31.05.2019

Marxist, Pietist und schließlich Bischof

Der Theologe Gerhard Maier notiert „Streiflichter“ seines Lebens

In jungen Jahren hatte Gerhard Maier mit einem Buch die Mehrheit der Theologen und Pfarrer gegen sich aufgebracht. Später wurde er Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Nun legt er Streiflichter seines Lebens in einem Buch vor.

Archivbild aus 2005 von Altlandesbischof Dr. Gerhard Maier

Es war die überraschendste Personalie in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) seit Jahrzehnten: Der Ulmer Prälat Gerhard Maier wurde am 14. Februar 2001 zum Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gewählt. Überraschend deshalb, weil er acht Jahre zuvor schon einmal kandidiert hatte und gescheitert war. Und weil er als profilierter Pietist mit seinem Vertrauen zur Bibel gegen den Mainstream der Universitätstheologie stand.

In seinen am Montag, 3. Juni, erscheinenden autobiografischen „Streiflichtern" erzählt der inzwischen 81-Jährige von den Hintergründen seiner Bischofswahl. Vorausgegangen war ein für Württemberg typischer Wahlkrimi, bei dem keiner der drei gesetzten Kandidaten die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht hatte. "Jetzt müssen die Prälaten ran", hieß es im Oberkirchenrat, und hier schienen nur Gerhard Maier (Ulm) und Claus Maier (Reutlingen) geeignet. "Claus, das machst du", sagte der Ulmer dem Reutlinger. Dessen Antwort: "Nein, das machst du."

Ein Bischof für alle, aber nicht für alles

Gerhard Maier erhielt, nachdem er sich in den Gesprächskreisen vorgestellt hatte, sofort die nötige Stimmenzahl und wurde Bischof. Sein Programm beim Amtsantritt: „Ein Bischof für alle, aber nicht für alles.“ Das scheint typisch für den gebürtigen Ulmer, dessen Buch von einer großen internationalen Weite mit Begegnungen auf vielen Kontinenten berichtet und der gleichzeitig theologisch ein kantiges Profil trägt.

Der Altbischof berichtet aus den Ulmer Kinderjahren, von Bombennächten und dem Wunder, dass das Münster im Krieg nahezu unbeschädigt blieb. Als Jugendlicher bewegte er sich in den pietistischen Kreisen seiner Heimat, etwa im CVJM. Doch dann nahm er Abschied von den „Frommen“ und begeisterte sich für das Kommunistische Manifest und dessen Autoren, Friedrich Engels und Karl Marx.

Vor diesem Hintergrund kann Maier seinem Buch „Streiflichter meines Lebens" den Untertitel geben: „Ursprünglich sollte Gott gar nicht vorkommen."

Die persönliche Wende brachte eine Ansprache, die Maier und seine Frau 1962 in einem Evangelisationszelt hörten, das sie eigentlich nur aus Höflichkeit gegenüber den Veranstaltern besucht hatten. Die leidenschaftlichen Worte des Predigers führten Maier nach eigenen Worten zur Erkenntnis: „Hat der recht, dann lebe ich falsch.“ Am selben Abend beschlossen seine Frau und er, ihr Leben Jesus Christus zu widmen.

Obwohl er sein juristisches Examen schon in der Tasche hatte, entschied sich Maier nun fürs Theologiestudium. Seine Universitätskarriere ruinierte er in jungen Jahren mit einem Buch, das er „Das Ende der historisch-kritischen Methode“ betitelte.

Mit diesem Frontalangriff auf das an den Universitäten der westlichen Welt herrschende Bibelverständnis war er für die meisten Gelehrten kein ernstzunehmender Gesprächspartner mehr. Der Tübinger Professor Otto Michel sagte ihm: „Sie haben sich selbst aus der Fakultät hinauskatapultiert." Der konservative Dekan Kurt Hennig kommentierte: „Ein solches Buch schreibt man erst am Lebensende."

Sicht präzisiert

Doch Maier steht bis heute zu seinem Buch, in dem er der historisch-kritischen Methode die „historisch-biblische Methode“ gegenüberstellt, die der Heiligen Schrift mit Vertrauen begegnet. Später hat er in einer weltweit beachteten „Biblischen Hermeneutik“ seine Sicht präzisiert. In Württemberg führte ihn der Weg erst mal ins Pfarramt in den Schwarzwald und dann an das kurz zuvor gegründete Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen, das Studenten mit einer konservativen Theologie akademisch begleitet. Dort blieb er 22 Jahre lang, schrieb Kommentare zur Bibel und engagierte sich in der württembergischen Landessynode. Es folgte das Amt des Regionalbischofs in Ulm von 1995 bis 2001, danach vier Jahre und vier Monate Bischofszeit bis zu seinem 68. Geburtstag.

„Handbreit vom Islam entfernt“

In den milden Grundton des Buchs mischen sich vereinzelt harte Kommentare, etwa gegen die EKD. Ihr wirft er im Umgang mit deutschen Partnerkirchen im Ausland eine Art „Kolonialherrschaft" vor, die wenig Rücksicht auf lokale Bedürfnisse nehme. Die EKD-Synode sei an der Ausbreitung des christlichen Glaubens in andere Milieus und andere Religionen nicht interessiert. Die liberale Theologie sieht Maier nur noch „eine Handbreit vom Islam entfernt", weil sie wie Muslime die Gottessohnschaft von Jesus Christus bestreite und dem Kreuz keine Heilsbedeutung beimesse.

Der Altbischof entwirft in seinen Erinnerungen kein Heldenepos. Er schildert auch seine Zweifel, berichtet über Krankheiten und bekennt, sich bei manchen Themen zu wenig engagiert zu haben. Vor allem aber dokumentiert er, wie ein geradezu kindlicher Glaube ihn durch die Jahrzehnte getragen hat. Bibelverse der Herrnhuter Tageslosung sprechen mitten in sein Leben hinein, Gebete werden erhört - manchmal erst nach 15 Jahren. Diese Glaubenserfahrungen helfen Maier nach eigenen Angaben im Kampf gegen Altersversuchungen wie Bitterkeit und Fatalismus.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd), Marcus Mockler

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