Stuttgart. Zum „Tag der Seenotretter“ am Sonntag, 28. Juli, hat das Diakonische Werk Württemberg Hilfe für Schiffbrüchige als „Gebot der Menschlichkeit und christlicher Nächstenliebe“ bezeichnet. „Jeder Mensch in Not ist zu retten! Er ist Gottes Geschöpf wie du und ich“, sagte Diakonie-Vorstandsvorsitzender Dieter Kaufmann, der zugleich Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ist.
Wenige Tage nach dem bislang wohl schwersten Bootsunglück im Mittelmeer in diesem Jahr hat die Diakonie Württemberg ihren Appell erneuert, die „Kriminalisierung von Seenotrettung“" zu beenden. Anlass ist der „Tag der Seenotretter“ am Sonntag, 28. Juli. Nach UN-Angaben bis zu 150 Menschen vor der libyschen Küste ertrunken; Kräfte der Hilfsorganisation Roter Halbmond haben bislang mehr als 60 Leichen aus dem Wasser gezogen.
„Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Elend fliehen, begeben sich nicht leichtfertig auf diese riskante Überfahrt, sondern werden aufgrund einer rigorosen Abschottungs- und Abschreckungspolitik der EU dazu gedrängt“, kritisiert Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, zugleich Vorstandsvorsitzender der Diakonie Württemberg. Er forderte die Bundesregierung sowie die EU dazu auf, schnellstens eine europäische Gesamtlösung mit sicheren Zugangswegen für Flüchtlinge und ein EU-weites Verteilsystem zu etablieren.
Am Donnerstag erst hatte die Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments einen Gesetzentwurf des rechtspopulistischen Innenministers und Lega Nord-Chefs Matteo Salvini gebilligt, gegen Seenotretter Strafen von bis zu einer Million Euro zu verhängen, wenn diese mit Flüchtlingen an Bord in italienische Hoheitsgewässer fahren.
Schon jetzt drohen Kapitänen von Rettungsschiffen Strafen zwischen 10.000 und 50.000 Euro, wenn sie die Seegrenzen unerlaubt passieren. Gegen die deutsche „Sea Watch 3“-Kapitänin Carola Rackete hat ein Gericht nach Angaben der Rettungsorganisation „Sea Watch“ eine Geldstrafe von 16.666 Euro verhängt; ihr Anwalt berichtete, er habe Beschwerde dagegen eingelegt.
Rackete hatte im Juni nach wochenlanger Odyssee auf dem Mittelmeer mit mehr als 40 Flüchtlingen an Bord trotz Verbots der italienischen Behörden im Hafen von Lampedusa angelegt und war daraufhin festgenommen worden. „Eine Schande für Europa“ hatte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, das Verhalten der italienischen Behörden sowie von Innenminister Salvini genannt.
Auch nach dem jüngsten Bootsunglück vor Libyen meldete sich der EKD-Ratsvorsitzende zu Wort: „Diese Katastrophe zeigt erneut, wie dringlich es ist, Menschen zu retten, die sich aus Verzweiflung auf die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer begeben“, mahnte Bedford-Strohm. Und er fordert: „Die Behinderung und die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung müssen unverzüglich beendet werden."
Ähnlich äußert sich auch der württembergische Diakonie-Chef Kaufmann: Es sei erschütternd, dass die „zivile Seenotrettung von einigen Staaten behindert und kriminalisiert“ werde. Diese Politik „bedroht nicht nur das Leben von Menschen, sie setzt auch die eigene Humanität und Würde aufs Spiel“. Hilfe für Schiffbrüchige sei ein „Gebot der Menschlichkeit und christlicher Nächstenliebe“, betont Kaufmann.
Unterdessen hat der italienische Innenminister Salvini einem Schiff der eigenen Küstenwache verboten, in Lampedusa festzumachen. An Bord der „Gregoretti“ befinden sich rund 140 Flüchtlinge; erst wenn ihre Verteilung in ganz Europa „schriftlich geregelt“ sei, dürfe das Schiff einen Hafen anlaufen, zitieren italienische Medien den Minister.