Tübingen. Eine neue „Denkfabrik“ des Pietismus entstand am 27. Dezember 1969 in Tübingen - als Vertreter der Landessynode, der Ludwig-Hofacker-Vereinigung und konservativ-lutherische Kräfte das Albrecht-Bengel-Haus gründeten. Die Einrichtung besteht nun genau seit 50 Jahren.
Die Studentenunruhen der Sechziger Jahre gaben den Anstoß zur Gründung des Albrecht-Bengel-Hauses: Lange Zeit war das Evangelische Stift in Tübingen die Adresse für evangelische Theologiestudierende in Württemberg. Doch die Studentenbewegung brachte Veränderungen: Die Stiftler schafften das Tischgebet ab und demonstrierten gegen die bürgerliche Ehe.
Für die künftigen Pfarrerinnen und Pfarrer wünschten sich konservative Teile der Landeskirche angesichts der Proteste eine Prägung, die die Grundlagen des christlichen Glaubens bewahrte. Am 27. Dezember 1969 gründeten Vertreter der württembergischen Landessynode, die pietistische Ludwig-Hofacker-Vereinigung und konservativ-lutherische Kräfte den Verein „Albrecht-Bengel-Haus“. Laut Rolf Hille, von 1995 bis 2009 Rektor des Albrecht-Bengel-Hauses, hat das Evangelische Stift damals die Gründung „sicher als Affront verstanden, auch wenn der Verein beteuerte, kein ‚Gegenstift‘ gründen zu wollen“. Später gab es sogar gemeinsame Veranstaltungen.
Nach den ersten elf Studierenden, die bereits im Wintersemester 1970 in der Tübinger Gartenstraße einzogen, stiegen die Zahlen bald, und von Anfang an wohnten Frauen und Männer dort. Im Herbst 1977 feierte das Bengelhaus die Einweihung eines Neubaus in Tübingen-Derendingen, der inzwischen vier Türme zählt.
Derzeit leben 102 Studierende im Albrecht-Bengel-Haus, die „Bengel“. 21 weitere „Stadtbengel“ nehmen am Programm des Hauses teil, wohnen aber extern. Insgesamt 68 von ihnen studieren Theologie mit dem Berufswunsch Pfarrer, 28 evangelische Theologie auf Lehramt, die anderen sind Doktoranden oder Nicht-Theologen.
Clemens Hägele, der jetzige Rektor des Bengel-Hauses, ist für viele gute Kontakte zu Stift und Evangelischer Fakultät dankbar. Derzeit stehen Renovierungsarbeiten an, die Dozentenschaft im Haus wird ausgebaut. Das Hauptanliegen bleibt: „Wir möchten, dass im Albrecht-Bengel-Haus das Studium akademischer Theologie und die Nachfolge Jesu als Einheit erlebt und gelebt wird", sagt Hägele.
Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)
Johann Albrecht Bengel (1687 – 1752): Der Theologe war Hauptvertreter des württembergischen und deutschen Pietismus. Seine große Liebe galt der Erforschung und Auslegung des Neuen Testaments. Als erster textkritisch arbeitender Theologe schuf er eine Neubearbeitung des griechischen Urtextes des neuen Testaments, dessen Grundsätze noch heute Geltung haben.