starzach mit Holz gearbeitet. Der Großvater war Schreiner, der Vater lernte Holzbildhauer. Für Josef Baur kam nur dieser Beruf in Frage. „Es gibt nichts anderes als Holz“, sagt der 68jährige und lächelt dabei verschmitzt. Gemeinsam mit seinen beiden Brüdern führt er nun das Geschäft als Familienbetrieb weiter. Während Ludwig Baur in den Vorarbeiten zur Seite steht, ist Reinhold für das Bemalen der vielfältigen Arbeiten zuständig.

Die Holzschnitzerzunft wird kleiner, am ehesten finden sich Vertreter dieses Berufes noch in den Touristenzentren. Ein Betrieb in einem Dorf wie jener der Baurs ist eher selten geworden. Im Sommer packt Josef Baur kunstvoll geschnitzte Kuckucksuhren in sein Auto und fährt damit zu den Läden im Schwarzwald. Jetzt in der Vorweihnachtszeit liegen in der Werkstatt vor allem Masken herum. Die Zeichen stehen auf Fasnet, denn das Weihnachtsgeschäft ist längst erledigt. Maria und Josef, die Hirten, Ochs und Esel hat Josef Baur schon im Herbst geschnitzt. Sie stehen nun unten im Laden in den Krippen. Nur noch einzelne Krippenfiguren bearbeitet er auf Bestellung. 

Für jeden ein offenes Ohr

Auf der Treppe sind Schritte zu hören. Ein älterer Herr aus dem gegenüberliegenden Seniorenheim besucht die Schnitzerstube. Die Brüder blicken kurz auf, begrüßen den Gast und machen dann weiter.  Dieser nimmt sich eine Flasche Bier, stellt sie zum Aufwärmen in den Topf, der auf dem Ofen steht, und nimmt Platz auf einem der vielen Stühle, die sich quer durch die ganze Werkstatt verteilen. Die Werkstatt ist nicht nur Werkstatt, sondern Treffpunkt. „Es sind eigentlich immer Leute da“, sagt Josef Baur. Das sei hier oben gut möglich, da es keinen Maschinenlärm und keinen Staub gibt und man sich somit ungestört unterhalten könne. Für Besucher fühlt es sich ein bisschen so an, als gäbe es den Begriff Zeit nicht, wenn die beiden Männer in gleichmäßigem Tempo ihrer Arbeit nachgehen und die Wintersonne durch die Fenster scheint. Freilich muss Baur auch Aufträge termingerecht erfüllen und manche jahreszeitlich bedingte Arbeitsspitze bewältigen. Aber trotzdem nimmt er sich Zeit für die Menschen, die zu ihm kommen, und hat für jeden ein offenes Ohr. Gastfreundschaft ist dem Krippenschnitzer Josef Baur wichtig. Maria und Josef, sie hätten hier leicht eine Herberge gefunden.

Monika Johna

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