Nach acht Jahren gibt Markus Herb das Amt des Männerpfarrers in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg an Jürgen Schwarz ab, Anfang Juni beginnt Herb als Militärpfarrer in Ulm. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) bedauert er ein mangelndes kirchliches Interesse an Männern. Und er glaubt, dass Bierausschank in den Gemeinden kein Tabu sein sollte.
Herr Herb, das Bild von Kirche ist: vor allem Männer in der Leitung, vor allem Frauen in den Kirchenbänken und im Ehrenamt. Ist das unveränderlich?
Wir sprechen heute von einer männerdominierten Frauenkirche. Trotz Männern an der Spitze gibt es beim Thema männerfreundliche Kirche Nachholbedarf. Man muss sich nur mal die Angebote von Kirchengemeinden und Kirchenbezirken anschauen. Das sind sehr viele Themen dabei, die Männer einfach nicht ansprechen. Und da es in den meisten kirchlichen Veranstaltungen auch kein Bier gibt, ist das für Männer schon weit weniger attraktiv.
Gelten diese Klischees weiterhin: Die Frauen wollen Blumen und Kerzen, die Männer Bier?
Es ist einfach so, dass viele Männer gerne Bier trinken und gerne über Fußball reden. Bei Konfirmanden-Elternabenden habe ich schon Bier auf den Tisch gestellt - da waren die Männer richtig verblüfft. So was erwarten die gar nicht.
Das bedeutet: Mehr Bier in der Kirche, dann kommen die Männer schon...
... immerhin sind wir in Württemberg sehr erfolgreich mit Männervespern. Meistens finden Sie in Gaststätten statt, es gibt herzhaftes Essen (und wer möchte, bestellt sich ein Bier), und es wird über Themen gesprochen, die Männer interessieren. Die Zahl der Männervesper in der Landeskirche dürfte sich bei rund 400 stabilisiert haben. Dazu gehören die relativ wenigen Männergruppen.
Wo wird denn im Ländle eine richtig gute Männerarbeit gemacht?
Im Kirchenbezirk Reutlingen. Dort gibt es einen Diakon, der einen Teilauftrag speziell für Männer hat. Und er macht das ausgezeichnet, veranstaltet Männerpilgern, Bogenschießen, Vater-Kind-Events, Betriebsbesichtigungen. Er vernetzt die Männer, legt Listen an, um gezielt zu interessanten Veranstaltungen einladen zu können. Das ist das Modell für Männerarbeit in einem Bezirk! Aber das wird leider andernorts nicht verstanden. Man bräuchte überall mehr Ressourcen für so ein Engagement.
Dann sind die Männer beim Bogenschießen, aber noch nicht im Gottesdienst. Was bräuchten denn Männer unter der Kanzel?
Schwer zu sagen. Was nicht funktioniert, sind reine Männergottesdienste. In Männerköpfen spukt immer noch der Gedanke, dass es ein Zeichen von Schwäche ist, in die Kirche zu gehen. Sie haben Angst vor der Frage: "Hast du das nötig?" Schwächeerfahrungen sind durchaus wichtig, aber ein Mann hat dazu einen längeren Anlaufweg. Einfacher ist es, ihn bei seinen Kompetenzen anzusprechen. "Mann, ich brauche Dich für eine Aufgabe" ist wirkungsvoller als die Botschaft "Mann, du brauchst mich."
Wenn keine Männergottesdienste, was dann?
Gottesdienste mit speziellem Anlass, etwa zum Valentinstag, sind eher männerfreundlich. Mancher Mann wird dazu vielleicht von seiner Partnerin abgeschleppt, aber das macht nichts. Gute Anlässe sind auch Konfirmationen, Einschulungen. Eine andere Idee ist es, einmal im Jahr die Menschen einzuladen, die in den Ruhestand gehen. Ein Gottesdienst also für einen wichtigen Übergang im Leben. Kirche sollte auch an den Orten sein, wo Männer sind - und das sind oft Sportvereine, Gesangvereine, Feuerwehr. Auch Gottesdienste im Grünen sind männerfreundlicher.
