Das virtuelle Spiel "Pokémon Go" führt seine Mitspieler vor allem in ländlichen Regionen auch an Kirchen und Friedhöfe. Vor dem Spielvergnügen steht dann allerdings die Friedhofsordnung, betonen Friedhofsverwaltungen und Kirchengemeinden.
Erst wenige Wochen gibt es das Spiel "Pokémon Go" für mobile Kommunikationsgeräte. Während Heerscharen von Fans überall im Land auf der Jagd nach den 145 Pokémon-Figuren wie Pikachu und Glumanda sind, halten Andere das Spiel für Zeitverschwendung oder gar für anstößig. Sogenannte Pokestops und Spielarenen sind nämlich realen markanten Punkten in Stadt und Land zugeordnet und dabei gerade im ländlichen Raum mangels Alternativen vielfach Kirchen und auch Friedhöfe.
In Aalen (Ostalbkreis) haben Lokaljournalisten eine Pokémon-Go-Kampfarena direkt auf dem Sankt Johann Friedhof ausgemacht. Der ist zwar in Umwandlung zum Park begriffen, doch die Liegezeit der jüngsten Gräber ist noch nicht abgelaufen. Im Evangelischen Dekanat und in der Stadtverwaltung reagiert man gelassen. Noch seien keine Verstöße gegen die Friedhofsordnung bekanntgeworden, die beispielsweise Lärmen, Spielen und nächtlichen Aufenthalt auf dem Friedhof verbietet. "Bisher gab es noch keine Beschwerden", sagte Dekanatsmitarbeiterin Jana Schieszl. Der Öffentlichkeit bekanntgeworden sei die Pokémon-Station erst durch Medienberichte.
Pfarrer Tobias Schneider in Willsbach (Landkreis Heilbronn) hat mehrere Pokéstops in seinem Heimatort. Zwei davon direkt an der Kirche, eine "Kampfarena" steht auf dem Marktplatz. An den Stopps können Spieler Gegenstände und Material sammeln, das zum Einfangen der virtuellen Tierchen und beim Erkämpfen und Verteidigen einer Kampfarena nützlich sein kann. Auch Pokémon-"Eier" kann man dort fangen, die Spieler dann durch Gehen "ausbrüten" können - daher hat das Spiel seinen Namensbestandteil "Go". Dabei sind Tierchen, die nach zehn Kilometern Gehen "ausgebrütet" sind, wertvoller als die nach zwei Kilometern.
Da die Stopps allen im Umkreis von etwa 30 Metern anwesenden Spielern Material liefern und sich zudem in bestimmten Zeitabständen immer wieder neu aufladen, ziehen sie viele Spieler an. Noch lebhafter als an den Stopps geht es an den als Arenen markierten Orten zu. Dort lassen Pokémon-Go-Fans ihre virtuellen Tiermannschaften, die auf ihren Handy-Bildschirmen im realen Umfeld zu sehen sind, gegen gegnerische Mannschaften antreten im Wettkampf um die Arena-Herrschaft.
"Das kann ganz schön laut werden", weiß Tobias Schneider aus eigener Erfahrung. Der 38-Jährige ist mittlerweile selbst Pokémon-Go-Spieler und berichtet schmunzelnd, dass er "schon über die Hälfte" aller in Europa verfügbaren Pokémons eingefangen hat.
Obwohl das Spiel erst seit Juli auf dem Markt ist, fasziniert es nicht nur Jugendliche, sondern auch viele 20- bis 30-Jährige, berichtet der Theologe. Er findet die kommunikative Seite des Spiels gut und die mit dem "Brüten" verbundene Bewegung. Er sieht aber auch, dass Grenzen nötig sind. Deshalb hat er für Religionsunterricht und Konfirmandenarbeit ein Arbeitsblatt entwickelt, wo Spielen Spaß machen darf und wo besser nicht. "In Kirchen und auf Friedhöfen ist das tabu", vermittelt er. "Es gibt einfach Orte, die sind nicht zum Spielen da." Nicht umsonst sei mittlerweile das Areal etwa um den Kölner Dom oder an bestimmten Gedenkstätten vom Spiel ausgenommen worden.
So lange sich die Spieler außerhalb der Kirchengebäude treffen, hat Schneider nichts dagegen. Auch der Pressesprecher der Evangelischen Landeskirche in Baden, Daniel Meier (Karlsruhe), sagt: "Bislang nehmen wir das mit einem Schmunzeln wahr. Es ist ja auch ganz nett, wenn sich so viele Jugendliche vor Kirchen versammeln." Die Grenze ist aber auch für ihn der Friedhof. "Die Friedhofsordnung und die Einhaltung der Totenruhe" seien nicht verhandelbar.
Möglicherweise ist das Pokémon-Fieber auch schon im Abklingen. Beim Evangelischen Jugendwerk in Württemberg (ejw) jedenfalls berichten einige Bezirksjugendreferenten, dass es in ihrem Umfeld mehr Jugendliche gibt, die das Spiel "schon wieder gelöscht haben als solche die es noch spielen". Oder: "Bei uns ist der Hype schon wieder vorbei. War zwei Wochen lang ganz lustig für alle Beteiligten", zitiert ejw-Pressesprecher Eberhard Fuhr einen Jugendreferenten aus dem Großraum Stuttgart.
Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)