Noch bis zum 24. Juli gastiert die Zeltkirche in Lauffen am Neckar – und lockt Besucher mit ihrem bunten Programm. Eines der Highlights: eine Konzertlesung von Schauspieler Samuel Koch und Sänger und Liedermacher Samuel Harfst. Anna Gieche war dabei.
Alle Plätze sind belegt, Helfer tragen zusätzliche Bänke herbei. Und als die immer noch nicht reichen, schleppen sie noch mehr Bänke an. Über tausend Besucher tummeln sich auf dem Kiesplatz in Lauffen, idyllisch an einer Biegung des Neckars gelegen. „So viel Trubel ist Lauffen ja gar nicht gewöhnt“, sagt eine ehrenamtliche Ordnerin. Grund für den Besucherandrang ist die Zeltkirche, die in der Mitte des Platzes steht.
„Die Zeltkirche will den Alltag der Menschen mit Kirche und Glauben verbinden“, erklärt Zeltkirchenpfarrer Thomas Wingert. „Das ist quasi 'Relitainment' – also eine lockere Verbindung von Religion und Entertainment.“ So könnten auch Außenstehende Zugang zur Kirche bekommen, weil durch das offene Konzept des Zeltes die Hemmschwelle geringer ist. Und es funktioniert: Die Gäste stöbern im Buchzelt, essen, trinken, unterhalten sich und knüpfen Kontakte. Seit Beginn des Events am Samstag haben bereits 3.000 Menschen die Zeltkirche besucht, die noch bis zum 24. Juli geht. In diesen 15 Tagen finden insgesamt 69 Veranstaltungen statt, die von rund 180 ehrenamtlichen Mitarbeitern organisiert und durchgeführt werden. Highlight am Dienstagabend ist eine Konzertlesung von Samuel Koch und Samuel Harfst.
Während die Ordner weiter fleißig Bänke anschleppen, werfen Zeltmeister Martin Heubach und Zeltpfarrer Thomas Wingert besorgte Blicke gen Himmel und auf das Smartphone, um die aufziehenden dunklen Wolken mit dem Regenradar zu vergleichen. Keiner der Besucher soll im Regen stehen, doch das Zelt fasst nur 555 Menschen und der Andrang zur Konzertlesung sprengt jegliche Erwartungen. Bleibt also nur zu hoffen, dass der Regen auf sich warten lässt. Einer der Vorteile einer flexiblen Kirche: Hier kann man problemlos und wortwörtlich die Tore weit öffnen. Die Zeltwände werden also eingezogen, damit möglichst alle Besucher einen Blick auf die Bühne erhaschen können. Wegen Überfüllung geöffnet!
Das aufgeregte Gemurmel der Gäste kommt mit einem Mal zur Ruhe. Samuel Koch wird mit seinem Rollstuhl auf die Bühne gebracht und begrüßt die Lauffener Gäste mit einem selbstironischen Wortwitz: „Auch wenn es nicht gerade mein Thema ist: Ich freue mich, dass so viele von euch hierher geLAUFFEN sind.“ Samuel Koch geht offen mit seinem Schicksalsschlag um und berichtet von der Zeit nach dem schweren Unfall bei „Wetten dass..?“, seit dem er vom Hals abwärts gelähmt ist. Musikalisch wird er von Samuel Harfst und seiner Band ergänzt. Ein lockeres Gespräch zwischen den beiden Samuels leitet von einem zum anderen Programmpunkt. Unter dem Dach der Zeltkirche fühlt es sich heimelig an, als wohne man einem Privatgespräch unter Freunden bei. Die Besucher lachen, werden zum Nachdenken angeregt, und hin und wieder wird vereinzelt verstohlen eine Träne aus den Augen gewischt.
Als der Abend nach knapp zwei Stunden zu Ende geht, gibt es kein Halten mehr: für die Besucher, die restlos begeistert sind von der Konzertlesung in der Atmosphäre der Zeltkirche – und für den Himmel, der seine Schleusen öffnet.
Anna Gieche