„Alexa, starte mir den Tag“, sagt Norbert Lurz jeden Morgen an seine elektronische Zuhörerin in einer Lautsprecherbox. Dann legt die Maschine los: Sie liest das Datum vor, den aktuellen Wetterbericht, Bibelworte aus dem Herrnhuter Losungsbuch, danach die Tagesschau-Nachrichten in 100 Sekunden und schließlich noch interessante Jahrestage. Oberkirchenrat Lurz, Bildungsdezernent der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, bringt sich mit dieser Morgenroutine auf den neuesten Stand – geistlich wie nachrichtlich.
Lurz ist ein Fan intelligenter Programme und hat sich in der digitalisierten Welt eingerichtet. Eine smarte Uhr umfasst sein Handgelenk, das Smartphone liegt immer in Reichweite. Ein handliches Notebook pendelt mit ihm zwischen Stuttgart und seiner Wahlheimat Schönaich bei Böblingen. Und zu Hause liegen auch noch ein kleiner Tabletcomputer und eine Spielekonsole, die von Zeit zu Zeit zum Einsatz kommen.
Der Bildungsexperte ist begeistert von den neuen Möglichkeiten und gibt gerne anderen Menschen dabei Nachhilfe. Bereits zwei Mal hat er im Kloster Kirchberg unweit von Rottweil ein Seminar „Leben und Beten mit dem Smartphone“ durchgeführt, bei dem vor allem ältere Menschen die Chancen von Sozialen Medien und anderen Anwendungen kennenlernen.
Lurz ist auf Computern so beweglich wie in seiner Biografie. Er trägt einen Doktortitel in Archäologie, hat zudem Wirtschaftswissenschaften studiert und arbeitete im baden-württembergischen Kultusministerium unter anderem als Büroleiter für Ministerin Annette Schavan (CDU). Einige Jahre saß er dem CDU-Ortsverband Schönaich vor, in der Kommune ist er bis heute Vorsitzender des örtlichen Sportvereins. Als junger Mann kämpfte er als Ringer um Punkte in der Bundesliga, später pfiff er als Schiedsrichter im Jugendhandball, und heute schafft der 56-Jährige immer noch den Halbmarathon. Als Laienprediger steht er gelegentlich auf Kanzeln württembergischer Kirchen.
Wie soll in einem so kunterbunten Leben das Smartphone die persönliche Glaubenspraxis bereichern? Lurz tippt auf das kleine Display in seiner Hand, und es erscheint eine App mit dem katholischen Stundengebet. Das ist eine seiner Lieblingsanwendungen. Manchmal betet der verheiratete Vater von drei Söhnen mit den Online-Texten, wenn er mit dem Hund in den Wald geht. Auch das Abendgebet greift er gerne heraus. „Das hilft mir, den Tag abzugeben – auch das, was schlecht gelaufen ist. Dann kann ich besser schlafen“, sagt er.
Den Einstieg in die elektronische Welt hat ihm Ende der 1980er-Jahre ein Schreibcomputer beschert. Wenige Jahre später entdeckte er die Computerbibel, um damit etwa Stichworte und Vergleichsstellen zu recherchieren. Inzwischen kann er den Nutzen des Digitalen für Christen kaum mehr aufzählen: Von Gottesdiensten in Mediatheken über das Heiligenlexikon bis hin zu Informationen zum Kirchenjahr – all das leuchtet nach kurzem Tippen auf seinem Bildschirm auf.
Lurz weiß allerdings auch, dass er mit seinem Verhalten eine große Menge an persönlichen Daten preisgibt. Dass dadurch Werbung auf ihn zugeschnitten wird, stört ihn nicht. Schlimmer fände er es, wenn diese Informationen von einem autoritären System verwertet würden, wie das derzeit in China geschieht. Er sei bei dem Thema „vielleicht ein bisschen blauäugig“, räumt er ein, vertraue aber auf das freiheitlich-demokratische System in Deutschland, das die Bürgerrechte und auch den Datenschutz insgesamt gewährleiste.
Die positiven Effekte überwiegen jedenfalls für den Kirchenmann. Nach Antritt seiner Arbeitsstelle im Evangelischen Oberkirchenrat im vergangenen Jahr habe sich die Zahl seiner Freunde auf Facebook verdoppelt.
Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)