Tübingen/Stuttgart. Die bewegenden Berichte und Appelle von Friedensnobelpreisträger Dr. Denis Mukwege in Tübingen und Stuttgart sind auf Resonanz gestoßen: Sowohl Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als auch der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July sehen sich in der Pflicht, Mukwege in seinem Kampf um Menschen- und Frauenrechte im Kongo zu unterstützen.
Mukwege setzt sich seit Jahrzehnten teilweise unter Todesgefahr für die Opfer der systematischen, massenhaften Vergewaltigungen und Vertreibungen in der Demokratischen Republik Kongo ein.
Doch die Verbrechen an Hunderttausenden Frauen seien nur ein Symptom: Die Gewalt, die den Kongo seit 20 Jahren erschüttere und bisher zu sechs Millionen Toten und vier Millionen Binnenflüchtlingen geführt habe, sei kein ethnischer oder religiöser Konflikt, sondern ein ökonomischer, betonte der 63-Jährige.
Denn es gehe um viel Geld, wobei Verbrecher-Clans und Regierungsbehörden eng zusammenarbeiten, wie Mukwege sowohl in Tübingen als auch in Stuttgart seinen Zuhörern berichtete: Mit den gezielten Übergriffen würden jene Gebiete entsiedelt, in denen beispielsweise die für die Produktion fast aller elektronischen Geräte dringend notwendigen Coltan-Erze im Boden schlummern. Um diese Vorkommen auszubeuten, werden laut Mukwege sowohl Arbeiter als auch Frauen und Kinder wie Sklaven gehalten. Das erlöste Geld hingegen verschwinde häufig in dunkle Kanäle...
Der 63-jährige Gynäkologe und Nobelpreisträger Mukwege forderte deshalb die deutsche Politik wie auch die Industrie auf, sich stärker für die Menschen im Kongo verantwortlich zu fühlen. Würden beispielsweise Autohersteller die mit Hilfe von Coltan hergestellten Batterien direkt vor Ort produzieren anstatt nur die Bodenschätze von oft zwielichtigen Händlern zu kaufen und im Ausland weiterzuverarbeiten, käme dies der Bevölkerung direkt zugute - und eine Fluchtursache für Millionen von Menschen werde wirksam bekämpft.
Bei Landesbischof July kam die Botschaft des Nobelpreisträgers an: "Wir werden nochmals an uns selbst prüfen, wo wir noch stärker auch mit Unternehmen unseres Landes sprechen müssen. Wir sind aufgefordert, den globalen Blick nicht zu verlieren und diesen auch zu erneuern", sagte er nach Mukweges Rede in der Stiftskirche Stuttgart. Immerhin haben zwei namhafte Autohersteller, die ihre Modellpalette zunehmend auf Elektrofahrzeuge ausrichten, ihren Sitz im Gebiet der Landeskirche. Und für die Elektrifizierung sind seltene Erze wie Coltan aus dem Kongo zumindest derzeit unersetzbar.
Ministerpräsident Winfried Kretschman (Grüne) hat nach einem Treffen mit Mukwege dessen Engagement gewürdigt und weitere Hilfe seines Bundeslandes zugesagt. "Dr. Mukwege führt einen mutigen Kampf gegen sexualisierte Kriegsgewalt", sagte er während eines Pressegesprächs. Deshalb werde sich die Landesregierung „auch weiterhin mit Nachdruck einsetzen für Frauen, die unter den Folgen von Krieg leiden".
Auch Dr. Gisela Schneider, Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm), auf dessen Einladung Mukwege in Tübingen und Stuttgart war, appelliert, aktiv zu werden. Dabei seien keine Sonntagsreden gefragt, sondern konkretes Handeln. „Wir möchten Denis Mukwege dabei unterstützen, unbequem zu sein und aufzustehen." Das Ziel sei, dass Unternehmen transparent und fair produzieren.
Der erste Schritt sei, dass eine von Mukwege und dem Difäm am Rande des Evangelischen Kirchentags in Dortmund niedergeschriebene Resolution eine breite Öffentlichkeit findet. Darin werden die Bundesregierung und die EU-Kommission aufgefordert, dass der „Mapping-Bericht" der UN von 2010 wieder in den zuständigen UN-Gremien behandelt wird, Opfer zu Wort kommen und die in dem Bericht aufgelisteten Empfehlungen zeitnah umgesetzt werden.
Dazu soll ein international anerkanntes und unabhängiges Justizverfahren geführt werden, das Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriebsverbrechen verfolgt.
Auch die Handy-Aktion Baden-Württemberg, bei der landesweit ungenutzte Handys gesammelt und ihre wiederverwertbaren Teile recycelt werden sollen, unterstützt einen fairen Einkauf von Rohstoffen und die Verbesserung der Produktionsbedingungen.