Die bevorstehende Erntezeit fordert gerade in diesem Jahr zu besonderer Nachdenklichkeit und auch zu mehr Wertschätzung für „unser tägliches Brot“ auf, meint Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July in einem Wort zur Ernte 2016.
Demnächst beginnt im Land die Erntezeit. Besonders die Familien in der Landwirtschaft hoffen, dass sich nach den Unwettern zu Beginn des Sommers eine normale Erntewitterung einstellt. In unseren Erntebittgottesdiensten beten wir um eine gesegnete Ernte. So wird die Vaterunser-Bitte um „unser tägliches Brot“ konkret. Denn Essen und Trinken sind elementare Voraussetzungen für menschliches Leben. Dazu braucht es mindestens zweierlei: Die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern – und den Segen Gottes, der Wachstum und Gedeihen schenkt:
Wir Menschen können eine Menge tun und haben daher eine große Verantwortung. Die Technik erleichtert uns das Leben und hat in der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten eine enorme Steigerung der Produktivität gebracht. Trotzdem haben wir längst nicht alles im Griff.
In diesen Wochen ist das besonders deutlich geworden, wenn wir an das Wasser denken. Wasser ist Leben. Menschen, Tiere und Pflanzen sind darauf angewiesen. In den vergangenen Jahren hofften die Landwirte häufig auf Regen, weil es vor allem im Frühjahr zu trocken war. Hitze und Trockenheit wie im letzten Sommer setzen nicht nur dem Wald und den Feldern gehörig zu. Wasser kann aber auch Tod und Zerstörung bringen. Das ist die erschreckende Erfahrung dieses Frühsommers. Menschen starben, Häuser und Straßen wurden zerstört. In manchen Wiesen und Äckern stand tagelang das Wasser, oder sie wurden durch Schlamm und Geröll verunreinigt.
Die Schäden bei Obst, Gemüse und im Grünland sind das Eine. Es wird aber auch diskutiert, ob die Landwirtschaft durch den starken Maisanbau nicht mitverantwortlich sei an den Auswirkungen der Unwetter. Einseitige Schuldzuweisungen helfen dabei freilich nicht weiter. Aber natürlich muss man jeweils vor Ort gemeinsam genau hinschauen, was verbessert werden kann.
In diesem Jahr steht die Ernte für viele Bäuerinnen und Bauern unter besonders schwierigen Vorzeichen. Nicht nur wegen des Wetters. Ich erlebe, dass die Stimmung vielerorts gedrückt ist, weil landwirtschaftliche Arbeit, weil das tägliche Brot in unserer Gesellschaft wenig wert zu sein scheint. Außerdem können mit dem derzeit sehr niedrigen Milchpreis landwirtschaftliche Betriebe bei uns auf Dauer nicht überleben.
Das ist eine Herausforderung an unser aller Denken und Handeln. An welchen Maßstäben richten wir uns aus – in der Politik, in Handel und Wirtschaft, als Verbraucherinnen und Verbraucher? Für viele, die Lebensmittel einkaufen, kommt es vor allem auf den Preis an. Woher das Essen kommt, wie es produziert wurde, welche Folgen das für die Bäuerinnen und Bauern bei uns hat, wird oft übersehen. Andere dagegen bekunden, für sie seien Lebensmittel aus der Region wichtig, die mit hohen Qualitäts-, Umwelt- und TierschutzsStandards erzeugt werden. Entscheidend sind aber nicht Absichtserklärungen, sondern wie wir praktisch unserer Verantwortung nachkommen und die Wertschätzung für „unser tägliches Brot“ zeigen. Auch wir als Kirche lassen uns hier an unserem Verhalten messen.
Mit den Bäuerinnen und Bauern hoffen wir auf eine gute Ernte und bitten Gott um seinen Segen. Damit das, was wächst und gedeiht, möglichst allen zum Segen wird: Landwirten und Verbrauchern, den Menschen bei uns und denen in anderen Regionen dieser Erde.