13.08.2019

„Islamunterricht aus den Hinterzimmern holen“

Jurist Christian Heckel über die neue Stiftung des Landes

Stuttgart/Sigmaringen. Ab dem kommenden Schuljahr gibt es in Baden-Württemberg islamischen Religionsunterricht, der von einer vom Land finanzierten Stiftung verantwortet wird. Christian Heckel, Präsident des Verwaltungsgerichts Sigmaringen und Vorsitzender des Rechtsausschusses der württembergischen Landessynode, sieht mögliche Vorteile sogar für die Kirchen.

Eine Stiftung wird ab dem neuen Schuljahr den sunnitischen Islamunterricht an baden-württembergischen Schulen verantworten (Symbolfoto).

Herr Professor Heckel, macht der Staat mit seiner Stiftung indirekt Religionsunterricht, obwohl er das nach der Verfassung gar nicht darf?

Wir haben nach der Verfassung eine Trennung von Kirche und Staat, gleichzeitig gibt es im Grundgesetz auch das Recht auf Religionsunterricht. Der Religionsunterricht ist eine sogenannte gemeinsame Angelegenheit von Staat und Religionsgemeinschaften. Die Kirchen bestimmen dabei den konfessionellen Religionsunterricht inhaltlich. Unser System baut auf den christlichen Kirchen auf, die mitgliedschaftlich verfasst sind und eine Körperschaft bilden. Der Islam organisiert sich anders, nicht wie eine Körperschaft. Deshalb hat das Land nun nach einer Lösung gesucht, den Islam mit seinen Strukturen einzubinden, und kam auf das Stiftungsmodell. Denn der Staat ist religiös neutral und kann den Inhalt des Religionsunterrichts nicht selbst bestimmen.

Professor Dr. Christian Heckel, Präsident des Verwaltungsgerichts Sigmaringen und Vorsitzender des Rechtsausschusses der württembergischen Landessynode.

„Verfassungskonforme Ausrichtung gewähleisten“

Sehen Sie im Stiftungsmodell kein verfassungsrechtliches Problem?

Doch, denn die Verfassung hat sich von ihrer Entstehung her an den Kirchen ausgerichtet. Nun müssen wir das Staatskirchenrecht weiterentwickeln. Der Staat hat das Interesse, den islamischen Religionsunterricht aus den Hinterzimmern heraus in die öffentliche Schule zu holen, um ein gewisses Bildungsniveau und eine verfassungskonforme Ausrichtung zu gewährleisten. Man hat ja bereits mit der islamischen Religionslehrer-Ausbildung begonnen.

Beim Islam ist es im Moment für den Staat schwer, einen Ansprechpartner zu finden, der den Religionsunterricht inhaltlich verantworten kann. Deshalb versucht er mit der Stiftung, den Rahmen für ein islamisches Gegenüber zu schaffen, um staatlichen Religionsunterricht zu ermöglichen. Den Inhalt des Unterrichts bestimmt er dabei nicht.

Die Neutralität des Staates

Nimmt er nicht Einfluss auf die Inhalte, indem er bestimmt, wer in der Stiftung sitzt?

Hier wird die religiöse Neutralität des Staates tatsächlich berührt. Das ist teilweise auch legitim, weil er beispielsweise auf die Verfassungstreue der Verantwortlichen Wert legen muss. Auf die Inhalte selbst sollte der Staat aber keinen Einfluss nehmen. Im Übrigen handelt sich ja auch nur um ein Übergangsmodell, bis es islamische Körperschaften in Deutschland gibt. Ohne diese Konstruktion könnte man den islamischen Religionsunterricht nicht an die öffentlichen Schulen bringen.

Handelt es sich tatsächlich um ein Provisorium, wenn es heute keinerlei Indizien gibt, dass sich Muslime auf absehbare Zeit in einer Körperschaft zusammenschließen?Es ist keine Bedingung für ein Provisorium, dass sein Ende absehbar sein muss. Wir haben in der Rechtsgeschichte Provisorien, die gingen über Jahrhunderte, etwa den Augsburger Religionsfrieden.

Theoretisch sind Klagen möglich

Wäre es denkbar, dass jemand gegen die baden-württembergische Stiftungskonstruktion vor dem Bundesverfassungsgericht klagt?

Theoretisch könnten muslimische Verbände, die in der Stiftung nicht vertreten sind, gegen die Zusammensetzung dieses Organs klagen. Es gibt zudem das Instrument der Normenkontrollklage, das hier aber kaum eingesetzt werden dürfte. Denn nur die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages könnten beim Bundesverfassungsgericht vorstellig werden. Privatpersonen werden kaum klagen können, weil es schwer denkbar ist, dass sie durch muslimischen Religionsunterricht in ihren persönlichen Rechten verletzt werden.

Warum christliche Kirchen profitieren können

Aus den Kirchen ist vereinzelt ebenfalls Kritik am Stiftungsmodell laut geworden. Es gibt die Sorge, dass der Staat eines Tages auch den christlichen Religionsunterricht über eine Stiftung in die Hand nehmen könnte. Halten Sie diese Sorge für begründet?

Nein, denn es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Staat an so etwas Interesse hätte. Muslimischer Religionsunterricht könnte den Kirchen auch nutzen. Bislang kommt der Staat der Finanzierung des konfessionellen Religionsunterrichts nicht vollständig nach. Wenn Muslime zu 100 Prozent als Religionslehrer finanziert werden, könnten auch die Kirchen ihre Ansprüche leichter durchsetzen.

Marcus Mockler/Evangelischer Pressedienst (epd)

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