Hannover/Stuttgart/Rom. Die Freilassung der in Italien zeitweise festgenommenen „Sea Watch 3"-Kapitänin Carola Rackete ist bei der evangelischen Kirche mit Erleichterung aufgenommen worden. EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm spricht von einem „Punktsieg für Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit". Der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July fordert eine „massive, nachhaltige Unterstützung" von Projekten zur Bekämpfung von Fluchtursachen.
Zunächst festgenommen, dann unter Hausarrest - und seit Dienstagabend, 2. Juli, wieder auf freiem Fuß: Eine italienische Untersuchungsrichterin hat den Hausarrest gegen die deutsche Kapitänin Carola Rackete aufgehoben. In ihrer Begründung argumentierte sie laut Mitteilung der Hilfsorganisation „Sea Watch" damit, dass die 31-Jährige als Schiffsführerin „in Erfüllung ihrer Pflicht gehandelt" habe.
Sie war am späten Samstag mit dem Seenotrettungsschiff "Sea Watch 3" und mehr als 40 schiffbrüchigen Flüchtlingen an Bord nach wochenlanger Odysee auf dem Mittelmeer im Hafen von Lampedusa eingelaufen.
Damit hatte sich Rackete über ein Verbot italienischer Behörden hinweggesetzt und war von der Polizei prompt festgenommen worden. Der rechtspopulistische Innenminister Matteo Salvini bezeichnete die Kapitänin und ihre Crew als Kriminelle und wünschte sie für Jahre ins Gefängnis - was international für heftige Proteste gesorgt hatte.
Der EKD-Ratsvorsitzende und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der die Festnahme Racketes eine „Schande für Europa" genannt hatte, sieht in ihrer Freilassung einen „Punktsieg für Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit". Und er zeigt sich erfreut über die öffentliche Resonanz: „Danke an die europäische Zivilgesellschaft für den Einsatz in dieser Sache!"
Innenminister Salvini indes kritisierte die Entscheidung der Justiz zur Freilassung Carola Racketes. Via Facebook polterte er: „Der Platz dieses Fräuleins wäre an diesem Abend das Gefängnis gewesen." Nun wolle er die Justiz umbauen.
Der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July mahnte, nach dem vorläufigen Ende der „Affäre Sea Watch" das Thema Flüchtlingshilfe weiter im Blick zu behalten. Beispielhaft nannte er die Zustände in Libyen: Man dürfe nicht vergessen, unter welch „elenden Bedingungen" Tausende von Migranten in libyschen Lagern ausharren.
July ergänzte: „Deshalb fördern wir Projekte in den Herkunftsländern, um die Fluchtursachen zu bekämpfen." Dies müsse mit „massiver, nachhaltiger Unterstützung" geschehen.
Unterdesen sind am kommenden Samstag, 6. Juli, in Baden-Württemberg mehrere Demonstrationen zur Unterstützung der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer geplant, so in Esslingen, Heidelberg, Konstanz, Pforzheim. Der evangelische Kirchenbezirk Heidelberg ruft zur Teilnahme an dem Heidelberger Demonstrationszug auf.
Wer mag, könne sich in Orange kleiden, der Farbe der Seenotrettung und „für etwas Selbstverständliches" eintreten.