Am Sonntag predigen, an Werktagen politisch debattieren: Bei den Kommunalwahlen am 26. Mai haben die Bürger wieder einige Theologen in ihre Gemeinderäte gewählt, wie ein Blick auf die fünf größten Städte Württembergs zeigt.
Steven Häusinger ist geschäftsführender Pfarrer der Nikolaigemeinde in Heilbronn und seit 2018 in der Fraktion der Grünen Mitglied im Gemeinderat der 125.000-Einwohner-Stadt. Nicht nur beim Klimaschutz oder der Flüchtlingsthematik zeigen sich zahlreiche Überschneidungen zwischen seinem kirchlichen und politischen Wirken. „Suchet der Stadt Bestes“ ist für ihn ein Leitsatz als Pfarrer und Kommunalpolitiker.
Trotz aller Schnittmengen ist es ihm wichtig, seine beiden Tätigkeitsfelder nicht zu vermischen: „In der Kirche setze ich die Themen mit dem Glauben in Verbindung, und in der Politik ist der christliche Glaube ein persönliches Motiv von mir - aber ich habe auch an andere Menschen zu denken, nicht nur an Christinnen und Christen“.
Nach den vorläufigen amtlichen Ergebnissen ist Häusinger einer von insgesamt fünf Theologen, die von den Wählern am 26. Mai in die Gemeinderäte der fünf größten württembergischen Städte geschickt worden sind. Mit einer Pfarrerin und zwei Pfarrern hat Heilbronn die größte „Theologen-Dichte“ vor Ulm und Stuttgart mit je einem Geistlichen beziehungsweise einer Geistlichen.
In Reutlingen und Ludwigsburg als weitere Mitglieder der „Top 5“ sitzen keine evangelischen Pfarrer in den Parlamenten.
Als Gemeinderäte sind die Theologen wie ihre Ratskollegen für die nächsten fünf Jahre ehrenamtlich tätig - mit durchschnittlich 35 Stunden Ratsarbeit im Monat; dazu gehören neben den eigentlichen Gemeinderatssitzungen auch Beratungen in den Fachausschüssen. Manche Abgeordnete sind zudem noch in Gremien städtischer Betriebe aktiv.
Dr. Anna Christ-Friedrich leistet dieses zeitaufwändige Ehrenamt bereits seit 2014. Nur mit Nachtschichten und einer guten Zeitplanung schafft sie den Spagat zwischen ihrer Sonderpfarrstelle „Seelsorge für Seelsorgende“ und ihrem politischen Engagement in der SPD.
Diese Anstrengungen haben sie nicht von einer erneuten Kandidatur abgehalten: „Ich bin gerne darüber informiert, was in der Stadt passiert, und ich möchte mitgestalten.“
Fraktionskollege von Anna Christ-Friedrich im Heilbronner Gemeinderat ist übrigens Erhard Mayer, Pfarrer an der evangelischen Kirchengemeinde Biberach-Kirchhausen.
In Ulm hat es der frühere Münsterpfarrer Ulrich Metzger geschafft, für die Grünen erneut in den Rat einzuziehen. Und in Stuttgart ist Guntrun Müller-Enßlin, Pfarrerin der Oswald-Wolfbusch-Kirchengemeinde, gleichzeitig Abgeordnete für die Wählergruppe „Stuttgart Ökologisch Sozial“ (SÖS).
Genaue Zahlen, wie viele Pfarrerinnen und Pfarrer beziehungsweise weitere kirchliche Mitarbeiter in die württembergischen Kommunalparlamente eingezogen sind, liegen übrigens nicht vor: Weder die Landeswahlleitung noch das Statistische Landesamt verfügen über entsprechende Daten, wie die Behörden auf Nachfrage betonten. Wir konzentrieren uns deshalb auf die größten fünf Städte Württembergs; in den Gemeinderäten zahlreicher kleinerer Kommunen leisten Geistliche ebenfalls ehrenamtliche Arbeit.
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