„Am Anfang steht die Furcht und am Ende die Freude“, sagt Pfarrer Bernhard Riesch-Clausecker. Darauf laufen die Ostergeschichten in der Bibel hinaus. „Fürchtet Euch nicht!“, sagt ein Engel zu den Frauen. Und später sagt es der auferstandene Jesus selbst: „Fürchtet Euch nicht!“
Für mich wird etwas von Ostern spürbar, wenn die Furcht keine Macht mehr über mich hat: „Fürchte Dich nicht!“ – ganz gleich, was kommen mag. Zum Fürchten kann es mir werden, wenn ich glaube, der Tod könnte Recht behalten. Wenn ich glaube, es könnte wirklich alles aus und vorbei sein. Aber seit jenem ersten Ostern glauben Christen, dass der Tod das Spiel verloren hat. Es gibt neues Leben, auch wenn alles tot war und verloren aussah. Deshalb: „Fürchte Dich nicht!“
Augenblicke der Furcht
Es gibt vieles, das zum Fürchten ist. Zum Beispiel nicht mehr zu wissen, wie es weitergehen soll. Wenn man um die Kinder und Enkel Angst hat, um deren Zukunft in einer Welt, die sich rasend schnell verändert; Angst vor Einsamkeit, wenn es um mich immer leerer wird. Aber seit Ostern können Christen glauben, dass nach jedem Tod wieder Leben möglich ist. „Fürchte dich nicht!“
Im Matthäusevangelium endet die Ostergeschichte so: „Die Frauen gingen eilends vom Grabe weg mit Furcht und großer Freude.“ Die Freude ist nahe bei der Furcht. Und die Freude hat viele Gesichter. Jedes Aufwachen am Morgen hat etwas von Ostern. Der erste Augenblick, nachdem Du aufgewacht bist, ist unendlich kostbar. Denn Du weißt, dass Du lebst, dass es nicht selbstverständlich, dass Du die Augen wieder auftust und Dir ein neuer Tag geschenkt wird.
In diesen Frühlingstagen freuen wir uns an den Schönheiten dieser Welt. Das Herz geht auf, wenn die scheinbar tote Natur wieder zum Leben erwacht. Wir freuen uns an den Menschen, die wir lieben, die uns begleiten und begegnen. Wie oft bleiben wir einander etwas schuldig. Aber wenn es gelingt, dass wir wieder neu miteinander anfangen können, dann vertreibt die Freude die Furcht.
Die Freude kommt aus der Zuversicht, dass der Tod an Ostern das Spiel endgültig verloren hat. Das macht Mut, gegen die Macht des Todes etwas zu tun. Ich denke zum Beispiel an die Menschen, die sich ehrenamtlich in der Begleitung von Sterbenden einsetzen. Oder an die, die dem kranken Nachbarn Besorgungen abnehmen – einfach so. Oder an die Mütter und Väter, die unentgeltlich ausländischen Kindern bei den Hausaufgaben helfen. Das sind Osterspuren gegen die Macht des Todes. Da kommt wirklich Freude auf.
Pfarrer Bernhard Riesch-Clausecker
Erschienen als „Feiertagsgedanke“ auf SWR4