Wie kann aber der ganz normale Sonntagsgottesdienst attraktiver werden?
Dazu gehört meiner Meinung nach, dass Männer auf der Kanzel als Männer erlebbar sind. Der Prediger sollte also hin und wieder reflektieren, was er als Mann erlebt, wo er als Vater oder Sohn, als Single oder Ehemann in Konflikte gerät. Man darf das ruhig ansprechen, dass dieselbe Situation für einen Mann etwas ganz anderes bedeuten kann als für eine Frau.
Ein amerikanischer Kirchenkritiker hat die kühne These aufgestellt, die Situation werde sich durch mehr Frauen auf der Kanzel und in Führungspositionen weiter verschärfen. "Männer folgen Männern", schreibt er. Sehen Sie das auch so?
Das überzeugt mich nicht. Die Kirche war nicht männerfreundlicher, als es noch keine Pfarrerinnen gab. Die Situation, die wir heute vorfinden, ist doch vor Jahrzehnten entstanden, als nur Männer auf der Kanzel waren. Die Probleme müssen deshalb auf einer anderen Ebene liegen. In der Jugendarbeit halte ich es dagegen für sehr wichtig, dass die jungen Männer Geschlechtsgenossen als Gegenüber und Ansprechpartner haben.
Welchen Einfluss hat die Gendertheorie auf ihre Arbeit, derzufolge die Geschlechter ja gar nicht festgelegt sind, sondern sozial konstruiert?
Meine Beobachtung ist: Wo Gender draufsteht, sind Frauen drin. Ich bin ein großer Anhänger der Idee, dass Männer sich emanzipieren müssen. Es geht um Männerbefreiung. Die klassische Männerrolle kann einengen. Aber gesellschaftlich und kirchlich wird Gleichstellung und Emanzipation weiterhin nur auf die Frau bezogen. So lange das so bleibt, wird sich für die Männer nicht viel ändern. Und für die Frauen ändert sich übrigens auch nicht viel.
Was ist Ihnen in Ihrer achtjährigen Amtszeit gut gelungen?
Der Übergang vom früheren Männerwerk zum Männernetzwerk vor vier Jahren hat vorbildlich funktioniert. Es gab keinen Abbruch der Männerarbeit - im Gegensatz zu Baden, wo vor 15 Jahren das Männerwerk aufs Abstellgleis gestellt wurde, indem es keinen Landesmännerpfarrer mehr gab. Heute wird mühsam versucht, durch zwei halbe Projektstellen im Rahmen der Erwachsenenbildung kirchliche Männerarbeit wieder neu aufzustellen. Ich glaube, das Netzwerk ist fit für die kommenden Jahre, sogar unabhängig von möglichen Sparbeschlüssen der Synode.
Was ist der Unterschied zwischen Männerwerk und Männernetzwerk?
Das Netzwerk ist in seiner Struktur viel freier. Das Netzwerk sind einfach die Akteure in der örtlichen und regionalen Männerarbeit. Es ist etwas Besonderes in der kirchlichen Landschaft, dass bei der Männerarbeit Katholiken, Gemeinschaftsverbände, "Kirche unterwegs", Landeskirche, methodistische Kirche eng zusammenarbeiten. Die Männerwirklichkeit verbindet viel mehr, als theologische Differenzen trennen könnten.
Ihr Fazit am Ende Ihrer Amtszeit?
Insgesamt hat das Thema Männer leider immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit in Kirchen und Gemeinden. Das ist nicht nur in Württemberg so, sondern generell in der evangelischen Kirche.
Wir danken für das Gespräch.
Am 5. April, um 18.00 Uhr, wird der neue Landesmännerpfarrer Jürgen Schwarz in der Paul-Gerhard-Kirche in Stuttgart von Oberkirchenrat Werner Baur investiert. Im Anschluss wird der neue Vorsitzende des Evangelischen Männer-Netzwerks Württemberg Prof. Dr. Eckart Hammer eingeführt.