15.07.2019

Russischer Bischof: Moskau soll Völkermord anerkennen

Besuch in Stuttgart - Bericht über Situation seiner Kirche

Stuttgart/Moskau. Der Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland, ist derzeit zu Besuch in Stuttgart - und fordert von Moskau die Anerkennung eines Völkermords 1917 an Deutschen.

Dietrich Brauer, Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland.

Der Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland, Dietrich Brauer, dringt darauf, dass die russische Regierung den Völkermord an Deutschen nach der Oktoberrevolution 1917 anerkennt. In jener Zeit seien Deutsche pauschal als Regierungsgegner verhaftet und getötet worden, sagte Brauer am Montag in Stuttgart.

Leitende der lutherischen Kirche habe man hingerichtet und Kirchen enteignet. Eine Anerkennung des Genozids hätte zur Folge, dass die heutige Kirche die Rückgabe enteigneter Immobilien beanspruchen könnte.

Unsichere rechtliche Lage

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Russland befinde sich bei der Nutzung von Kirchengebäuden weiterhin in einer unsicheren Lage, betonte der Bischof. In mehreren Städten dürften sie zwar in ihren traditionellen Kirchen Gottesdienste feiern, die Gemeinden besitzen die Häuser aber nicht.

Rechtlich sei es deshalb oft schwierig schwierig, außergottesdienstliche Veranstaltungen wie beispielsweise Konzerte zu organisieren.

Die evangelische St. Peter-und-Paul-Kathedrale in Moskau.

Mehrere Kirchen vor der Rückgabe

Vor zwei Jahren hatte der Staat den Lutheranern die Kathedrale St. Peter und Paul in Moskau zurückgegeben. Dazu waren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, nach Russland gereist. Brauer zufolge sollten nun weitere lutherische Gotteshäuser, beispielsweise in St. Petersburg, Wolgograd, Krasnodar und Smolensk, zurückgegeben werden.

Verhältnis zwischen Kirche und Staat

Das Verhältnis seiner Kirche zum Staat bezeichnete der Bischof als „kritisch-solidarisch". Als Staatsbürger wünschten die Lutheraner nur das Beste für ihr Land. Er selbst sei inzwischen Mitglied des Präsidentenrats für die Beziehungen zu religiösen Einrichtungen, in dem unter anderem die russisch-orthodoxe Kirche, Juden, Muslime und Buddhisten vertreten seien.  

Bischof mit nur 28 Jahren

Dietrich Brauer war 2011 mit damals 28 Jahren als einer der jüngsten Bischöfe einer lutherischen Kirche gewählt worden. 2015 wurde der Sohn einer russlanddeutschen Familie zum Erzbischof der beiden evangelisch-lutherischen Diözesen Europäisches Russland (ELKER) und Ural, Sibirien und Ferner Osten (ELKUSFO) geweiht.

Die Diözesen haben gemeinsam rund 40.000 Mitglieder. Gottesdienste werden in der Regel in russischer Sprache gefeiert, wobei einzelne Elemente wie das Vaterunser oder das Glaubensbekenntnis teilweise auch auf Deutsch gesprochen werden.

Gast des Gustav-Adolf-Werks

Zurzeit hält sich Brauer auf Einladung des Gustav-Adolf-Werks Württemberg in Deutschland auf; das Werk unterstützt evangelische Minderheitenkirchen im Ausland.

Die Vorsitzende des Gustav-Adolf-Werks Deutschland und Württemberg, die Ulmer Regionalbischöfin Gabriele Wulz, sagte, Brauers Wahl sei ein „Quantensprung" für die lutherische Kirche in Russland gewesen. Dass nach Jahrzehnten wieder ein russischer Staatsbürger Bischof wurde, sende die Botschaft: „Wir sind Teil dieses Landes". Das Gustav-Adolf-Werk hilft der Kirche in diakonischen Projekten, beim Erhalt von Gebäuden sowie in der theologischen Ausbildung.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)

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